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RB Leipzig"Ich würde mich aufstellen": RB Leipzigs bester Pokalschütze Yussuf Poulsen im Exklusiv-Interview vor dem Pokalfinale gegen Borussia Dortmund

Von Martin Henkel, Ullrich Kroemer 12.05.2021, 08:37
Hofft auf einen Einsatz im Finale: Yussuf Poulsen
Hofft auf einen Einsatz im Finale: Yussuf Poulsen imago/opokupix

Wenn einer weiß, was es für RB Leipzig bedeuten würden, im zweiten Anlauf endlich den ersten Titel der Vereinsgeschichte zu gewinnen, dann Yussuf Poulsen. Der Däne ist seit 2013 im Verein, der dienstälteste Spieler in der Kabine, aktuell Torschützenkönig im Pokalwettbewerb – und auch er hat noch nie etwas gewonnen. Als er nach Leipzig kam, war er 19.

Im Interview mit der Mitteldeutschen Zeitung und RBlive erklärt er, was dieser Titel ihm bedeutet, was es mit dem besten Scorerwert seiner Karriere auf sich hat und was man von leeren Tanks lernen kann.

Herr Poulsen, Sie sind mit fünf Treffern aktuell bester Schütze des Pokalwettbewerbs. Wenn Sie Trainer von RB Leipzig wären, würden Sie sich von Beginn an aufstellen?
Yussuf Poulsen: Das würde ich.

Im Ligaspiel gegen Ihren Finalgegner Borussia Dortmund vergangenen Samstag hatten Sie eine gute Sicht auf die 2:3-Niederlage. Sie saßen nämlich die ganze Zeit auf der Bank. Weil der Trainer Sie schonen wollte?
(lacht) Das hoffe ich mal.

Sicher sind Sie sich aber nicht?
Ich bin vor kurzem aus einer dreiwöchigen Verletzung gekommen und hatte gegen Bremen vor knapp zehn Tagen im Halbfinale eigentlich Power für 20 Minuten. Dann waren es mit der Verlängerung 50 Minuten. Bei sowas muss man aufpassen, damit der Körper sich langsam wieder an die Belastung gewöhnen kann.

Mit 19 schon zu RB

Zwei Mal derselbe Gegner binnen sechs Tagen, und das erste Duell verloren. Was sagt das über die Chancenverteilung im zweiten Spiel aus?
Nichts. Diesmal ist es ein K.o.-Spiel, es geht um alles oder nichts. Das ist etwas ganz anderes.

Sie haben in Ihrer Karriere, die Sie schon mit 19 zu RB geführt hat, noch nie etwas gewonnen. Was bedeutet Ihnen dieses Endspiel?
Es wäre nicht nur für mich, sondern auch für den Verein, die Stadt und die Fans der erste Titel und etwas ganz Besonderes. Deshalb ist das für uns alle ein ziemlich großes Finale.

Vor zwei Jahren standen Sie schon mal im Endspiel. Damals verloren Sie gegen den FC Bayern deutlich 0:3. Kommen jetzt Erinnerungen wieder hoch?
Eigentlich ist es abgehakt. Aber ich kann mich trotzdem gut erinnern.

Sie hatten in den Anfangsminuten eine Großchance auf der Stirn, die Manuel Neuer nur mit seiner ganzen Weltklasse parieren konnte. Haben Sie jemals darüber nachgedacht, was gewesen wäre, wenn…?
Ja, das hatte ich. Aber wenn ich das ganze Spiel nochmal Revue passieren lasse, dann komme ich zu dem Ergebnis, dass wir das Spiel vermutlich trotzdem verloren hätten. An dem Tag waren die Bayern einfach besser.

Hatten Sie diese Erkenntnis auch schon während des Spiels?
Nicht die ersten 30 Minuten. In denen waren wir besser, nach dem Gegentor waren wir noch eine Weile gleichwertig, aber ab der 55. Minute ungefähr hatten wir kaum noch etwas im Tank, wir hatten zuvor alles reingeschmissen. Selbst mit einem 1:0 für uns hätte es, glaube ich, nicht zum Titel gereicht. Aber man weiß ja nie.

