RB LeipzigRB Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann im Interview mit dem FOCUS: "Ich weine recht schnell"
Julian Nagelsmann hat dem Nachrichtenmagazin FOCUS ein Interview gegeben, das am heutigen Samstag (Print) erscheint. Anlass war das Spiel am Nachmittag (15.30 Uhr) gegen seinen alten Verein TSG 1899 Hoffenheim.
"Ich habe damit abgeschlossen"
Wie das für ihn ist, die alten Weggefährten nach neun gemeinsamen Jahren und der Trennung vorigen Sommer wiederzusehen, streift das Gespräch allerdings nur am Rande. Nagelsmann spricht vor allem über sehr persönliche Dinge mit dem FOCUS.
U.a. über den Tod seines Vaters, der sich das Leben nahm, als Nagelsmann 20 war und gerade seine C-Lizent als Trainer, damals noch beim TSV 1860 München, machte. Nagelsmann nahm eine seiner Lieblingssendungen, das Format "Vermisst", in dem Menschen zusammengeführt werden, die sich viele Jahre aus den Augen verloren haben, zum Anlass, um darüber zu sprechen. Dabei verrät er, dass er beim Sehen der Sendung mit seiner Freundin Verena zusammen "recht schnell weint, und es berührt mich, wenn Familienmitglieder sich nach vielen Jahren wiederfinden."
Die Schicksale der Sendung vergleicht er mit seinen eigenen Erfahrungen: "Ich weiß, was es heißt, jemanden aus der Familie zu vermissen. Manchmal überlege ich als das Kind, das ich ja immer noch von meinem Papa bin, wie es wäre, wenn ich ihn wiedertreffen würde. Aber generell ist seit seinem Tod so viel in meinem Leben passiert, dass ich nicht mehr ständig darüber nachdenke. Ich habe es ganz gut hinbekommen, damit abzuschließen."
Nagelsmann hat lange in der Öffentlichkeit nicht darüber gesprochen, dass der Tod seines Vaters ein Suizid war. Das habe aber "nichts mit mir zu tun" gehabt, "es lag am beruflichen Hintergrund meines Vaters." Grundsätzlich habe ihn der frühe Tod seines Vaters entscheidend geprägt. "Man wird früh mit Fragen konfrontiert, die andere im selben Alter nicht beschäftigen. Ganz banale, praktische Lebensfragen wie Haus verkaufen, Versicherungen auflösen, Beerdigung organisieren. Man lernt, Verantwortung zu übernehmen und auch zu führen. Sich selbst und andere - meine Mama zum Beispiel, der ich eine Stütze sein wollte und meine Schwester, die mehr als ich unter dem Tod meines Vaters gelitten hat. Man kann daran zerbrechen oder wachsen."
Man kann daran zerbrechen oder wachsen"
Julian Nagelsmann über den Umgang mit dem Tod seines Vaters
Der Leipziger Trainer, der mit 32 Jahren der jüngste der Bundesliga ist, verrät auch, dass sein Vater eigentlich dagegen war, dass der Sohn sein BWL-Studium abwählte. "Ich hatte mich kurz vor seinem Tod entschieden, mein BWL Studium abzubrechen und Sport zu studieren", erinnert sich Nagelsmann. "Mein Papa war damals nicht gerade begeistert. Einen Tag nach seinem Tod bin ich wieder zum Training gefahren, auch weil ich ihm zeigen wollte, dass meine Entscheidung richtig war, obwohl er ja bis heute nicht weiß, dass ich Trainer geworden bin."
Desweiteren spricht Nagelsmann darüber, welche Unterschiede er in Leipzig wahrnimmt vor dem Hintergrund, dass er aus den alten Bundesländern stammt und jetzt in den neuen arbeitet. Dabei akzentuiert er Mentalitätsunterschiede, wie er sie wahrnimmt: "Die Generationen, die die DDR erlebt haben, sind noch da, und was sie vor dem Mauerfall geprägt hat, geben Sie an ihre Kinder weiter. Das merkt man etwa daran, dass Aufgaben erledigt werden, wenn sie wie beim Delegieren klar benannt sind. Ich sage jemandem, was zu tun ist und er macht es auch. Wenn ich aber viele Details nicht sage, dann werden viele Dinge von sich aus nicht gemacht."