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  5. Interview mit RB-Stürmer André Silva: "Dortmund macht dich zum Kämpfer"

Exklusiv mit André silva "Die Gelbe Wand macht dich zum Kämpfer: Wir gegen alle!"

RBlive-Reporter Martin Henkel sprach mit RB-Stürmer André Silva vor dem Topspiel bei Borussia Dortmund über Hantelstemmen mit Willi Orban, Karate und seine Bilanz gegen den BVB, die ihn zum Leipziger Talisman für diese Partie macht.

Von Martin Henkel Aktualisiert: 02.03.2023, 13:57

André Silva ist spät dran. Nach dem Vormittagstraining schob der Stürmer von RB Leipzig noch zwei Einheiten ein, eine beim Physio, eine im Fitnessraum. „Prävention“ nennt der 27 Jahre alte Portugiese das, der mit nur einem Ligafehlspiel in den jüngsten zwei Spielzeiten den wohl widerständigsten Körper im Kader der Sachsen hat. RBlive-Reporter Martin Henkel sprach mit Silva vor dem Topspiel bei Borussia Dortmund morgen Abend (21 Uhr) über Hantelstemmen mit Willi Orban, Karate und seine Bilanz gegen den BVB, die ihn zum Leipziger Talisman für diese Partie macht.

André, in ihrer Biographie auf Wikipedia steht, dass Sie als Kind Rollhockey gespielt haben. Hat der Fußball Glück gehabt, sie nicht an eine andere Sportart verloren zu haben?
André Silva: Das ist kurios, denn ich habe das nur kurz gemacht. Größer war die Gefahr beim Schwimmen (lacht). Handballer war ich auch – und ich habe den Gelben Gürtel in Karate.

Wann fiel die Entscheidung für Fußball?
Ich hab‘ mit Schwimmen angefangen, da war ich zwei Jahre alt. Fußball mit sechs, lange habe ich beides parallel gemacht. Irgendwann habe ich gemerkt, dass beim Fußball immer was anderes passiert, was Neues. Beim Schwimmen schwimmst du einfach. Irgendwann wollte ich nicht mehr mit roten Augen nach Hause kommen und immer nur so schnell wie möglich Bahnen schwimmen.

Am Freitag spielen Sie eine Partie, in der nicht nur was Neues los ist, sondern auch der Teufel. Sie müssen mit RB zu Borussia Dortmund. Übersteigt das Ihre grundsätzliche Freude am Unberechenbaren?
Ganz und gar nicht. Als ich klein war, gehörte Dortmund und sein Stadion zu den mythischen Dingen im Fußball. Die Gelbe Wand, die kannte ich schon als Kind. Dort zu spielen, ist für uns Fußballer das, worum es geht: ein Spektakel.

Es kann einen einschüchtern.
Auf unserem Niveau kenne ich niemanden, der solche Spiele nicht genießt. Wenn du bei Heimspielen die gute, die unterstützende Energie aufnimmst, dann auswärts, gerade in Dortmund, die Energie der gegnerischen Fans. Sie macht dich zum Kämpfer: Wir gegen alle.

Wie schätzen Sie den Gegner gerade ein?
Das wird herausfordernd. In Dortmund ist es sowieso nie einfach, dazu die Fans und jetzt haben sie auch noch einen richtig guten Lauf. Aber: Wir sind gerade auch nicht schlecht drauf.

Das Spiel findet am Freitagabend unter Flutlicht statt: das perfekte Szenario in Ihren Augen?
Unter Flutlicht zu spielen ist schon super! Ich bin aber auch ein Freund von Spielen am späten Nachmittag. Sechs Uhr, das ist meine beste Zeit.

Die meisten Fußballer mögen es ab acht Uhr abends, Europapokalzeit.
Wer weiß, ob das so ist. Später Nachmittag bedeutet, ich finde noch rechtzeitig Ruhe und Schlaf. Bei den späten Spielen ist das ein bisschen schwieriger, weil man dann doch sehr spät einschläft.

Kennen Sie Ihre persönliche Bilanz gegen Dortmund?
Nein, bestimmt aber Sie.

Eine Niederlage, zwei Unentschieden, vier Siege. Sie sind Leipzigs Talisman, denn auf Klubebene fällt die RB-Bilanz zugunsten der Dortmunder aus. Für Marco Rose ein guter Grund, Sie aufzustellen.
(lacht) Nur wegen einer Bilanz stellt er mich sicher nicht ausschließlich auf.

Er hält große Stücke auf Sie, sie haben in 13 von 17 Ligaspielen unter seinem Kommando in der Startelf gestanden.
Er gibt mir viel Vertrauen, ja.

