„NeueR Tiefpunkt auf der Geldgier-Skala” Viel Kritik für BVB-Deal mit Waffenschmiede
Fußball und Waffen? Passt nicht zusammen, könnte man meinen. Der Rüstungskonzern Rheinmetall sucht dennoch die Nähe zum direkten RB-Konkurrenten Borussia Dortmund und steigt mit einem einstelligen Millionenbetrag als Sponsor ein. Aus der Politik gibt es Verständnis dafür, unter den Fans nur harsche Kritik. Nur die Dortmunder Anhänger schweigen bislang.
Düsseldorf/Dortmund/dpa/sid/ukr – Nur wenige Tage vor dem Champions-League-Finale hat Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund mit einem Sponsoring-Deal für Aufsehen gesorgt und sich jede Menge Kritik eingehandelt. Der Rüstungskonzern Rheinmetall unterstützt den BVB in den kommenden drei Jahren. Das teilten die Westfalen und die Waffenschmiede an diesem Mittwoch mit.
Zum finanziellen Volumen wollte sich ein Sprecher der Düsseldorfer Firma nicht äußern, laut Handelsblatt geht es um einen einstelligen Millionen-Euro-Betrag pro Jahr. Die Partnerschaft umfasst den Angaben zufolge die Nutzung reichweitenstarker Werbeflächen, Vermarktungsrechte sowie Event- und Hospitality-Angebote im Stadion und auf dem Vereinsgelände. Rheinmetall wird zum „Champion Partner” des BVB, also zum finanziell besonders wichtigen Sponsor.
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„Ambitionen, Haltung, Herkunft” – Rheinmetall-Chef: Dortmund und Waffenhersteller passen zusammen
BVB-Chef Hans-Joachim Watzke wies darauf hin, dass Sicherheit und Verteidigung Eckpfeiler der Demokratie seien. „Deshalb halten wir es für die richtige Entscheidung, uns sehr intensiv damit zu beschäftigen, wie wir diese Eckpfeiler schützen.” Man freue sich auf die Zusammenarbeit und öffne sich „als Borussia Dortmund ganz bewusst für einen Diskurs”. Rheinmetall-Chef Armin Papperger zeigte sich zufrieden. „Mit dem BVB und Rheinmetall haben sich zwei Partner gefunden, die mit ihren Ambitionen, ihrer Haltung und ihrer Herkunft gut zueinanderpassen”, sagte der Rüstungsmanager.
Der von Watzke angesprochene Diskurs kommt für die Dortmunder jedoch zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt und lenkt von sportlichen Themen vor dem Champions-League-Finale am Samstag gegen Real Madrid ab. „Es gibt jetzt nur noch ein einziges Thema, und das ist dieses Finale”, hatte BVB-Sportdirekor Sebastian Kehl noch am Dienstag gesagt: „Ich würde mir wünschen, dass wir uns auf dieses Spiel konzentrieren.”
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Erster Sponsor aus dem Waffengeschäft in der Bundesliga
Es dürfte das erste Mal sein, dass ein Rüstungskonzern einen Fußballklub sponsert - dem Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) ist kein vergleichbarer Fall bekannt. Der Verband begrüßte den Schritt. „Das Sponsoring ist ein Weg, um einer breiten Schicht der Bevölkerung das Gefühl zu vermitteln, dass Waffen für die Erhaltung unserer Sicherheit und unseres Friedens nichts ,Unappetitliches' sind, sondern eben ganz normal zu unserer gesellschaftlichen Realität gehören, wenn wir in Frieden und Freiheit leben wollen”, sagte BDSV-Hauptgeschäftsführer Hans Christoph Atzpodien.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck äußerte sich ebenfalls zu dem Deal. „Dass Rheinmetall jetzt einen Fußballverein sponsert, ist in der Tat erst einmal ungewöhnlich, aber es zeigt, wo wir stehen”, sagte der Grünen-Politiker in Berlin. Man sei in ständigem Kontakt mit Rheinmetall, damit das Unternehmen noch mehr Munition zur Unterstützung der Ukraine produziere, sagte der auch für Rüstungsexporte zuständige Minister.
Wirtschaftsminister Habeck: „Sponsorship spiegelt Zeitenwende wider”
„Wir wissen und müssen es leider zugeben, dass wir in einer anderen, bedrohlicheren Welt sind.” Deswegen sei „die ja eingeübte und auch so verständliche Zurückhaltung” im öffentlichen Umgang mit der Rüstungsbranche nicht mehr haltbar und richtig, sagte Habeck. „Insofern spiegelt dieses Sponsorship sicherlich auch ein Stück weit die Realität der Zeitenwende wider.” Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine rief die Bundesregierung eine „Zeitenwende” aus und stellte 100 Milliarden Euro bereit, um die Bundeswehr auf Vordermann zu bringen. Von diesem Paket profitiert auch Rheinmetall.
