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Xaver Schlager im Interview „Ich versuche, mich nicht auf den Status als Fußballer zu reduzieren”

Xaver Schlager ist als Fußballer und Typ so geerdet, wie es nur geht, und tut RB Leipzig unheimlich gut. Im Interview spricht der Nationalspieler über Bodenhaftung, positive Gedanken beim Lesen und seine Aufgabe auf dem Platz im Bundesliga-Endspurt.

Von Ullrich Kroemer 30.03.2024, 05:00
Nicht nur Kämpfer, auch ein feiner Techniker: Xaver Schlager.
Nicht nur Kämpfer, auch ein feiner Techniker: Xaver Schlager. (Foto: imago/motivio)

LeipzigXaver Schlager ist anders als die meisten anderen Fußballprofis. Im Interview mit RBlive-Reporter Ullrich Kroemer spricht er vor dem Bundesligaduell zwischen RB Leipzig und Mainz 05 (Sa., 15.30 Uhr) darüber, wie ihn seine behütete Jugend auf dem Land noch heute als Mensch und Fußballer prägt, weshalb ihn Lesen auch in seiner Karriere weiterbringt und was in seinem Tagebuch steht.

Xaver, Sie sind Mitte der Woche von der österreichischen Nationalmannschaft zurückgekommen und haben beim 6:1 gegen die Türkei selbst getroffen. Wie groß ist die Euphorie vor der EM?
Xaver Schlager: Wir spielen ansehnlichen Fußball, und das begeistert die Leute. Da herrscht schon eine positive Stimmung. Aber wir haben eine brutal schwere Gruppe mit Frankreich, den Niederlanden und Polen. Die zu überstehen, ist das Hauptziel.

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Lange Leine: Rangnick lässt Schlager & Co. Freiraum

Ihr Teamchef Ralf Rangnick ist in Leipzig bestens bekannt. Was schätzen sie an ihm?
Er hat vieles bei uns neu reingebracht: eine klare Struktur und Linie, wie wir spielen wollen und was die Aufgaben jedes einzelnen Spielers sind. Aber er lässt uns außerhalb des Fußballs auch Freiraum. Es ist ein gegenseitiges Vertrauen, dass wir unsere Sachen erledigen und er uns voranbringt. Das Entscheidende ist aber: Man kommt gern zum Nationalteam, freut sich richtig drauf, wir verstehen uns sehr gut, sind eine super Einheit geworden.

Sie tauchen mit Österreich oftmals mit vor dem Tor auf. Taugt ihnen die offensivere Rolle?
Ich habe ja früher auch offensiver gespielt, weiß, was da zu tun ist. Im Nationalteam laufen wir die Gegner auch mal noch aggressiver an als bei RB, da kann ich teilweise noch weiter nach vorn schieben und spiele etwas offensiver. Natürlich macht das auch Spaß, mal ein Tor zu machen. Aber es geht immer darum, das Richtige fürs Team zu tun.

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Auch eine Variante für das RB-Spiel?
Das lässt sich schwer vergleichen. Wir fahren im Nationalteam eine andere Taktik als bei RB. Im Nationalteam sind die Zentrumsspieler offensiver, hier in Leipzig eher die Flügelverteidiger.

Sie sind jetzt fast zwei Jahre in Leipzig. Wie sehen Sie Ihre Rolle im Team?
Ich bin dankbar, dass ich viel spiele, der Mannschaft helfen kann und in Champions-League-Partien und Endspielen so viel Erfahrung in Situationen sammeln konnte, die ich zuvor noch nicht kannte. Es ist bisher ganz gut gelaufen für mich.

Wie haben Sie sich selbst als Spielertyp entwickelt?
Man wird reifer. Ich versuche, den jungen Spielern zu helfen, habe schon ein bisschen was erlebt und mitgemacht. Ich fühle mich sehr wohl in meiner Haut.

„Konflikte sind wichtig und gehören dazu”

In einem Interview haben Sie vor neun Jahren mal gesagt: „Ich bin ein sehr ehrgeiziger Mensch, der aber oftmals nachgibt und auf Konflikte verzichtet.” Gilt das noch?
Damals hat das zu mir gepasst. Mittlerweile sage ich: Konflikte sind auch wichtig und gehören mal dazu. Entscheidend ist, dass man sich in die Augen schauen kann, nachdem man angesprochen hat, was nicht passt. Es ist wichtig, Dinge anzusprechen, weil es sonst unterbewusst weiterkeimt. Das ist meist viel schlimmer als offene Worte.

Spielte diese Offenheit und Klarheit auch eine Rolle bei der Bewältigung der Krise bei RB anfangs des Jahres?
Wir hatten zum Jahresstart keine Konflikte. Da ging es eher darum, ruhig zu bleiben, nicht das Selbstvertrauen zu verlieren und keine Selbstzweifel aufkommen zu lassen. Jetzt passen Ergebnisse UND Leistungen wieder – nun ist es wichtig, nicht in eine Selbstzufriedenheit zu geraten. Man muss weiter jeden Schritt, jeden Meter machen. Da ist es eher wichtig, genau hinzuschauen, mögliche Nachlässigkeiten anzusprechen und auch Konflikte nicht zu scheuen.

Wie transportieren Sie Ihre kämpferische Attitüde ins Team?
Einfach machen. Wenn man es selbst nicht tut, macht der Nebenmann auch einen Schritt weniger. Und sowas setzt sich dann fort. Also heißt es, voranzugehen, Zweikämpfe zu gewinnen, in Eins-gegen-Eins-Duellen Zeichen zu setzen – das zieht alle anderen mit. Da müssen wir alle dranbleiben – jeder ist dabei gefragt.

