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  5. Fall Milan ähnlich wie RB: Uefa verhandelt Multi-Klub-Konstrukte

„müssen die aktuellen Regeln überdenken” Uefa verhandelt Multi-Klub-Konstrukte – 180 Vereine gehören zu Investorengruppen

Immer mehr Investoren kaufen sich mehrere Klubs: Das ist ein auffälliger Trend im europäischen Fußball. Die UEFA muss sich diese Woche damit beschäftigen. Denn ihre Regeln stoßen an Grenzen.

Von dpa/ukr 05.07.2023, 15:21
Der AC Milan gehört jetzt zur gleichen Gruppe wie der FC Toulouse.
Der AC Milan gehört jetzt zur gleichen Gruppe wie der FC Toulouse. (Foto: imago/Independent Photo Agency)

Zwei Wochen Zeit. Und etwa 50 000 Kilometer Flugdistanz. So viel müsste der Besitzer des neuen Champions-League-Siegers Manchester City einplanen, falls er irgendwann einmal alle seine 13 Fußballklubs nacheinander besuchen möchte. Zur City Football Group von Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan aus Abu Dhabi gehören mittlerweile Teams aus fünf verschiedenen Kontinenten: vom Mumbai City FC in Indien über Melbourne City, New York City bis zum FC Palermo in Italien.

Dass eine Person oder Gesellschaft mehrere Klubs besitzt, ist seit Jahren ein auffälliger Trend im Profifußball. In dieser Woche beschäftigt er den europäischen Verband Uefa. Bald könnte er auch die Deutsche Fußball Liga (DFL) erreichen.

Integrität des Wettbewerbs in Gefahr? Uefa beschäftigt sich mit drei Fällen

In den Regularien der Uefa steht zwar: Niemand darf in den drei Europapokal-Wettbewerben Champions League, Europa League und Conference League Einfluss auf mehr als einen teilnehmenden Klub haben. Denn: „Wenn du zwei Klubs im selben Wettbewerb besitzt, könntest du den einen anweisen, zu verlieren, weil der andere gewinnen soll”, sagte Verbands-Chef Aleksander Ceferin erst im März in einem Interview auf dem YouTube-Kanal des früheren Manchester-United-Profis Gary Neville.

Die Uefa selbst hat aber erst im vergangenen Jahr in einer Studie ermittelt, dass weltweit bereits mehr als 180 Klubs zu einer Struktur wie der City Football Group gehören. Und damit wird klar: In der Praxis ist die Europapokal-Regel immer schwerer durchzusetzen.

Konkret beschäftigt sich eine Kontrollinstanz der Uefa (CFCB) in dieser Woche mit drei Fällen: AC Mailand/FC Toulouse, Aston Villa/Vitoria Guimaraes sowie Brighton & Hove Albion/Union Saint-Gilloise, wo jüngst Ex-RB-Trainer Alexander Blessin anheuerte.

Problem mit Milan und Toulouse

Die amerikanische Investmentfirma RedBird Capital kaufte im vergangenen Jahr nach dem FC Toulouse auch den 19-maligen italienischen Meister AC Mailand. Und Milan qualifizierte sich danach erneut für die Champions League. Toulouse gewann zudem überraschend den französischen Pokal und erwarb damit eigentlich das Startrecht für die Europa League. Zwei RedBird-Klubs in einer Europapokal-Saison sind jedoch nicht erlaubt.

Um den Regularien gerecht zu werden, traten drei Manager der Firma zuletzt aus dem Vorstand des FC Toulouse zurück. So soll der Eindruck erweckt werden, dass die Besitzer des Klubs keinen Einfluss auf das Tagesgeschäft nehmen. Bis Freitag will die Uefa nun entscheiden, ob ihnen das ausreicht oder die Franzosen aus der Europa League fliegen. Bei den beiden anderen Fällen ist die Sachlage ähnlich. „Wir müssen die aktuellen Regeln überdenken”, sagte Ceferin in Erwartung immer mehr solcher Konflikte. Und viel spricht dafür: Er will die Regeln aufweichen.

RBL und RBS offiziell entflochten

Schon für ihren Umgang mit dem sportlichen Präzedenzfall wurde die Uefa 2018 scharf kritisiert: Damals spielten RB Leipzig und der FC Red Bull Salzburg in der Europa League gegeneinander. Der Getränkehersteller Red Bull war von 2005 bis 2015 alleiniger Gesellschafter der Salzburger und hält bis heute 99 Prozent der Anteile an der RasenBallsport Leipzig GmbH. Die Uefa urteilte damals, dass es zwischen beiden Klubs 2017 bei der ersten gemeinsamen Europapokal-Teilnahme beider Klubs eine ausreichende Entflechtung gegeben habe. Die „Integrität des Wettbewerbs” sei nicht verletzt.

Das Beispiel Red Bull zeigt jedoch: Trotz der 50+1-Regel, die den Einfluss von Investoren begrenzt, gibt es auch im deutschen Profifußball Vereine, die zu Multiklub-Konstrukten gehören. Red Bull besitzt noch Teams in Brasilien und New York, zudem gibt es eine Kooperation mit dem FC Goa in Indien. Die Investmentfirma 777 Partners stieg in diesem Jahr bei Hertha BSC ein. Die Berliner sind der weltweit siebte Fußballklub, der den Amerikanern ganz oder teilweise gehört.

Reibung bei der Hertha

In einem NTV-Interview sagte Hertha-Präsident Kay Bernstein am vergangenen Wochenende: „Meine Sozialisierung, meine Prägung, mein Wertegerüst, meine Vorstellung, wie ich mir den Fußball wünsche, haben es nicht leicht gemacht.” Bernstein erkennt aber auch Vorteile dieser Verbindung: „Ein neuer Blickwinkel, ein neuer Austausch und auch neue Reibung.”

Genau diese Synergie sehen viele bei diesem Modell kritisch, andere aber auch als Chance. Mehrere Klubs in einer Hand bedeutet, dass diese sich gegenseitig bei der Sichtung, Ausbildung und Entwicklung von Spielern unterstützen können. Manche schieben sich diese Spieler aber je nach Bedarf auch weit über oder weiter unter dem Marktwert zu.

Fans des AFC Bournemouth: „Vulgärer Satelliten-Klub”

Die Fans betroffener Vereine fürchten in erster Linie einen Identitätsverlust ihres Klubs. Als die amerikanischen Besitzer des AFC Bournemouth im vergangenen Winter auch beim FC Lorient in Frankreich einstiegen, schrieb eine Ultra-Gruppe in einem offenen Brief: „Es steht außer Frage, dass wir ein vulgärer Satelliten-Klub werden, ein einfaches Trainingsgelände für unseren englischen Mutterverein.”

In Deutschland hat die DFL festgelegt, dass in der Bundesliga und 2. Bundesliga niemand „unmittelbar oder mittelbar an mehr als drei Kapitalgesellschaften beteiligt sein darf”. Die Volkswagen AG wird diese Grenze bald erreichen. Ihr gehören bereits die VfL Wolfsburg Fußball GmbH und über die VW-Tochter Audi auch 8,33 Prozent der FC Bayern München AG. Noch in diesem Sommer will Porsche beim VfB Stuttgart einsteigen - auch diese AG ist ein Teil des Volkswagen-Konzerns. Ein Problem bekommt die DFL, wenn auch der FC Ingolstadt wieder in die zweite Liga aufsteigen sollte. Denn dessen Anteilseigner heißt Audi.