Frauenfußball "Perspektivisch in die Champions League": Sportchefin Odebrecht formuliert neues Ziel von RB Leipzig
RB Leipzigs Sportchefin Viola Odebrecht sieht den aktuellen Aufschwung im Frauenfußball nur bei entsprechenden Investitionen als nachhaltig. "Man muss den Frauenfußball als eine Art Start-up sehen. Irgendwann sollte es ein Selbstläufer sein, aber ich hoffe, dass es in den nächsten zwei bis drei Jahren noch als Investment gesehen wird", sagte die 40-Jährige im dpa-Interview. Außerdem spricht sie über den fast fixen Aufstieg, die Ambitionen in der Bundesliga und den Mindestlohn für Fußballerinnen.
Frage: RB Leipzig hat die Erstligisten Frankfurt und Essen besiegt. Mit welchen Hoffnungen und mit welchen Ambitionen geht RB das Halbfinale gegen Freiburg an?
Antwort: „Genauso wie wir das Spiel gegen Frankfurt im Achtelfinale und das Viertelfinale gegen Essen angegangen sind. Im Endeffekt wissen wir, dass wir nicht chancenlos sind, auch wenn Freiburg der Favorit ist. Wir werden alles geben und es herrscht eine positive Anspannung. Die Spielerinnen freuen sich auf das Halbfinale, denn kaum jemand stand bereits dort.“
Der Ligenunterschied ist klar, den sieht man auf dem Papier. Aber ein Klassenunterschied muss das ja nicht zwangsläufig sein.
„Ich hoffe natürlich, dass man sportlich keinen Klassenunterschied sieht und wir unabhängig des Ausgangs mithalten können. Ich glaube nicht, dass Freiburg anreisen und sagen wird, dass sie uns deutlich schlagen werden. Dafür waren die letzten beiden Pokalrunden einfach zu gut von uns.“
In der Liga ist Leipzig souverän vorn. Konkurrent Gütersloh spielt am Sonntagmorgen, man könnte sogar als feststehender Aufsteiger in das Halbfinale gehen. Motiviert das zusätzlich?
„Ich glaube nicht, dass der Zeitpunkt unbedingt eine Rolle spielt. Das Spiel gegen Freiburg findet unter einer anderen Anspannung statt. In der Liga wird ein Stück weit von uns erwartet, dass wir gewinnen. Am Sonntag wird es nicht so sein und im Endeffekt freuen wir uns darauf. Was den Aufstieg betrifft, denke ich, dass wir dies in den nächsten zwei, drei Spielen schaffen werden und nächstes Jahr in der Bundesliga spielen.“
Das Halbfinale findet in Leipzig statt. Zudem wird eine Zusatztribüne aufgebaut, weil das Spiel innerhalb eines Tages ausverkauft war. Ist es ein Testlauf für die nächste Saison?
„Definitiv. Das nehmen alle Abteilungen ein Stück weit als Richtwert für die neue Saison. Nicht nur was das Stadion angeht, sondern auch die mobile Tribüne und die veränderten Fernsehanforderungen. Das kann bereits ein Startschuss für die neue Saison sein.“
Momentan spielen die RB-Fußballerinnen in Markranstädt südwestlich von Leipzig vor 300 Zuschauern. Ist der Schritt rein in die Stadt auch ein Zeichen der Anerkennung innerhalb des Clubs?
„Das würde ich so nicht sagen. Es geht tatsächlich um das Gesehenwerden. Viele Zuschauende waren beim Viertelfinale zum ersten Mal beim Frauenfußball. Wenn wir solche Leistungen wie gegen Essen zeigen, dann ist das eine ganz andere Wahrnehmung. Viele haben nicht unbedingt Berührungspunkte mit dem Frauenfußball, da hilft ein zentralerer Spielort. Da können die Fans auch mal spontan vorbeikommen.“
In der Bundesliga dominieren Bayern München und der VfL Wolfsburg, die altbekannten Frauenfußballvereine verschwinden immer mehr. Ist das gut für die Entwicklung?
„Ich bin seit 1998 in der Bundesliga, sowohl als Spielerin als auch in anderen Positionen. Erst gab es die reinen Frauenfußballvereine, anschließend kamen die Lizenzvereine dazu. Die haben den Frauenfußball zunächst ein wenig stiefmütterlich behandelt. Deswegen ist es schön, dass sich der Frauenfußball da selbstständig herausgekämpft hat. Die Qualität ist besser, die Spielerinnen sind lauter. Dieses Gesehenwerden hat dazu geführt, dass viele Lizenzvereine den Mehrwert für sich erkannt haben.“
Der entscheidende Push kam durch die Lizenzvereine?