Wie gehen Sie den Schlussspurt an? Acht Endspiele um die Champions-League-Qualifikation?
Wie immer: Wir wollen gewinnen. Schluss. Aus. Da gibs keine Diskussion.

„Mainz gehört für uns zur Kategorie Kampf.”

Die Bilanz von RB gegen Mainz ist verheerend. Von den letzten sechs Duellen gingen vier verloren; RB gelang nur ein Sieg. Wie ist das zu erklären?
Weil sie gut sind, Mainz macht das sehr gut gegen uns. Es ist nicht immer so einfach zu erklären. Es gibt auch mal Mannschaften, die einem nicht so liegen. Das kriegt man über die Jahre in der Bundesliga mit. Mainz gehört für uns zur Kategorie Kampf. Wir müssen aufpassen und sind gewarnt. Es gibt eine Tabelle der Expected Points, aufgrund der Chancen erwartbaren Tore und Punkte, da liegt Mainz auf Rang sieben. Das zeigt, dass das eine gute Mannschaft mit gutem Plan und guten Spielern ist. Wir wollen es diesmal besser machen.

Sie wirken als Typ anders als viele Ihrer Profikollegen. Würden Sie das unterschreiben?
Ich bin halt auf dem Land großgeworden, habe dort noch meine besten Freunde, da wächst man anders auf. Das Leben in Niederösterreich ist nicht so schnelllebig und ruhiger. Das habe ich mir nicht abgewöhnt, ich bin der Gleiche geblieben.

Was hat Sie geprägt?
Ich bin behütet in einem kleinen Dorf aufgewachsen. Da ging es auch um die vermeintlich kleinen Dinge: Fußballspielen, zusammensitzen, Spaß haben. Das gehört zum Leben dazu. Ich versuche, mich nicht auf den Status als Fußballer zu reduzieren, sondern ich bin ein Mensch. Fußball ist meine Arbeit, die mir ohne Frage große Freude bereitet und für die ich sehr dankbar bin. Weil wir viel Aufmerksamkeit auf uns ziehen, glauben aber vielleicht einige, dass es besonders ist, mehr als „nur“ Fußballer zu sein. Aber es ist aus meiner Warte genau das Gegenteil: ganz normal.

Das Geerdete, was Sie verkörpern, scheint Mannschaften und dem Fußball an sich gut zu tun, da es eben auch viele andere Beispiele gibt.

Der Fußball ist eben ein Business, in dem teilweise Summen im Spiel sind, bei denen es schwerfallen kann, auf dem Boden zu bleiben. Allein die Transfersummen, die im Umlauf sind. Das kann ich selber kaum greifen, genauso geht es vielen Fans. Durch den Einfluss von neuen Märkten wird dieser Einfluss des Geldes noch einmal größer. Ich versuche einfach, unseren Beruf wertzuschätzen aber nicht überzubewerten. Wenn ich mit meinen Freunden und meiner Familie zusammensitze, ist Fußball eher nebensächlich.

Zu dieser Entschleunigung des Profidaseins passt, dass Sie gern lesen. Sie waren jüngst im Antiquariat …
Ich habe unter anderem den „Schneeleopard” von Sylvain Tesson gelesen; gerade liegt unter anderem „Der Richtplatz” von Tschingis Aitmatov auf meinem Nachttisch. Ich wechsle immer mal zwischendurch, lese aber die allermeisten Bücher auch zu Ende.

Wonach wählen Sie aus?
Mein Ansatz ist: Gedanken entscheiden mit über dein Leben. Je mehr positive Gedanken du hast, desto positiver wirst du reagieren. Je negativer deine Gedanken sind, desto negativere Erlebnisse wirst du haben. Beim Lesen habe ich eine Beschäftigung, bei der ich positive Gedanken entwickle, die mir weiterhelfen und mich auf bestimmte Situationen vorbereiten.

Sie lesen gern im Freien oder im Café. Ist es Ihnen wichtig, außerhalb der Fußballblase die Stadt und die Menschen wahrzunehmen?
Ich bin nicht der Typ dazu, mich zu Hause einzusperren. Ich bin in Gemeinschaft sozialisiert, da ist man draußen und unterwegs. Genauso handhabe ich es hier. Ich lese draußen, bin froh, wenn ich andere Menschen treffe.

Haben Sie einen Freundes- und Bekanntenkreis außerhalb des Fußballs?
Ja. Ich bin grundsätzlich offen dafür, aber es ist nicht leicht, in kurzer Zeit Freundschaften aufzubauen. Dazu bin ich auch zu viel unterwegs. Diesen Sommer habe ich zum Beispiel wenig Zeit, da spiele ich bei der Europameisterschaft.

Sie schreiben jeden Abend Tagebuch. Was haben Sie zuletzt eingetragen?
Zuletzt stand unter anderem drin, dass ich den Tag in Wien im Rahmen der Länderspiele mit Österreich sehr genossen habe. Ich war mit meiner Schwester und ihrem Freund essen, das Wetter war gut. Dazu habe ich aufgeschrieben, dass ich dankbar dafür bin, dass ich sicher in Leipzig gelandet bin. Ich betrachte das nicht als selbstverständlich, wenn man fliegt. Und ich habe mich darauf gefreut, endlich mal wieder früh ins Bett gehen zu können und zehn Stunden zu schlafen. Das habe ich mal wieder gebraucht.

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