RB LeipzigRB Leipzigs Linksverteidiger Angeliño im Exklusiv-Interview: "Man muss sich sein Leben verdienen!"
Es gibt wenige Spieler im Kader von RB Leipzig, die vom ersten Tag an die ungeteilte Bewunderung von Julian Nagelsmann genossen haben. Einer von ihnen ist José Angel Tasende, kurz Angeliño.
Der Spanier kam vergangenen Winter auf Leihbasis von Manchester City an den Cottaweg und wurde von Nagelsmann seitdem so gut wie immer auf der linken Abwehrseite eingesetzt. Ein missing link in den Überlegungen des RB-Coaches, der dadurch Marcel Halstenberg nach innen ziehen konnte und mit dem quirligen Angeliño einen Spieler bekam, der mit unermüdlichem Eifer die linken Flanke beackert.
Ein Kaufvertrag rückt näher
Zuletzt, im Spiel gegen Schalke, bestätigte der 23-Jährige sogar seine Qualitäten als Kopfballtorschütze. Ein Talent, das er bislang unter Verschluss gehalten hatte. Aber was macht die erneute Leihe des Linksfußes vielleicht alles möglich? Ein richtiger Wechsel mit Kauf- und Arbeitsvertrag rückt jedenfalls näher - und damit der Ausblick auf einen Ort, an dem sich der Spanier nach einer langen Grand Tour endlich zu Hause fühlen kann.
RBlive und Mitteldeutsche Zeitung sprachen mit Angeliño u.a. übers Alleinsein, Lebensweisheiten seiner Großeltern, Tattoos und ob es sich lohnt, ein Haus in Leipzig zu kaufen.
Angeliño, viele Ihrer Teamkollegen sind auf Länderspielreise. Sie sind in Leipzig geblieben. Grämt Sie das?
Nicht im Geringsten. Ich kann mich erholen und optimal auf die Englischen Wochen vorbereiten, die auf uns zukommen.
Ein Anruf von Spaniens Nationaltrainer Luis Enrique würde Sie kaltlassen?
Natürlich nicht. Ich bin Spanier und wäre stolz, für mein Land zu spielen. Aber er hat nicht angerufen, also gibt es keinen Grund, momentan darüber nachzudenken.
Tattoos made in Spain
Sie tragen an beiden Armen, dem Oberkörper, an Waden und Schienbeinen Tattoos. Leipzig ist voll mit Studios. Schon eines aufgesucht, Zeit haben Sie gerade ja?
(lacht) Nein, habe ich nicht. Motive, die mich interessieren, dauern generell länger als einen Besuch. Vor acht Jahren, als ich mir das erste habe machen lassen, ging das noch an einem Tag. Außerdem habe ich meine Leute in Spanien.
Für etwas Zeit zu finden, wird zum zentralen Thema in den kommenden Wochen. Bis Dezember erwarten RB zwei Spiele pro Woche in der Liga, im Pokal und in der Champions League, ausgenommen der Länderspielpause im November. Graut Ihnen davor?
Nicht im Geringsten! Jeden dritten Tag zu spielen, ist genau meins. Lange ohne Fußball geht bei mir nicht, dann beginne ich unruhig zu werden.
Was treiben Sie so, wenn Sie nicht trainieren oder spielen?
(lacht) Nicht viel. Erholung geht über alles. Ich bin meistens zu Hause, schaue Serien oder Filme. Ich koche mir was oder mache sauber.
"Ich bin nicht gern allein"
Man hört, es sollen nicht viele Profifußballer Scheuerlappen und Besen in die Hand nehmen.
Ich schon. Wer sollte es sonst tun? Eine Putzfrau habe ich nicht und ich bin derzeit allein in Leipzig. Meine Frau hatte Sehnsucht nach Hause, deshalb ist Sie mit unserem Sohn nach Barcelona zurückgegangen. Sie stammt von dort. Ich muss also selbst auf mich achtgeben. Trotzdem haben wir natürlich täglich Kontakt.
Sie sind erst seit einem dreiviertel Jahr in der Stadt. Wie kommen Sie zurecht?
Gut. Leipzig ist eine sehr schöne Stadt. Vor allem ist sie ruhig, es ist nicht so viel los wie anderswo. Das ist jedenfalls mein Eindruck. Für mich ist das perfekt. Fußball ist mein Ding, darauf will ich mich konzentrieren können. Aber wenn Ihre Frage darauf abzielt, ob ich gern allein bin? Nein, ich vermisse meine Frau und unseren Sohn. Aber so ist es nun mal.
Sie haben mit 16 Ihre Heimat Galizien verlassen und sind von Deportivo La Coruña zu Manchester City gegangen. In der Folge waren Sie bis zum Leihgeschäft mit RB vergangenen Winter an fünf weitere Vereine in den USA, Spanien und die Niederlande verliehen. Haben Sie sich an das Alleinsein gewöhnt?