„Das kann man so sagen. Ohne sie und ohne den DFB wären wir noch nicht da, wo wir jetzt sind. Es ist gut, dass sie die Unterstützung leisten, die der Sport verdient hat und es nicht nur als Nebenprodukt sehen.“
Wie lautet denn der Plan nach dem Aufstieg?
„Grundsätzlich wollen wir uns in den ersten zwei Jahren in der Bundesliga etablieren, den Klassenerhalt schaffen. Natürlich haben wir einen anderen Namen als vergangene Aufsteiger, dennoch wird es nicht einfach. Wir wollen organisch wachsen und nicht den ganzen Kader austauschen. Perspektivisch verfolgen wir das Ziel, um die Qualifikation für die Champions League mitzuspielen.“
Es wird natürlich wie bei den Männern Stimmen geben, die sagen, da kommt jetzt RB Leipzig mit richtig viel Geld und spielt gleich oben mit.
„Es ist immer einfach, sich von außen ein Bild zu machen. Bei den Männern hat das damals gut funktioniert, weil die Spieler gute Leistungen gebracht haben. Da kommen dann natürlich Kritiker und schimpfen, haben aber keine Ahnung von den internen Prozessen. Wir werden Spielerinnen verpflichten, die schon Bundesliga gespielt haben. Aber wir holen keine Alexandra Popp oder Pernille Harder.“
Das Budget muss für die Bundesliga erhöht werden. Die Kaderkosten lagen laut DFB-Saisonreport zuletzt bei 1,6 Millionen Euro pro Saison. In welchem Rahmen bewegt sich RB Leipzig da, eine Verdopplung, Verdreifachung?
„Generell sprechen wir nicht über konkrete Zahlen. Aber man muss das Budget für die kommende Spielzeit anheben. Die Spielerinnen werden in der ersten Liga mehr verdienen als in der zweiten, das ist ganz normal. Extreme Sprünge wird es dennoch nicht geben, auch keine Verdopplung des Budgets.“
Der Frauenfußball erlebt gerade - mal wieder - einen Boom. Nehmen Sie das wahr und was muss getan werden, damit das nachhaltig ist?
„Das nehmen wir definitiv wahr. Wir merken, dass die Akzeptanz in der Gesellschaft eine größere geworden ist. Die Kurve ging bereits seit längerem nach oben, auch wenn es ein paar Jahre gab, in denen die Entwicklung stagnierte. Nach Olympia 2016 haben die Verantwortlichen und Beteiligten ein Stück weit aufgehört, daran zu arbeiten, was nicht gut war. Man muss den Frauenfußball als eine Art Start-up sehen. Irgendwann sollte es ein Selbstläufer sein, aber ich hoffe, dass es in den nächsten zwei bis drei Jahren noch als Investment gesehen wird.“
Es gibt mittlerweile Berater, die nur Klientinnen haben. Ist das gut für die Entwicklung und merkt man das auch an den Gehaltsforderungen?
„Die Forderungen haben sich durchaus nach oben bewegt, was ich befürworte. Früher habe ich für einen Apfel und ein Ei gespielt. Es ist positiv, dass die Spielerinnen jetzt bessere Gehälter bekommen. Man muss andere Summen hinlegen, um gute Spielerinnen zu bekommen. In unserem Kader haben fast alle einen Berater. Das zeigt, dass viele Stakeholder einen Wert erkennen. Im Endeffekt geht es darum, dass die Spielerinnen idealerweise von ihrem Gehalt leben können und nicht noch einen Nebenjob brauchen.“
Braucht es das Thema Mindestlohn noch, sollte es eine Verpflichtung geben?
„Wenn ich die aktuelle Entwicklung im Frauenfußball sehe, geht es dahin, dass in ein oder zwei Jahren in der Bundesliga niemand mehr unter Mindestlohn spielen wird.“
Wann gibt es das erste Pflichtspiel der RB-Fußballerinnen in der Arena?
„Nächste Saison. Wir hoffen natürlich dann, wenn wir das eine oder andere Highlight-Spiel haben und 10 000 oder 15 000 Leute aus dem Leipziger Raum ins Stadion kommen. Das Halbfinale gegen Freiburg spielen wir absichtlich am Cottaweg. Da kennen wir die Abläufe, die Atmosphäre. Wir rechnen uns Chancen aus, ins Finale einzuziehen.“