In Nordrhein-Westfalen übte Landessprecher Sascha Wagner von den Linken heftige Kritik. Die Verbindung sei „ein böses Foulspiel”, sagte Wagner: „Der Rüstungskonzern lebt von dem Geschäft mit dem Tod.” Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin Mona Neubaur von den Grünen erklärte, dass die „Rüstungsindustrie keine Branche wie jede andere” sei. „Ich kann deshalb nachvollziehen, dass viele Fans das Sponsoring mit gemischten Gefühlen betrachten.”
Harte Kritik von Fans
Bei manchen Fußballfans und in anderen Teilen der Gesellschaft fielen die Reaktion sehr negativ aus. Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen startete eine Online-Petition, in der sie den BVB zum Rückzieher aufgefordert wird und eine „Rote Karte für den Werbedeal” gezückt wird. „Ein Waffenhersteller als Sponsor passt nicht zu den Werten, die der BVB – und Fußball insgesamt – vertritt”, hieß es von den Pazifisten. Auf X (früher Twitter) machten zahlreiche Nutzer ihrem Unmut Luft. Die Satire-Partei Die Partei veröffentlichte ebenfalls eine Fotomontage, bei der ein Panzer auf einem Fußballplatz steht, Überschrift: „BVB – wir schießen nicht nur Tore”.
Die führende Fan-Organisation Unsere Kurve wirft dem BVB Haltungslosigkeit und Geldgier vor. „Nicht erst in der Investorendebatte wurde klar, dass moralische Standards im Geschäft Fußball egal sind. Dieser Deal setzt einen neuen Tiefpunkt auf einer anscheinend nach unten offenen Geldgier-Skala”, sagte der Vorsitzende Jost Peter. „Auch das Feigenblatt der behaupteten Fanbeteiligung ändert daran nichts.” Unsere-Kurve-Sprecher Thomas Kessen nannte es auf Anfrage überdies „eine Dreistigkeit, davon zu sprechen, man würde mit solch einem Deal Verantwortung übernehmen”.
Mitglieder des BVB-Fanrats, der vorab einbezogen oder zumindest informiert worden sein soll, wollten sich nicht äußern. Auch das Bundesverteidigungsministerium, dessen Rat der Klub gesucht haben soll, lehnte eine Stellungnahme ab. Klar positionierte sich dagegen ein Autor des beliebten Onlineportals schwatzgelb.de: „Leute, macht euch einfach gerade, sagt klar, dass Rheinmetall Image haben will und der BVB Geld. (...) Aber spart euch euer staatsmännisches Rumgeblubber.” Sicher lässt sich vor dem Hintergrund des Deals mit der Waffenschmiede auch trefflich darüber streiten, was kritikwürdiger ist: Wachstum mit Waffengeld oder Brause-Kohle?
Rheinmetall bereits als Sponsor aktiv
Das Sponsoring eines Sportclubs ist kein Neuland für den Rüstungskonzern, der auch als Kfz-Zulieferer tätig ist – Rheinmetall ist bereits Sponsor des Handball-Clubs Bergischer HC aus Solingen unweit von Düsseldorf. Mit dem Fußballverein und Champions-League-Finalisten BVB kommt das Sportsponsoring von Rheinmetall aber auf ein anderes Level.
Deutschlands größter Rüstungskonzern ist mit seinen rund 30.000 Beschäftigten auf Wachstumskurs, nach dem russischen Angriff auf die Ukraine schnellte die Nachfrage nach Munition, Panzern und Flugabwehr-Geschützen in die Höhe. Seit Anfang 2022 stieg der Auftragsbestand um rund zehn Milliarden Euro auf 24 Milliarden Euro an, der Umsatz soll in diesem Jahr zehn Milliarden Euro erreichen. Damit wäre er fast doppelt so hoch wie im Jahr 2021, also vor dem Ukraine-Krieg (5,7 Milliarden Euro). Der Aktienkurs hat sich seit Februar 2022 mehr als verfünffacht. Bei der Verteidigung der Ukraine ist Rheinmetall wichtig, die Firma liefert im großen Stil Militärgüter und wird dafür von der Bundesregierung bezahlt.