„Deutlich besser als wir” EM-Halbfinale: RB-Verteidiger warnt vor der deutschen U21-Offensive
Die deutsche U21 will den finalen Schritt ins Finale gehen. Die Bilanz gegen die Franzosen um Mathys Tel und RB-Jungstar Castello Lukeba ist ausbaufähig. Doch die Franzosen haben Respekt vor der Torgefahr der DFB-Youngster.

Kosice/dpa – U21-Star Nick Woltemade und der anderthalb Köpfe kleinere Offensivkollege Paul Nebel lachten herzhaft im leeren Halbfinal-Stadion, als ihnen eine Übung beim Abschlusstraining missglückt war. Die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) stimmte sich bester Laune auf die finale Prüfung vor dem Endspiel der Europameisterschaft ein. Vom Kräfteverschleiß der Turnier-Strapazen war zumindest beim lockeren Aufwärmprogramm nichts zu erkennen – wenngleich Trainer Antonio Di Salvo diesen knapp 30 Stunden vor dem Anpfiff noch einmal betonte.
„Wir haben auch Spieler, die durchgespielt haben, die 15 Kilometer auf dem Tacho haben. Da müssen wir gucken, wie sie dann wirklich körperlich auf welchem Stand sind”, sagte Di Salvo. Die angeschlagenen Leistungsträger Eric Martel und Max Rosenfelder wirkten bei den öffentlich einsehbaren Übungen nicht mehr gehandicapt. „Wir werden wieder ready sein und unsere Qualität auf den Platz bringen – und dann haben wir gute Chancen, auch das Spiel zu gewinnen”, sagte Woltemade als der bisher größte Star des Turniers vor dem nächsten „Kracher”.
Woltemade entdeckt neue Tugend
Das neunte EM-Halbfinale einer deutschen U21 soll am Mittwoch (21 Uhr/Sat.1) gegen Frankreich um den früheren Bayern-Star Mathys Tel und RB-Jungstar Castello Lukeba nicht die Endstation in der Slowakei sein. Die Schwierigkeiten, gegen die das Team um Woltemade beim 3:2 nach Verlängerung gegen Italien ankämpfen musste, haben sogar die Zuversicht auf den vierten Titel nach 2009, 2017 und 2021 gestärkt.
„Ein Spiel ist immer dabei. Ich hoffe, dass es das bleibt und dass wir die anderen jetzt gewinnen”, sagte der Gladbacher Führungsspieler Rocco Reitz. Auch Woltemade wies auf eine gegen die Italiener neu entdeckte Tugend hin: Tore „ein bisschen aus dem Nichts”.
„Das zeichnet uns auch aus, die Qualität zu haben, dass wir solche Tore schießen und so ein Spiel gewinnen können”, sagte der 23-Jährige. Torhüter Noah Atubolu ist nach dem Italien-Match sicher: „Das pusht immer.” Gegner im Endspiel wäre am Samstag in Bratislava entweder die Niederlande oder England, das in der Gruppenphase 2:1 bezwungen wurde. „Natürlich haben wir heute auch kurz darüber gesprochen, weil wir alle Ziele haben, Visionen haben. Bratislava ist das Ziel und da wollen wir hin”, sagte Di Salvo.
Drei Bundesliga-Verteidiger bei Frankreich
Reitz schritt lächelnd und voller Elan über das Rollfeld im Halbfinal-Ort in der Ost-Slowakei nicht weit weg von der ukrainischen Grenze, während dem einen oder anderen noch die Müdigkeit bei der Landung am Tag nach dem Italien-Match anzusehen war. Die unnötige Verlängerung mit zwei Mann in Überzahl gegen die Azzurrini steckte vielen noch in den Knochen. „Ich glaube, wir müssen wirklich jede Sekunde nutzen”, sagte Reitz zum Regenerations-Countdown.
Di Salvo vermochte es am Tag vor dem Spiel nicht, den Fitness-Zustand all seiner EM-Protagonisten im Detail vorherzusagen. Dreimal schickte der 46-Jährige in vier Spielen seine Turnier-Topformation aufs Spielfeld, einmal wechselte er komplett durch. Sehr gut möglich, dass er gegen die Franzosen um die Bundesliga-Verteidiger Castello Lukeba von RB Leipzig, Kiliann Sildillia vom SC Freiburg und den mit sechs Stichen an der Lippe genähten Kapitän Chrislain Matsima vom FC Augsburg diesmal aus den Teams kombiniert. „Das ist einfach eine Top-Nation, die unheimlich gute Spieler hat. Die Breite ist einfach richtig, richtig gut, aber wir sind auch gut und wir freuen uns auf das Spiel”, sagte Di Salvo.
Lukeba: „Sie haben eine sehr starke Offensive”
Doch auch die Franzosen haben Respekt vor dem deutschen Team. „Ich denke, dass es stimmt, dass sie eine sehr starke Offensive haben – deutlich besser als wir”, räumte Lukeba ein. Frankreichs Prunkstück hingegen ist die Defensive. „Aber auch wir haben einige gute Spieler in unserem Team. Wir sollten uns nicht unbedingt auf sie konzentrieren, sondern auf uns selbst.” Wenn die „Equipe tricolore” den Plan ihres Trainers umsetze, so Lukeba, werde schon nicht schiefgehen.
Di Salvo beschäftigen derweil Gedanken um das richtige Personal. „Ich mache mir immer Gedanken über jeden Spieler – und jetzt nach der Verlängerung bestimmt viel mehr”, sagte Di Salvo. Auch der Freiburger Merlin Röhl als Siegtorschütze aus dem Italien-Spiel wäre eine Option für die Startelf, sollte der vom Platz gehumpelte und nach eigenen Worten „mausetote” Kapitän Martel vom 1. FC Köln, der bei RB Leipzig ausgebildet wurde, doch nicht fit werden.
Florian Wirtz war der letzte Halbfinal-Held
Letztmals stand eine deutsche U21 vor vier Jahren im EM-Halbfinale. Damals siegte die Auswahl dank des zweimaligen Torschützen Florian Wirtz mit 2:1 gegen die Niederlande - und gewann später den Titel. Vor dieser Generation feierten die Teams um Manuel Neuer (2009) und Serge Gnabry (2017) als Europameister. „Unser Ziel ist Bratislava. Mit der Mannschaft ist auf jeden Fall einiges möglich”, sagte Martel.
Beim letzten Spiel gegeneinander trennten sich Deutschland und Frankreich im November 2:2. Tel, Siegtorschütze beim 3:2 der Franzosen im Viertelfinale gegen Dänemark, traf auch da. Insgesamt ist die Bilanz gegen die U21 der Grande Nation negativ. In zwei von 14 Duellen ging die DFB-Auswahl als Sieger vom Platz, sechsmal hieß der Gewinner Frankreich. Dagegen sieht die Halbfinal-Bilanz deutscher Teams aus West und Ost besser aus. Von sieben Halbfinalspielen wurde nur eines verloren - 2015 gegen Portugal.