Der Chefstratege geht zu Red Bull RB Leipzig verliert sein Hirn
Am Freitagmorgen, wenn Marco Rose sonst gern in aller Ruhe einen Kaffee trinkt, klingelte bei dem Trainer von RB Leipzig das Telefon. Sein Chef war am anderen Ende der Leitung und überbrachte seinem wichtigsten Angestellten die Nachricht persönlich, dass er ab 15. November nicht mehr für RB Leipzig arbeiten wird. Oliver Mintzlaff steigt in der Managerhierarchie gleich mehrere Stufen auf einmal nach oben und folgt als einer von drei CEO’s auf den jüngst verstorbenen Dietrich Mateschitz als Chef des Milliardenunternehmens Red Bull.
Damit verantwortet er künftig nicht mehr 370 Millionen Euro Umsatz wie bei dem Bundesligisten, sondern 7,8 Milliarden Euro Jahresumsatz bei einem Weltunternehmen. Der gebürtige Bonner ist künftig für alle Sportaktivitäten des Energy-Drink-Marktführers inklusive Formel 1 ebenso zuständig wie für das Medienimperium von Red Bull, zu dem der umstrittene, weil nach Rechts offene TV-Sender Servus-TV gehört. Statt wie bisher etwa 400 Mitarbeiter führt der frühere Mittelstreckenläufer nun etwa 4000 der insgesamt knapp 14.000 Red-Bull-Mitarbeiter. Bei RB Leipzig tritt Mintzlaff nach acht Jahren als Vorsitzender der Geschäftsführung ebenso zurück wie als Vereinspräsident. Nur sein Amt als einer von vier Aufsichtsräten wird er behalten. „Das ist die logische Konsequenz seiner Arbeit bei Red Bull und dem Verein hier”, kommentierte Rose vor dem Spiel gegen die TSG Hoffenheim (Sa., 15.30 Uhr).
Aus dem Hintergrund ins Rampenlicht
Der einstige Berater, der neben Spielern und Trainern auch die Schlagersängerin Andrea Berg managte, und Mateschitz lernten sich 2012 bei den Vertragsverhandlungen mit Ralf Rangnick schätzen, den Mintzlaff damals beriet. Der Multimilliardär wollte den damals 37-Jährigen am liebsten gleich mitverpflichten. Durch mehr Machtfülle ließ sich Mintzlaff schließlich überreden und wechselte im Sommer 2014 in Dreifachfunktion nach Leipzig.
Medial hielt er sich zunächst im Hintergrund, gab keine Interviews und hinterließ bei seinen wenigen öffentlichen Auftritten nicht den Eindruck, als fühle er sich im Rampenlicht wohl. Zwar ist er der öffentlich meist glatte Entscheider weiterhin kein Fanliebling, doch mit den Jahren stiegen seine Eloquenz, sein Sendungsbewusstsein und sein Renommee in der Szene, das er sich als Nicht-Fußballer erst erarbeiten musste.
Nach Rangnicks Abgang – beide trennten sich uneins – trat Mintzlaff auch in der öffentlichen Wahrnehmung aus dessen Schatten und lenkte die Geschickte des Bundesliga-Spitzenklubs in Eigenverantwortung. Intern hatte er bereits in den Jahren zuvor das RB-Erfolgsmodell aufgebaut und den Klub in wenigen Jahren von 80 Millionen Euro in der 2. Liga zu 370 Millionen Euro Umsatz gepusht. Mit dem potenten Geld- und Kreditgeber Red Bull im Rücken arbeitete sich RB unter Antreiber Mintzlaff auch wirtschaftlich unter die Besten Europas vor. Wenn der emotionale Rangnick beim Aufbau von RB Leipzig das Herz war, war der stets strategische Mintzlaff das Hirn.
Workaholic Mintzlaff rieb sich bisweilen auf
Dabei rieb sich der Workaholic bisweilen auch auf, zog sich wichtige Themen selbst auf den Schreibtisch und verhandelte etwa große Transfers höchstpersönlich. Als harter Verhandler, der stets den besten Deal für RB herausholt, machte sich der Rheinländer auch international einen Namen.
Allerdings wirkte der Manager in den vergangenen Monaten immer wieder auch erschöpft von der Kritik am sportlichen Führungsvakuum sowie dem RB-Vereinskonstrukt und reagierte bisweilen emotionaler als gewohnt. Bei der Pressekonferenz nach dem wegen des Kriegsbeginns abgesagten Europa-League-Achtelfinale gegen den russischen Klub Spartak Moskau kämpfte er wegen der Wut über den RB-Hass mit den Tränen. In Fankonferenzen fuhr er bei Kritik aus der eigenen Anhängerschaft bisweilen mit viel Furor energisch aus der Haut.
Mintzlaff als Garant für weiteres Red-Bull-Sportsponsoring
RB verliert nun also denjenigen, der den Laden zusammengehalten hat. Für den Bundesligisten bedeutet Mintzlaffs Abgang eine Zeitenwende. Max Eberl als künftiger Geschäftsführer Sport wird den Mann, der so intensiv um ihn gebuhlt hat, nicht allein ersetzen wollen und können. Einstweilen übernehmen die bisherigen Mitgeschäftsführer Florian Hopp (Finanzen) und Johann Plenge (Strategie) Mintzlaffs Aufgaben mit. Wer aber als CEO mit Gesamtverantwortung in seine Fußstapfen tritt, ist völlig offen. Einen Haupt-Geschäftsführer mit den Management-Fähigkeiten von Mintzlaff und seinem erarbeiteten Standing in der DFL muss RB Leipzig erst einmal finden.
Höchst positiv für RB Leipzig hingegen ist die Perspektive, dass Mintzlaff als Top-Entscheider bei Red Bull mindestens für die nächste Dekade der Garant dafür ist, dass weiter Sponsoring-Millionen und Kredite aus Fuschl nach Leipzig fließen. „Das Schöne ist, dass der Kontakt eng und die Verbindung nach Leipzig natürlich bestehen bleibt, denn das ist ihm sehr wichtig“, schätzte Rose ein.