Druck vom Boss „Nie da, wenn die Lücke aufging”: Mintzlaff nimmt Leipzigs Profis in die Pflicht
Oliver Mintzlaff hält die Fäden bei RB Leipzig auch nach seinem Abgang zu Red Bull fest in den Händen. Im Interview mit dem Kicker wies er nun eindringlich darauf hin, was dem Klub noch zur Spitze fehlt und äußerte dabei auch Kritik an der Mannschaft und indirekt Trainer Marco Rose.
Leipzig/msc/ukr — Am Mittwoch trifft RB Leipzig am zweiten Spieltag der Champions League vor heimischen Publikum auf Juventus Turin (2. Oktober um 21 Uhr). Vor dem Duell äußerte sich Aufsichtsratchef Oliver Mintzlaff zur Bedeutung des Wettbewerbs für den Verein.
Schon 2019 habe er gesagt, dass für RB Leipzig die Teilnahme an der Königsklasse Pflicht ist. Nun untermauerte er im ausführlichen Gespräch mit dem Fachmagazin Kicker, dass die Ansprüche weiter gestiegen sind.
Mintzlaff machte Nagelsmann schon 2019 die Ansprüche klar
Julian Nagelsmann sei vor einigen Jahren mal über eine öffentliche Aussage Mintzlaffs gestolpert, dass die Sachsen in die Champions League müssen, und "nicht nur wollen". Der RB-Chef stellte damals im persönlichen Gespräch klar: Die Teilnahme auf internationalem Top-Level sei zwar etwas Besonderes, dennoch aus Klubsicht ein Muss. Das Selbstverständnis lautet demnach offenbar: Wir sind etwas Besonderes.
Das reicht fünf Jahre und eine Halbfinalteilnahme später aber nicht mehr. Das ausgesprochene Ziel sei es jetzt, die K.o.-Runde zu erreichen. „Nur am Wettbewerb teilzunehmen, diese Phase liegt mittlerweile hinter RB Leipzig”, betonte Mintzlaff und erhöhte damit den Druck auf den Klub.
Real Madrid und Manchester City sind zu weit weg
„Die Lücke nach ganz oben in Europa lässt sich nicht schließen”, konstatiert der 49-Jährige zwar. Zu groß und finanziell zu stark sind die Spitzenklubs um Real Madrid, Manchester City und Co. RB aber müsse gewappnet sein für die Situation, wenn die Top-Favoriten aus unterschiedlichsten Gründen schwächeln.
In der Bundesliga habe es diese Chance eigentlich schon mehrfach gegeben, als am Ende immer der FC Bayern München Meister geworden ist. In der vergangenen Song machte Bayer Leverkusen das Rennen. Mintzlaff hält fest, dass es immer wieder Chancen gab, mehr zu erreichen. „Wir waren leider noch nie da, wenn die Lücke aufging”, sagt er. „So erfolgreich jede einzelne Bundesliga-Saison war”, müsse man festhalten, „dass es immer wieder Chancen gab, mehr zu erreichen, und das haben wir halt nicht geschafft.”
„Teile der Mannschaft nicht bereit, alles abzurufen”
Dazu seien „hundert Prozent Mentalität, Konzentration und Konstanz” vonnöten – nicht nur an 17, sondern 34 Spieltagen, forderte der nach wie vor allmächtige Aufsichtsratschef und kritisiert auch die zurückliegende Phase mit zwei Nullnummer. „Da darfst du zu Hause gegen Union Berlin und auswärts bei St. Pauli nicht nur unentschieden spielen, abgesehen davon, dass wir uns in Hamburg über eine Niederlage nicht hätten beschweren dürfen", so Mintzlaff deutlich. „Das ist für unseren Anspruch viel zu wenig und da sind wir wieder genau bei dem Punkt: Wenn du ganz oben angreifen willst, dann musst du solche Spiele gegen nicklige und sehr kompakt verteidigende Gegner auch gewinnen.”
Trainer Marco Rose attestierte Mintzlaff zwar, „zweifelsohne einen guten Job” zu machen, schmälerte aber dessen Titelbilanz mit der Aussage: „Er hat mit uns zwei Titel gewonnen, oder besser gesagt einen Titel und ein Titelchen, wenn wir den Supercup nicht zu hoch hängen wollen, auch wenn wir uns sehr über den Sieg bei den Bayern gefreut haben”, so der 49-Jährige. Zwar habe Rose „sicherlich die sportlichen Ziele erreicht, aber er hat genau wie wir auch den Anspruch, dass wir den nächsten Entwicklungsschritt gehen. Dazu müssen wir alle 100 Prozent geben, das weiß Marco, dazu ist er in der Lage und auch bereit.” Doch immer wieder erlebe Mintzlaff eben auch Spiele, „bei denen die Mannschaft oder Teile der Mannschaft nicht bereit sind, alles abzurufen”. Eine Lobeshymne auf den Coach klingt anders.