Es macht mir nicht so viel aus. Ich wollte immer Profi-Fußballer werden, schon als kleiner Junge. Mir war klar, dass ich dafür einiges werde tun müssen. Auch früh weggehen oder mal allein sein. Man muss sich sein Leben verdienen.
Appartment oder Haus?
Von wem haben Sie diese Einstellung, Ihrem Vater?
Mein Vater hat uns verlassen, da war ich drei. Ich habe es von meiner Mutter und von meinen Großeltern, bei denen ich oft gewesen bin. Beide waren eine Zeitlang als Gastarbeiter in Deutschland. In Lippstadt, glaube ich.
Sie haben noch einen jüngeren Bruder, richtig?
Stimmt. Er spielt in der zweiten Mannschaft von Villarreal.
Wer in Leipzig ersetzt Ihnen die Familie?
Ersetzen wäre etwas übertrieben, aber ich verstehe mich mit allen hier richtig gut. Engeren Kontakt habe ich zu Pete (Gulacsi, Anm. Red.), Emil (Forsberg, Anm. Red.), Dani (Olmo, Anm. Red.), Tyler (Adams, Anm. Red.) und solange er noch da war mit Mola (Ademola Lookman, Anm. Red.).
Eine Weile lang war nicht klar, ob Manchester City Sie noch einmal verleihen würde. Was macht man in so einer Situation? Im Hotel bleiben oder trotzdem eine Wohnung beziehen?
(lacht) Ich bin schon eine Weile in einer Wohnung - und gerade dabei, mir ein Haus zu kaufen.
Der Coach vertraut mir!"
Angeliño über sein Verhältnis mit Julian Nagelsmann
Ist das nicht riskant? Sie wurden nur für ein weiteres Jahr geliehen.
Mit Kaufoption. Ich hoffe, es geht weiter hier bei RB.
Es heißt, dass nach zwölf Spielen eine Kaufoption für Sie greift.
(lacht) So ungefähr. Ich bin in den vergangenen Jahren viel herumgereist. Ich würde mich langsam gern irgendwo zu Hause fühlen und hier ist der richtige Ort für mich.
Die Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit. Ihr Trainer Julian Nagelsmann schwärmt von Ihnen und hat Sie bereits zwei Tage nach Ihrer Verpflichtung von Beginn an in das Pokalspiel gegen Frankfurt geworfen. Seitdem sind Sie auf der linken Abwehrseite Stammkraft. Welche Chemie verbindet Sie mit dem Coach?
Wir kennen uns schon eine Weile und waren schon mal in Kontakt, da war er noch Trainer in Hoffenheim. Der Coach vertraut mir. Das kann ich spüren und mit Leistung zurückgeben. Und sein Spielstil passt genau zu meinen Qualitäten.
ManU: Durchschnitt und Weltklasse
Gegen Schalke hat Nagelsmann ohne echten Stürmer dafür mit einer falschen Neun, im Wechsel Emil Forsberg und Dani Olmo, spielen lassen. Guardiola hat diese Variante erstmals zu seiner Zeit als Trainer des FC Barcelona probiert. Sind beide vergleichbar?
Ja, auf alle Fälle. Beide beschäftigen sich extrem mit Fußball, wissen viel, denken immer offensiv und haben immer neue Ideen parat.
Sie werden mit RB in der Champions League nach Manchester zurückkehren, allerdings für eine Partie gegen den Stadtrivalen United. Was halten Sie von den Gruppengegnern?
Von Basaksehir weiß ich nicht so viel. Paris kennen wir aus dem Halbfinale beim Turnier in Lissabon. Aus der Niederlage können wir extrem viel lernen und mit in die zwei Spiele nehmen. Und was ich von Manchester United bislang gesehen habe: Manchmal sind Sie Weltklasse, manchmal Durchschnitt. Wir müssen uns nicht verstecken.
RB muss nach vier Jahren erstmals ohne seinen Rekordstürmer Timo Werner auskommen. Wie weit ist das Team, sich umzustellen?
Man hat in den vergangenen Spielen gesehen, dass wir genauso viele Torchancen kreieren können wie in der Vorsaison. Und jetzt schießt die Tore eben nicht mehr Timo, sondern andere machen sie. Wir haben genügend Spieler, die in die Rolle schlüpfen können. Und es macht uns variabler als vorher.
Beim 4:0 gegen Schalke haben vier Spieler getroffen. Einer davon waren Sie. Mit der Stirn und einer Hechteinlage. Ihr erstes Tor mit dem Kopf?
(lacht) Ja – und mit Sicherheit mein letztes.
Das Gespräch führte Martin Henkel