Wann hatten Sie realisiert, dass Sie gerade die große Chance verloren hatten, endlich einen Titel zu gewinnen?
Man merkt es erst in den Tagen danach. Im Spiel selber ist man zu erschöpft. Das ging uns auch so nach dem Halbfinale in der Champions League vergangenen Sommer. Man denkt sich: Wahnsinn, wir waren nur eine Partie vom Endspiel entfernt! Man versteht die ganze Dimension erst später, merkt wieviel Arbeit drinsteckt, um überhaupt dorthin zu kommen und dann die Chance verspielt zu haben. Aber manchmal muss man akzeptieren, dass in einem Spiel der andere besser war. Das hilft, um wieder aufzustehen.

Wir stehen nicht allein im Finale"

Yussuf Poulsen

Wie hilfreich ist so eine Erfahrung, wenn man zwei Jahre später wieder im Finale steht, aber gegen einen anderen Gegner?
Letztes Mal haben wir fast alles in 55 Minuten rausgehauen. Das wird uns dieses Mal nicht passieren. (lacht) Aber wir stehen nicht allein in diesem Finale. Der Gegner weiß auch, wie man K.o.-Spiele angehen muss.

Er weiß vor allem auch, wie man sie schlägt. Das 2:3 war ihre sechste Niederlage im zehnten Spiel gegen den BVB. Ihr letzter Sieg, bei dem Sie ein Tor geschossen haben, liegt vier Jahre zurück. Was läuft da schief zwischen RB Leipzig und Dortmund?
Das ist eine sehr gute Frage. Ich kann nicht sagen, wieso es uns grundsätzlich so schwerfällt, Dortmund zu schlagen. Voriges Wochenende war es so, dass wir zwei komplett unterschiedliche Halbzeiten gespielt haben. Hätten wir unsere erste wie die zweite Hälfte gespielt, wäre ein Sieg möglich gewesen. Die Chancen dazu hatten wir am Ende auch , aber die erste Halbzeit war einfach nicht gut genug.

Sie haben mit zwei unterschiedlichen Formationen und Ansätzen operiert. Bis zur Pause stand RB tief und war auf Konter aus, nach der Pause lief es mit Ballbesitz besser. Was war die Überlegung dahinter gewesen?
Etwas zu probieren, wir haben es bis zum 0:2 nur nicht gut umgesetzt. Wir wissen, dass Dortmund unsere Art, Fußball zu spielen, offenbar liegt. Gegen einen anderen Gegner funktioniert der exakt gleiche Matchplan und gegen den BVB zum Beispiel eben weniger. Da gibt es manchmal keine richtige Erklärung. Aber wir haben gezeigt, dass wir selbst an einem Tag, an dem wir in Dortmund 0:2 zurückliegen, trotzdem zurückkommen und gewinnen können.

Falls es Sie tröstet, die Bilanz Ihres Trainers gegen den BVB ist noch schlechter: Er hat nur eines von elf Duellen gewonnen. Was macht Sie zuversichtlich, dass Sie trotzdem gewinnen?
Ganz klar die Entwicklung der letzten zwei Jahre. Man muss sich nur mal anschauen, was wir in dieser Zeit geleistet haben. Wir standen im Champions League-Halbfinale und spielen konstant in der Bundesliga oben mit. Einerseits durch Julians Ideen, andererseits durch Verstärkungen, wie zum Beispiel Dani Olmo und Angeliño, haben wir uns weiter verbessert und die Qualität gesteigert.

"Ich bin mit meiner Saison zufrieden"

Was viele Spieler an Julian Nagelsmann schätzen, ist, dass er sie besser gemacht hat. Wie ist das bei Ihnen?
Ich spiele unter Julian eine ganze andere Rolle als jemals zuvor. In einem Spiel habe ich mal drei verschiedene Positionen gespielt. Das sieht oft keiner, aber wenn ich unseren Taktikraum betrete, sehe ich oft drei, vier Grundaufstellungen, die wir innerhalb eines Spiels spielen werden. Ich habe jetzt die Variabilität, genau zu wissen, was ich auf einer anderen Position zu tun habe. Wir sind taktisch jetzt auf einem anderen Niveau, können Spielweisen innerhalb einer Partie ändern und auf hohem Niveau abliefern.

Ein Schlüsselspieler sind Sie unter ihm aber nicht geworde: Sie haben in dieser Saison nur 20 von 38 Spielen in der Startelf gestanden. Sind Sie dennoch zufrieden mit Ihrer Saison bislang?
Ja, das bin ich.

