RB LeipzigHelmut Groß: RB Leipzig kommt dem perfekten Fußball nahe
Helmut Groß ist seit 30 Jahren Begleiter von Ralf Rangnick. Seit der gemeinsamen Zeit in Hoffenheim ist er zudem als Berater und Beobachter auch fest an die Seite des jetzigen RB-Sportdirektors gebunden. Trotz seiner inzwischen 70 Jahre ist er als entsprechender Ideengeber weiterhin eine feste Größe.
Helmut Groß auf der Suche nach den Grenzen des Fußballs
Als Trainer habe er in den all den Jahren nicht arbeiten wollen, „weil es mir zu unsicher war“, so Groß im umfangreichen Interview mit dem Kicker (Print). „Ich habe dann im Laufe der Jahre gemerkt, wie meine Ideen und das, was wir zusammen entwickelt haben, durch Ralf perfekt umgesetzt werden konnten.“ Daraus resultierte auch, dass er sich von seinem Job als Brückenbauingenieur losriss und 2006 fest an Rangnicks Seite wechselte.
„Es war durchaus auch ein bisschen egoistisch, ihn sozusagen auf dem Weg zu unterstützen. Ich wollte einfach wissen: Wie weit geht es mit unserem Fußball? Mir war klar, dass er es mit seinem Ehrgeiz so weit treiben wird, wie es irgendwie geht.“ Ralf Rangnick bei seiner Arbeit zu unterstützen, sei für Helmut Groß weiterhin eine Art Hobby. „Wenn ich nicht mehr angestellt wäre bei Leipzig, würde ich wahrscheinlich auf meine alten Tage daheim Ähnliches tun, ohne dafür bezahlt zu werden.“
Durch Übertreibung nah an die Perfektion
Dabei sieht Helmut Groß den Fußball, der in Leipzig gespielt wird, „teilweise durchaus“ als perfekt an, auch wenn es das perfekte Spiel eigentlich nicht gibt. „Wir schreiben uns auf die Fahne, die Dinge perfektionieren zu wollen. Nur wenn du die Dinge übertreibst, kannst du dich echt verbessern. Die Übertreibungen wollen wir vorwiegend im Training haben, aber auch in Testspielen. Wir machen Testspiele gerne mit zwei komplett neuen Mannschaften über jeweils 45 Minuten. Weil wir sagen: Wenn die Spieler nur 45 Minuten spielen, können sie bei 105 Prozent oder sogar darüber hinaus arbeiten. Und erst dann kann man sich gerade im kognitiven Bereich wirklich verbessern.“
Gerade Verbesserungen im Bereich der Kognition seien für die Zukunft sehr wichtig. Auch deswegen setze man verstärkt auf junge Spieler, weil diese für schnellere Denkprozesse noch offen und formbar seien. Zudem sprechen Mentalität und Athletik für jüngere Akteure.
Durch Daten zu mehr Überzeugungskraft
In seiner Anfangszeit habe Helmut Groß viel Ablehnung erlebt, wenn es um taktische Neuerungen ging. „Es gab damals richtige Widerstände, wie es in Deutschland eben oft so ist. Wenn Leute den Eindruck haben, da kommt einer, der denkt, er hätte etwas Neues erfunden, auf das sie selbst nie gekommen sind, dann ist die erste Reaktion meistens: Das kann nicht sein.“ Entsprechende Erfahrungen hat auch Ralf Rangnick in der Öffentlichkeit gemacht.
Inzwischen sei es einfacher geworden, neue Ideen zu entwickeln, weil man durch entsprechende Daten und Statistiken handfestere Belege für die eigenen Vorstellungen hat. So sei es statistisch nachweisbar, dass man binnen zehn Sekunden zum Torabschluss und binnen fünf Sekunden zur Balleroberung gekommen sein sollte. Zudem führen mehr Sprints zu schnelleren Balleroberungen und zu einer höheren Wahrscheinlichkeit von Toren führt. Weil man in der Balleroberung schon im Höchsttempo ist und man diese Geschwindigkeit dann auch gleich mit in den Angriff nehmen kann.
Spiele als schön zu empfinden eine Frage der Gewohnheit
Dass diese Art des Spiels nicht immer als schön empfunden wird, ficht Helmut Groß nicht an. Das habe eher mit Sehgewohnheiten zu tun. „Was nicht zu sehr von der Norm abweicht, gilt als schön“, so empfindet groß. Da RB Leipzig ein chaotisches System spiele, könne ein Zuschauer sich „regelrecht unwohl fühlen und sagen: Das ist nicht mein Fußball, nicht das, was ich gewohnt bin“.
Für Helmut Groß zeichnet sich ein schönes Spiel durch eine „gute Dynamik“, wenn „diese aber nicht allein durch Athletik entsteht, sondern auch durch Spielwitz, Präzision, Technik und kluge, schnelle Entscheidungen. Dann ist es für mich das Optimum.“