RB LeipzigExklusiv – Halstenbergs Comeback-Ziel: „Dortmund, erster Spieltag”
Ortstermin mit Marcel Halstenberg: Nach seiner nachmittäglichen Reha-Einheit nimmt sich der 26-Jährige in der Trainingsakademie von RB Leipzig Zeit für ein Gespräch mit Mitteldeutscher Zeitung und RBLive. Nach seinem Kreuzbandriss spricht der Linksverteidiger über den langen Weg zurück auf den Platz, WM-Spiele in der Garage, seine Perspektive im DFB-Team und Jogi Löw, den Abschied von Ex-Trainer Ralph Hasenhüttl und die Trainersuche bei RB. Interview: Ullrich Kroemer.
Marcel Halstenberg exklusiv: „Mein innerer Schweinehund treibt mich voran”
Marcel Halstenberg, in welchem Stadium der Reha befinden Sie sich gerade?
Marcel Halstenberg: „Ich arbeite viel im Kraftraum an der Beinkraft, aber wir gehen auch schon auf den Platz, der Ball ist dabei. Schnellere Läufe, Passspiel, Torschuss gehen schon, das wird immer mehr hochgefahren. Seit der OP sind jetzt fünfeinhalb Monate vergangen und ich fühle mich ganz gut. Mein innerer Schweinehund treibt mich voran und sagt: Wir machen mehr, wir machen mehr. Frank Roßner (Reha-Trainer, Anm. d. Red.) muss da etwas drosseln und auf die Bremse drücken. Er sagt, dass wir voll im Plan sind. Ich werde jetzt noch mehrere Wochen individuell auf dem Platz trainieren, kann nicht gleich mit der Mannschaft starten. ”
Was bereitet Ihnen noch Probleme?
„Dass man bei einem schnelleren Tempolauf beim Abbremsen noch etwas vorsichtig ist, ist ganz normal. Bei manchen Bewegungen ist es etwas unangenehm über der Kniescheibe. Aber generell ist das Knie stabil und ich mache mir nicht so viele Gedanken über einzelne Bewegungen.”
„Will nicht gehemmt sein, sondern Vollgas geben”
Welches Ziel haben Sie sich gesteckt?
„Wenn ich einmal mit der Mannschaft trainiere, will ich nicht gehemmt sein, sondern Vollgas geben. Ich wäre natürlich gerne am ersten Spieltag bei meinem Ex-Klub Dortmund dabei. Aber ich muss erst einmal schauen, was mein Körper, meine Muskulatur und das Knie mir sagen.”
Wie präsent ist bei Ihnen die Situation der Verletzung noch?
„Klar, denke ich nochmal darüber nach. Aber die Bilder haben sich nicht in mein Hirn gebrannt, sodass ich Ängste oder Bedenken hätte.”
Marcel Halstenberg: Kein Groll auf Jean-Kevin Augustin
Ursache war ein Zusammenprall mit Jean-Kevin Augustin im Januar im Training. Machen Sie ihm einen Vorwurf?
„Nach meinem Mittelhandbruch wollte ich so trainieren, dass ich am Wochenende auch spiele, mich anbieten. Es hat geregnet. Wir sind beide frontal auf den Ball gegangen, ich mit gestrecktem Bein. Jika ist ausgerutscht und mit seinem Körpergewicht in mein Knie gefallen. Dafür konnte er nichts, ich auch nicht. Das war einfach Pech.”
Wie haben Sie es verarbeitet, dass plötzlich nicht nur die Rückrunde mit RB, sondern auch der Traum von der WM mit der Nationalmannschaft zerplatzt war?
„Gerade in der Anfangsphase war diese Nachricht über die Verletzung schlimm für mich. Die erste Woche habe ich damit verbracht zu verarbeiten, dass die Chance, bei einer WM dabei zu sein, dahin ist. Da haben mich viele hier im Team und in der Familie aufgebaut.”
Wie haben Sie sich mental in den Reha-Prozess reingekämpft?
Am Anfang hatte ich 24 Stunden eine Streckschiene, auch im Schlaf. Da habe ich nur gedacht: Es wäre schon schön, wenn ich wieder normal gehen könnte. Mit der Donjoy-Schiene, bei der ein Winkel zur Beugung eingestellt wird, konnte ich dann langsam wieder Treppen gehen, Fahrrad fahren. Nach einiger Zeit hat es mir regelrecht Spaß gemacht, mich in die Reha reinzufuchsen und mich für die nächsten Jahre meiner Karriere so aufzustellen, dass mein Körper vorbereitet ist.”
Wie haben Sie die Spiele von RB von der Tribüne aus verfolgt?
„Es gab Szenen, die ich vielleicht anders als der Linksverteidiger auf dem Platz gelöst hätte – ob besser oder schlechter sei mal dahingestellt. Ich habe immer überlegt, wie ich der Mannschaft probiert hätte zu helfen. Man schaut ganz automatisch auf seine Position.”
