"Ich glaube nicht an zufälle" Jedes Detail zählt: Wie Simeone sein Team zum Sieg coachte
Gerade in der Champions League begegnen sich viele Teams auf Augenhöhe. Die Partien werden deshalb von Kleinigkeiten entschieden. Ein Meister darin ist Atletico-Trainer Diego Simeone, der auch gegen RB viele Details im Blick hatte.
Madrid – Jedes Detail zählt. Das ist der operative Ansatz, der den Unterschied machen kann, wenn Teams sich auf Augenhöhe begegnen, sich neutralisieren oder eine Partie festgefahren ist. Das gilt in der Champions League mehr noch als im Liga-Alltag, wo das Leistungsgefälle grundsätzlich größer ist.
Simeone wie er leibt und fuhrwerkt
Ein Meister dieses Coaching-Ansatzes ist Atletico-Trainer Diego Simeone, der jedes Spiel vorbereitet, es wäre es ein Finale. Und der alles ausreizt, was ihm zur Verfügung steht.
Wer den Argentinier am Donnerstagabend im Estadio „Wanda Metropolitano“, der Heimspielarena des Madrider Klubs, beobachtete, der sah den Südamerikaner, wie er leibt und fuhrwerkt: immer in Bewegung, permanent am Gestikulieren, seine Coachingzone verlassend, teilweise bis hinter die Seitenlinie aufs Spielfeld hinein.
Er konnte aber auch sehen, was für den 54-Jährigen alles zu einem Spiel dazugehört, und was ihn deshalb von vielen anderen Trainern unterscheidet. Eine Ecke zum Beispiel in der ersten Hälfte ließ er von einem Balljungen auflegen, Antoine Griezmann trabte lässig heran. Anstatt sich aber den Ball noch einmal zurechtzulegen, wie das jeder andere Eckentreter im Weltfußball macht, zog der Franzose plötzlich einen Sprint an und trat die Ecke unverhofft an den ersten Pfosten, wo Julian Alvarez bereits lauerte. Der Argentinier verfehlte mit der Seite seines Schuhs das Tor der Leipziger nur knapp, die sich noch gar nicht organisiert hatten.
Ein weiteres Indiz für Simeones Akribie und Detailversessenheit: Sämtliche Ersatzspieler machten sich nicht nur warm, wie das so viele machen: bisschen sprinten, bisschen Bein hochwerfen, Becken drehen, hochspringen und zugucken, was die Kollegen so treiben. Sie wurden vorbereitet wie auf einen Startelfeinsatz.
Nicht neblig sein im Kopf
45 Minuten lang mussten sie spurten, dehnen, in erster Linie aber Körper – und Gemütsspannung aufbauen. Eine Übung bestand darin, sich aus dem Griff des Physio-Trainers zu befreien.
Simeone ist davon überzeugt, dass jede Kleinigkeit den Ausschlag geben kann. So wie die Blitzentscheidung, sofort nach dem 2:1-Siegtreffer in der 90. Minute nicht neblig im Kopf zu werden, sondern alles daran zu setzen, die drei Punkte zu verteidigen, und zwar mit allen verfügbaren Mitteln.
Auch das unterschied ihn an diesem Auftaktabend in die neue Champions-League-Saison. RB verteidigte das 1:1 bis zum Ende mit einer immer müder werdende Viererkette, während draußen zwei großgewachsene Innenverteidiger – Lukas Klostermann und El Chadaille Bitshiabu – auf der Bank saßen, wobei Rose seine drei Wechselslots bereits genutzt hatte. Simeones Spieler lösten sich gerade noch aus der Jubeltraube, da verfügte der Coach die Einwechslung von Ex-BVB-Kicker Axel Witsel.
"Ich glaube nicht an Zufälle"
Wild tanzte der 54-Jährige in seiner Coachingzone herum und tobte den Belgier an, weil der sich nicht im Sprint für seinen Einsatz bereitmachte. Simeone brüllte, fast hätte er den Routinier am Kragen gepackt, der dadurch in Vollspannung das Feld betrat.
Es waren nur noch vier Minuten zu spielen, die Partie war noch nicht mal wieder angepfiffen, trotzdem agierte der Atletico-Trainer, als ginge es um Leib und Leben. In einer Doku-Serie über sich selbst sagt Simeone an einer Stelle zu seinen Assistenztrainern: „Wenn man weiß, was man will und Ausdauer hat, dann passieren Dinge. Ich glaube nicht an Zufälle!“