„Massiver Imageschaden für die Bundesliga” Die Millionen sind verpufft
Für die Fans, die bei Hertha BSC in der Ostkurve stehen, ist die Sache klar: „Windhorst raus aus unserem Verein“ stand jüngst auf einem großen Banner vor dem Fanblock im Olympiastadion. Und: „Schmutzkampagnen, Detektive und Millionen werden es nicht beenden, Hertha BSC bleibt fest in unseren Händen.” Nur gut drei Jahre nach seinem Einstieg ist die Verbindung von Investor Lars Windhorst und der wehrhaften „Alten Dame” nicht nur zerbrochen, sondern in einer beispiellosen Schlammschlacht geendet. Gerade ermittelt eine von Hertha BSC beauftragte Rechtsanwaltskanzlei, ob und in welchem Umfang Windhorst tatsächlich eine israelischen Sicherheitsfirma beauftragt hat, um Ex-Hertha-Präsident Werner Gegenbauer zu stürzen.
Die Financial Times hatte berichtet, dass die Agentur Shibumi Strategy auf fünf Millionen Euro Honorar wartet. Diese Summe soll dafür vereinbart worden sein, dass die Agentur Windhorsts Gegenspieler Gegenbauer durch Stimmungsmache und Spitzeleien aus dem Amt treibt. Methoden wie in einem Thriller. Windhorst streitet das bislang ab. Noch, teilte Hertha der MZ mit, sei die Prüfung nicht abgeschlossen.
Nach der Hertha-Posse: „Weniger Vertrauen in die deutsche Fußballlandschaft”
374 Millionen Euro hatte der Unternehmer Windhorst für 66,6 Prozent der Anteile an der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA gezahlt. Das größte Einzelinvestment in der Bundesliga bislang. Mit Schaumschläger Jürgen Klinsmann wollte Windhorst, der kein Fußballfachmann ist, zu neuen Ufern aufbrechen, den angestaubten Westberliner Vereinscharme abstreifen und zum „Big-City-Club” mutieren. Doch die Millionen haben sich durch Fehlinvestitionen und Tilgung negativen Eigenkapitals bei dem Problemklub aus der Hauptstadt verflüchtigt wie der Rauch abgebrannter Pyrotechnik. Nun möchte Windhorst entnervt aussteigen und sein Geld zurück haben, doch die Hertha kann und will die Anteile nicht zurückkaufen. Stattdessen sollen nun US-amerikanische Investoren übernehmen, jedoch zu einem deutlich geringeren Preis als die berühmten 374 Millionen. Hertha hat zwar ein Veto-Recht bei der Wahl des neuen Anteilseigners, doch muss die Ablehnung begründet sein.
Während die Mannschaft mit fünf Spielen ohne Niederlage – davon vier Unentschieden in Serie – unter dem neuen Trainer Sandro Schwarz um die Bundesligazugehörigkeit kämpft und am Samstag bei RB Leipzig gastiert (18.30 Uhr), hat sich der Verein in einen riesigen Schlamassel manövriert. „Das Ergebnis ist ein massiver Imageschaden für die Bundesliga, auch weil der Streit zwischen Gegenbauer und Windhorst eskalierte”, schätzt Henning Zülch im Gespräch mit der MZ/Rblive ein. Der Professor von der Leipziger Wirtschaftshochschule HHL, der zu den Managementqualitäten der Bundesligisten forscht, erklärt: „Im Ausland sind Investoren daran interessiert, mit den Klubs in Kontakt zu treten. Diese Posse führt nun dazu, dass man noch weniger Vertrauen als zuvor in die deutsche Fussballlandschaft hat.“
Beiden Seiten fehlte eine Strategie
Das Investment bei der Hertha kritisiert er als gedankenlos. „Wenn man eine Summe wie die 374 Millionen Euro investiert, muss man auch in die Infrastruktur investieren. Das ist zu wenig passiert”, so Zülch. „Hertha hat auf den kurzfristigen Erfolg gesetzt, es fehlte auf beiden Seiten an einer tragfähigen Strategie.”
Der Wirtschaftswissenschaftler betont, dass ein Investor nicht per sé schlecht sei, „man muss es nur handwerklich gut machen.” In der Wirtschaft spricht man von einem cultural fit. „Alle beteiligten Parteien – Klub, Investor, aber auch die Fans – müssen in das Investment mit einbezogen werden”, so Zülch. In Berlin hatte Windhorst zum einen nie Rückhalt in der Fanszene, zum anderen nahm der Klub zwar die Millionen, ließ Windhorst aber bei Entscheidungen außen vor. Laut 50+1-Regel liegt die Entscheidungshoheit im deutschen Fußball beim Verein, also letztlich den Mitgliedern, und nicht beim Investor. „Hertha hat sich an den Strohhalm geklammert, dann muss man aber auch in der Lage sein zu akzeptieren, dass ein solcher Investor auch Mitbestimmungsrecht haben will”, schätzt Zülch ein. Es bedarf wohl einer vor- und umsichtigen Anpassung der 50+1-Regel, um dieses Dilemma aufzulösen – jedoch nur mit garantierten strategischen Investitionen in Nachwuchsakademien und Strukturen. Sonst verkaufen die Klubs ihre Seele, stürzen in Dilemmata – und die Kohle verpufft einfach so wie aktuell bei Hertha BSC.