Wann haben Sie gemerkt, dass Sie den Durchbruch geschafft hatten?
„In der Reha in Donaustauf. Da war ich abends nach zweimal täglich Muskeltraining völlig kaputt, habe um 21 Uhr mit Muskelkater im Bett gelegen und gemerkt, dass da wieder was zusammenwächst.”
Erstes WM-Spiel: „Habe Marvin Plattenhardt den Einsatz gegönnt”
Haben Sie nochmal gehadert, als im ersten WM-Gruppenspiel Jonas Hector ausfiel und statt Vertreter Marvin Plattenhardt auch Sie hätten auf dem Feld stehen können?
„Ich habe das wirklich abgehakt, weil es nichts bringt, immer wieder darüber nachzudenken. Es war eine Chance, die durch die Verletzung dahin war. Eine Woche nach der OP habe ich gesagt: Egal, was passiert, ich kann es nicht mehr rückgängig machen. Ich habe Marvin Plattenhardt den Einsatz gegönnt.”
Wie haben Sie die deutschen Spiele verfolgt?
„Das erste Spiel habe ich mit meiner Familie und Freunden in der Garage auf einer Leinwand geschaut. Das zweite in Leipzig und das dritte in der Reha in Donaustauf jeweils ganz in Ruhe.”
Und?
„Es war nicht schön zu sehen, dass es nicht mehr so einfach läuft. Die vermeintlich kleinen Fußball-Nationen haben durch starke Teamarbeit eine entsprechende Weiterentwicklung den Abstand zu den großen enorm verringert.”
Marcel Halstenberg: „Jogi Löw kann einen Neuaufbau schaffen”
Was halten Sie davon, dass der Bundestrainer im Amt bleibt?
„Ich finde es gut, dass Jogi Löw Bundestrainer bleibt. Er kann einen Neuaufbau mit vielen jungen Spielern schaffen.”
Haben Sie den Anspruch, Teil dieses Neuaufbaus im DFB-Team zu sein?
„Ich habe einmal Nationalmannschafts-Luft geschnuppert, und es hat mir gut gefallen, sich mit den Besten zu messen. Ich will mich auch beim DFB irgendwann wieder in den Vordergrund spielen und mich für die Nationalmannschaft anbieten. Ich möchte wieder in das Blickfeld des Bundestrainers geraten und Teil dieser Mannschaft sein.”
Über Konkurrent Marcelo Saracchi: „Er hat seine Vorteile, ich meine”
Dazu müssen Sie zunächst bei RB wieder Stammspieler werden. Haben Sie Bedenken, weil Ihnen der Klub in Marcelo Saracchi einen talentierten Elf-Millionen-Euro-Mann vor die Nase gesetzt hat?
„Das ist schon ein Konkurrenzkampf, aber das gehört dazu. Ich will zunächst wieder bei 100 Prozent sein, dann möchte ich aber voll angreifen, um wieder regelmäßig 90 Minuten auf dem Platz zu stehen. Dabei tut es gut, einen Kollegen zu haben, der dir signalisiert: Du darfst nicht nachlassen. Das zieht einen hoch. Niemand ist zufrieden mit der Reservistenrolle.”
Er ist ein anderer Spielertyp als Sie, kleiner, dribbelstärker.
„Er hat seine Vorteile, ich habe meine: Körpergröße, Statur. Ich probiere, meine Stärken in den Vordergrund zu stellen.”
Das hängt auch vom neuen Trainer ab. War die Trennung von Ralph Hasenhüttl zum Saisonende aus Ihrer Sicht überhaupt notwendig?
„Wir hatten zwei gute Jahre mit ihm. Es war auch überraschend für uns. Er hat sich an seine Bedingung gehalten, dass er nur weitermacht, wenn sein Vertrag verlängert wird. Das muss man respektieren.”
Persönlicher Abschied von Ralph Hasenhüttl, „Vorteil Rangnick”
Konnten Sie sich von ihm verabschieden?
„Ja, Marcel Sabitzer, Philipp Köhn und ich haben das hautnah mitbekommen, weil wir unsere Reha absolviert haben, als die anderen schon im Urlaub waren. So konnten wir uns persönlich von ihm verabschieden.”
Wie geht das Team mit der Ungewissheit um, ob nun Ralf Rangnick oder Jesse Marsch oder ein anderer Kandidat als Cheftrainer übernimmt?
„Ich weiß es auch noch nicht, wer unser Trainer sein wird. Aber die Mannschaft strahlt keine Unruhe aus, wir sind da sehr professionell. Wer dann am Montag vor der Mannschaft steht, wird angenommen und dann freuen wir uns drauf, neue Impulse zu bekommen. Mit dem vielleicht möglichen Kandidaten Jesse Marsch habe ich mich noch nicht so intensiv auseinandergesetzt. Wenn Ralf Rangnick es machen würde, wäre das ein Vorteil für uns. Er hatte ja den Trainerposten bei uns schonmal und wir hatten großen Erfolg mit ihm.”