„Kann mir nicht vorstellen, nach Hause zu fahren” Rangnick kann EM-Aus nicht fassen
Österreichs deutscher Nationaltrainer kann es schwer fassen. Das EM-Aus gegen die Türkei in Leipzig trifft den 66-Jährigen hart.
Leipzig/dpa/ukr – Ralf Rangnick saß konsterniert auf dem Podium im Stadion von RB Leipzig, wo er so viele rauschende Momente erlebt hatte. Doch das 1:2 (0:1) mit Geheimfavorit Österreich gegen die Türkei im Achtelfinale der Europameisterschaft gehört ganz sicher zu den größten Enttäuschungen seiner langen Trainerkarriere, die er nur schwer realisieren konnte. „Ich kann mir im Moment gar nicht vorstellen, dass wir morgen nach Hause fahren und unser Teamhotel im Grunewald verlassen. Das überlagert gerade alles”, sagte er um Mitternacht. „Für uns war klar, dass die Reise noch länger weitergeht.”
Nach der bitteren Niederlage in einem dramatischen Spiel ausgerechnet an Rangnicks alter Wirkungsstätte als großer Macher bei RB Leipzig gegen die Türkei ist die Endrunde für die Österreicher aber vorbei. Und das, nachdem sie als Gruppenerster vor Ex-Weltmeister Frankreich, den Niederlanden und Polen in die K.-o.-Runde eingezogen waren.
Rangnick: „Enttäuschung und Leere”
Den Spielern gehe es genauso, versicherte Rangnick, sie seien davon ausgegangen, sich im EM-Quartier in Berlin auf die nächsten Spiele vorzubereiten. „Es ist völlig klar, dass im Moment die Enttäuschung und eine Leere da sind”, betonte der 66-Jährige.
„Am Ende gehört es leider auch dazu. In Playoff-Spielen gibt es eine Mannschaft, die weiterkommt und eine, die es nicht schafft. Das waren leider wir.” Auf der anderen Seite stünde nun die Nations League an, dann die WM-Qualifikation.
„Besser, man redet erstmal weniger”
„Wir sind im Moment im UEFA-Ranking in Topf eins, ich glaube, da war Österreich schon Jahrzehnte nicht mehr”, sagte Rangnick. „Und wir wollen auch in Topf eins bleiben, um eine gute Chance zu haben, uns nach vielen, vielen Jahren auch mal wieder für eine Weltmeisterschaft zu qualifizieren.” Die Österreicher nahmen bisher siebenmal einer WM-Endrunde teil, zuletzt 1998.
Auf die Frage, was er seiner Mannschaft nach der Niederlage gesagt habe, entgegnete Rangnick: „Nach so einem Spiel hilft es auch nicht, zu sagen: Kopf hoch oder es geht weiter. Da ist es besser, man redet erstmal weniger.”
Türkische Übermacht auf den Rängen
Rangnicks Hoffnung auf ein bisschen Heimspielstimmung bei seiner Rückkehr nach Leipzig war schnell dahin: Zwar trugen fast alle Fans rot – aber die Mehrheit der 38.305 Zuschauer waren türkische Anhänger. Sie waren laut und wurden nach nicht mal einer Minute noch viel lauter, als der Ball vor der Kurve der türkischen Fans im Netz des österreichischen Tores zappelte.
Nach einer Ecke von der linken Seite klärte Leipzigs Christoph Baumgartner noch vor der Linie, der Ball sprang aber gegen Mitspieler Stefan Posch, Torwart Patrick Pentz rettete direkt vor die Füße von Demiral. Der Profi aus der saudi-arabischen Liga zögerte nicht und sorgte für die erste Stimmungsexplosion.
Demiral erzielte in der 59. Minute auch das 2:0, erneut nach einer Ecke, wieder getreten von Arda Güler. Flankiert von zwei Österreichern, die nicht hoch genug sprangen, köpfte der sprunggewaltige 26-Jährige den Ball ein.
Die Türkei spielte clever, verteidigte kompakt und leidenschaftlich und setzte immer wieder Nadelstiche über den starken Stürmer Baris Alper Yilmaz. Vor allem aber gaben sie Österreich keine Räume, sodass Rangnicks Mannschaft das tun musste, was sie am wenigsten mag: Mit viel Ballbesitz im letzten Drittel der Türken agieren, wo im Zentrum kaum ein Durchkommen war und Österreich viel auf Flanken ausweichen musste. Doch im Abwehrzentrum standen drei groß gewachsene Innenverteidiger und entschärften die meisten Situationen, sodass Österreich zwar viele, aber wenig wirklich gefährliche Gelegenheiten hatte.
Keeper Günok rettet gegen Baumgartner den Sieg
Für die Rangnick-Elf reichte es so nur noch zum Anschlusstreffer durch Freiburgs Michael Gregoritsch (66.). RB Stürmer Christoph Baumgartner hatte mehrere aussichtsreiche Kopfballchancen in der Schlussphase der zweiten Hälfte und scheiterte Sekunden vor Abpfiff am fantastisch parierenden türkischen Schlussmann Mert Günok, der den Ball noch von der Linie kratzte.
„Wir sind super glücklich. Es war ein wunderbarer Sieg”, sagte Keeper Günok. „Und ich glaube: Unser Weg hier ist noch ziemlich lang. Wir glauben daran, dass wir ihn bis zum Ende bestreiten können.”
Um den Einzug ins EM-Halbfinale spielen die Türken nun am Samstag in Berlin gegen die Niederländer, die zuvor Rumänien mit 3:0 geschlagen hatten. Die Türkei steht erstmals seit 2008 wieder im Viertelfinale einer EM – damals war in der Vorschlussrunde gegen Deutschland Schluss.