Trotz der wenigen Spielzeit?
Sie haben mich gefragt, ob ich mit meiner Saison zufrieden bin. Das bin ich. Wenn ich auf dem Platz war, habe ich es sehr gut gemacht, wie ich finde: Ich habe den besten Scorerwert meiner Karriere. Das wissen nur die wenigsten. Auf meine Spielminuten gerechnet habe ich noch nie so oft getroffen und so viele Tore vorbereitet. Wenn Sie mich hingegen fragen, ob ich zufrieden mit meinen Spielminuten bin, dann denke ich generell selbst bei einer Auswechslung in der 89. Minute: Hey, das war eine Minute zu früh. Ich hatte schon Saisons, in denen ich mehr gespielt habe. Stimmt. Aber in dieser Spielzeit hätte mein Körper vielleicht auch nicht mehr Partien vertragen. Wir sind spät in die Saison gestartet, hatten keine Winterpause, standen im Champions-League-Achtelfinale und sind im Pokal-Endspiel. Das ist fast das Maximum an Spielen und die logische Konsequenz, dass der Körper auch mal Pausen braucht. Ich habe gelernt, das zu akzeptieren.

Ihr Trainer wechselt im Sommer nach nur zwei Jahren in Leipzig zum FC Bayern. Werden Sie ihn vermissen?
Ja klar. Man gewöhnt sich aneinander, wächst zusammen, vor allem als Team. Das wird schon eine Umstellung. Aber so ist das im Fußball. Für einen Profi ist das nichts Neues: Es kommt ein anderer mit neuen Ideen. Wir haben auch Ralf Rangnick vor zwei Jahren vermisst, und es ging trotzdem weiter. Es gibt den nächsten Trainer, der dich weiterbringen will, um die nächste Stufe zu erreichen.

Marsch wirft nicht alles um

Ärgern Sie sich nicht, dass Julian Nagelsmann ausgerechnet ihren ärgsten Rivalen auf die nächste Stufe hebt?
Klar ist es schade, dass wir Julian nicht länger als zwei Jahre hatten. Aber du hast im Fußball keine Zeit, sentimental zu sein. Vielleicht kommt jetzt der Trainer, der genau die Ideen hat, die wir für den nächsten Schritt brauchen, weil er ein bisschen anders denkt.

Ist der etwas straightere, einfachere Fußball von Jesse Marsch besser auf Sie zugeschnitten?
Zu sagen, dass der Fußball von Julian nicht auf mich zugeschnitten ist, wäre auch falsch. Sonst hätte ich nicht die beste Scorerquote in meiner Karriere geschafft. Und mit Jesse Marsch wird ja nicht alles verworfen, was wir in den letzten beiden Jahren gelernt haben. Was Ralf Rangnick, Ralph Hasenhüttl und Julian sehen wollten, war und ist sehr, sehr unterschiedlich. Aber jeder hat vom anderen irgendwie profitiert. Julian zum Beispiel konnte auf das Pressing- und Konterspiel aufbauen, was uns zuvor stark gemacht hat. Er wusste: Das müssen wir nicht so oft trainieren, das können wir schon. Wenn aber diese Pressing-Basis nicht da gewesen wäre, hätte Julian das Kombinationsspiel nicht in dem Maße verbessern können. Die Mannschaft saugt auf, was ihre Trainer ihr mitgegeben haben und was funktioniert. Davon wird auch der nächste Trainer profitieren.

Welchen Eindruck hat Jesse Marsch bei Ihnen hinterlassen, als er 2018/19 als Co-Trainer in Leipzig war?
Er ist ein sehr guter Typ, der damals bei uns als Assistenztrainer einen tollen Eindruck hinterlassen hat. Auch wenn er mit seiner Erfahrung vielleicht nicht der klassische Co-Trainer war. Er kam als Cheftrainer zu uns und wurde direkt danach wieder Cheftrainer. Das war von seiner Art und seinen Ideen ständig zu spüren. Deswegen freue ich mich riesig darauf, ihn jetzt auch in seiner neuen Rolle bei uns zu erleben.

Das Interview führten Martin Henkel und Ullrich Kroemer.

(RBlive/hen/ukr)