Abschied nach zwölf RB-Jahren Ehrlich, witzig und ein Unikat: Yussuf Poulsen wird in Leipzig fehlen
Leipzigs lebende Legende Yussuf Poulsen geht und hinterlässt eine große Lücke im Klub, im Team und in der Stadt. Eine persönliche Würdigung von RBlive-Reporter Ullrich Kroemer.

Leipzig – Yussuf Poulsen gehörte nicht nur zu RB Leipzig wie die omnipräsenten roten Bullen im Logo; er gehörte nach zwölf Jahren in seiner zweiten Heimat auch wie selbstverständlich zum Leipziger Stadtbild. Nicht als Bundesligastar, sondern als bekanntes Gesicht im Viertel.
Yussuf Poulsen wohnte in meiner Nachbarschaft. Man sah den so nahbaren und sympathischen Profi mit seinen Kindern auf dem Spielplatz, an der Bio-Eisdiele oder mit dem Lastenrad auf dem Weg zur Kita.
„Yussi” war mit seiner dänischen Gelassenheit und Lebensart für die Leipziger im Alltag nicht die lebende Vereinslegende mit 425 Spielen für RB, sondern einfach ein cooler Nachbar, mit dem man gern ein Wort wechselt.
Yussuf Poulsen bei RB: Unikat und Konstante
Poulsen passte einfach nach Leipzig, weil er sich hier sichtlich wohlfühlte, Wurzeln schlug, sich glaubwürdig mit der Stadt und dem Klub identifizierte und schließlich Leipziger wurde. Poulsen war immer echt, das spürten die Leute.
Für den Klub war der 1,92-Meter-Mann der letzte verbliebene Zeuge der Jahre des Aufbruchs unter Ralf Rangnick und Alexander Zorniger, als sich eine verschworene Gruppe bildete, die RB nach wilden Anfangsjahren mit mitreißendem Fußball in die Spur brachte und das Fundament für alles Weitere legte. Er konnte den Geist von damals bis heute glaubhaft in die Kabine tragen, wenn er gefragt wurde.
Lässt man die Eigengewächse Thomas Müller vom FC Bayern und Christian Günter vom SC Freiburg einmal außen vor, die schon als Jugendliche für ihre Klubs spielten, war Poulsen der dienstälteste, extern dazu geholte Spieler der Bundesliga – ein Unikat. Solche Karrieren gibt es im modernen Fußball nur noch eine Handvoll.
Egal, ob neben Daniel Frahn, Davie Selke, Timo Werner, Christopher Nkunku oder zuletzt Benjamin Sesko und Lois Openda – Poulsen war immer da. Ihm gelang nicht immer alles und der Selfmade-Profi ohne Akademieausbildung hatte auch nie die technischen Voraussetzungen seiner Nebenleute – aber er gab immer alles. Die Konstante in einer von stetigem Wechsel geprägten Branche. Ein Glücksfall für RB.
Poulsen überzeugte mit Glaubens- und Willensstärke
In den zwölf Jahren habe ich auf beruflicher Ebene immer wieder Gespräche mit Yussuf Poulsen geführt – in der Mixed Zone und in zahlreichen längeren Einzelinterviews. Stets war Poulsen nahbar, witzig, ehrlich, intelligent, geradeaus, hatte auch bei kritischen Themen immer etwas zu sagen.
Am bewegendsten und eindrücklichsten war ein fast einstündiges Interview für ein Jugend-Buchprojekt über seinen erstaunlichen Aufstieg zum Profi. Damals sagte er: „Ich war nie der Spieler, von dem alle sagen: Der wird mal Profi! Alle haben eher immer gesagt: Der schafft es nicht.”
Das brachte Poulsen jedoch keineswegs von seinem Traum ab: „Ich selbst hatte immer das Ziel vor Augen, Profi zu werden”, berichtete er ganz selbstverständlich. Das beschreibt die Glaubens- und Willensstärke des Jungen, der in Sichtweite des dänischen Nationalstadions Parken aufwuchs, ganz gut. Das ging so weit, dass er sich mit 14 selbst bei Lyngby BK zum Probetraining einlud, weil die Scouts des FC Kopenhagen übersehen hatten – mit Erfolg.
Yussuf Poulsens Seitenhieb zum RB-Abschied
Ralf Rangnick war schließlich derjenige, der genau hinschaute und Poulsens Wert entdeckte – vor allem was seine charakterliche Eignung angeht. Poulsen steht sinnbildlich für Charakter, Mentalität und Arbeitsethos der Generation Rangnick, was bei Rasenballsport heute teils verloren gegangen ist. Es ist eine Aufgabe, erneut Spieler zu finden, die aus solchem Holz geschnitzt sind und in der Kabine auch in schwierigen Phasen wissen, worauf es ankommt, damit ein Team funktioniert.
Dass Poulsen nun geht, ist dennoch überfällig, denn er gehörte bei RB immer mehr zum Inventar wie ein Maskottchen. Eigentlich hätte sein Abgang bereits vor zwei Jahren passieren müssen, als Borussia Dortmund elf Millionen Euro für den Mittelstürmer bot.
Doch damals verhinderte Max Eberl den Wechsel. Nun also der HSV, was gut passen dürfte. Seine Worte zum Antritt waren: „Ich hoffe, hier viel Wertschätzung zu bekommen.” Das ist auch ein Seitenhieb auf seinen zuletzt gesunkenen Stellenwert bei seinem langjährigen Klub. Klare Kante eben.
Wenn Yussuf Poulsen eines Tages ein Abschiedsspiel bestreitet, sollte das natürlich dennoch dringend in Leipzig stattfinden. Bis dahin: Machs gut, Nachbar! Du wirst fehlen – im Viertel, in der Stadt und im Team.