Im Fußball heißt es bei Stürmern oft: Er zahlte es mit Toren zurück. Sie haben unter Marco Rose allerdings erst vier Mal in der Liga getroffen. Woran liegt das?
Das ist eine komplexe Frage. Über allem steht das Kollektiv. Die wichtigste Frage ist also, was trage ich dazu bei, dass das Team gewinnt. Das können Tore sein, das können aber auch andere Aufgaben sein. Bälle festmachen, verteilen, den Gegner beim Spielaufbau anlaufen. Ich stelle mir also gar nicht die Frage, warum ich zum Beispiel weniger Tore mache als in Frankfurt…

… dem Club, dem RB Sie abgekauft hat. Im zweiten Jahr hatten Sie am Ende der Saison 28 Treffer auf dem Konto….
… richtig. In Frankfurt hatte ich eine andere Rolle. Ich war der Zielspieler, der erste Mann in der letzten Linie. Wir sind viel über Konter gekommen, es gab viele Flanken und Zuspiele ins Zentrum - und in den meisten Fällen zu mir. Das war der Plan.

Das ist in Leipzig anders?
RB spielt viel variabler, und RB hat ganz andere Spielertypen. Der erste große Unterschied, es gibt den einen, zentralen Stürmer bei uns nicht. Dazu kommt, dass wir viel mehr übers Passspiel agieren, viel mehr verschieben und oft Positionen tauschen. Zudem gibt es weniger hohe Bälle in den Strafraum als bei Frankfurt. Und: Ich bin nicht der einzige Zielspieler, das wechselt je nach Moment und Situation. Oft bin ich weit weg vom Tor positioniert, um Bälle aufzunehmen und weiterzuleiten.

Vermissen Sie Ihre Frankfurter Rolle ein bisschen?
Nein. Mir ist es nicht egal, keine Tore zu schießen; ich bin Stürmer. Aber in erster Linie will ich, dass wir gewinnen. Also erfülle ich meine Aufgaben, die mir der Trainer aufträgt. Und ich will ein kompletter Fußballer werden. Dem bin ich in Leipzig ein ganzes Stück nähergekommen.

Wissen Sie zufällig, mit welchem Team Sie bislang die meisten Spiele bestritten haben?
Porto B?

Richtig, Portos zweiter Mannschaft. Es waren 85. Und an zweiter Stelle?
Das weiß ich nicht.

Mit RB, es sind 84. Und das in nicht einmal zwei Jahren. Einer der Gründe: Sie fehlen einfach nie. Nicht wegen Verletzungen oder Krankheit. In dieser Saison haben sie jedes Ligaspiel bestritten, jedes bis auf eines gegen Hoffenheim. In dem saßen sie zur Erholung mal 90 Minuten auf der Bank. Wie machen Sie das?
(klopft auf den Tisch). Ich hoffe, das bleibt so. Ich denke, weil ich extrem fokussiert bin aufs Training wie auf Erholung. Aber es gibt keine Magie dabei, kein Zaubertrank oder besondere Techniken. Ich achte einfach drauf, dass ich das, was ich tue, mit voller Konzentration zu 100 Prozent mache. Und ich arbeite viel vorbeugend an meinem Körper.

Mit Willi Orban.
(lacht) Nein, nicht mit Willi. Der stemmt Gewichte. Wenn ich mit ihm trainieren würde, müsste ich vermutlich die Akademie von der einen Seite auf die andere schieben.

Wer Sie oft in der Öffentlichkeit reden hört, dem fällt auf, dass Sie ein Wort öfter als andere verwenden. Kennen Sie es?
Verbessern?

Nein, es ist 'Arbeit'. Was bedeutet Ihnen dieses Wort und das, was es bezeichnet?
Arbeit hat etwas sehr Konstantes für mich. Inmitten all dem Guten, das mir widerfährt und dem Schlechten, das nicht ausbleibt, gibt es diese Konstante. Das ist die tägliche Arbeit, das Training. Ich komme nach Hause und fühle mich zufrieden, im Reinen, ausbalanciert.

Wer hat Ihnen diese Idee von Arbeit nähergebracht, ihre Eltern?
Das kann ich gar nicht genau sagen, vermutlich schon. Aber ich denke, das kommt in erster Linie aus mir selbst. Ich habe früh die Erfahrung gemacht, dass ich mit Arbeit an Fähigkeiten oder Situationen viel für mich ändern kann.

Das klingt für ein Kind, dass Sie damals waren, sehr vernünftig.
Vernünftig ist es vielleicht, wie ich jetzt darüber rede. Wenn ich als Kind beim Spielen verlor, hatte ich oft das Gefühl, die Welt hört auf sich zu drehen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Ich bin jemand, der möchte, dass die Dinge gut ausgehen. Wie in Filmen. Das ist mein Antrieb, so lange an etwas zu arbeiten, bis es gut ist.

Kann RB sich einen Sieg gegen den BVB erarbeiten?
Auf jeden Fall.