RB LeipzigKommentar: Kein Spitzenteam teilt sich mit Rosenborg die Punkte!
Nicht viel ist zu Ende gegangen für RB Leipzig mit dem 1:1 gegen Trondheim Donnerstagabend. Die Europa-League – mehr nicht. Das Leben geht deshalb weiter, der Fußball sowieso, Sonntag kommt Mainz in die Arena, dann ist der Alltag zurück. Könnte man so sehen – oder auch nicht!
Von Martin Henkel
Alle, die sich nach der Partie vor die Kameras und Mikrophone wagten, waren „enttäuscht“, „bitter enttäuscht“, „riesig enttäuscht“ oder „extrem enttäuscht“. Das traf auf Konrad Laimer, Matheus Cunha, Willi Orban und Ralf Rangnick zu, wobei der Trainer, eher seine „Jungs“ damit meinte, als sich selbst.
Rangnick ist 60, also über 30 Jahre schon im Trainergeschäft und er hat solche Spiele wie das gegen Rosenborg schon en masse erlebt hat: Geführt, die anschließenden Chancen nicht verwertet – und dann der Ausgleich kurz vor Schluss, weil sich rächt, was vorher nicht erledigt wurde. Die alte Geschichte.
Die Einsatzzeiten werden schrumpfen
Aber so einfach wird RB Leipzig dieses Mal nicht fertigwerden mit einem Spiel, das die Sachsen so klar dominiert und am Ende trotzdem nicht gewonnen haben. Denn die wirkliche Enttäuschung kommt erst noch. Im Januar spätestens.
Die ersten, die das spüren werden, sind jene Spieler, die Rangnick als eine Art Europa-League-Garde aufgebaut hat: Saracchi, Mukiele, Laimer, Cunha, Bruma, Keeper Mvogo – und Augustin, den der Trainer erneut frühzeitig vom Platz nehmen musste, weil der Franzose offenkundig nur ungern zur Europapokal-Riege zählt. Er will eigentlich zu den Bundesliga-Jungs.
Man muss es dem Sportdirektor der Sachsen hochanrechnen, dass er mit seiner Rotationspolitik versucht hat, jedem Spieler Einsätze zu ermöglichen. Das schafft Frohsinn in der Kabine und unorthodoxe Experimente haben ohnehin ihren ganz eigenen Charme, denn es gibt nunmal nichts Gutes, außer man tut es. Gleichzeitig steht aber die Frage im Raum, ob es so klug war, diesen Ansatz bis zum Ende durchzuziehen. Jetzt nämlich ist eingetreten, was Rangnick ja unbedingt vermeiden wollte: Dass die zweite Reihe keine Einsatzmöglichkeiten mehr hat.
Unterschiedliche Ambitionen
Stürmer Timo Werner, der 90 Minuten auf der Bank saß, hatte dazu in der Nacht eine klare Meinung. Das käme dabei heraus, wenn man so wild rotiere, rief er im Vorbeilaufen den Kollegen des übertragenden Senders RTL Nitro zu. Sein Frust ließ ein wenig auf die Kulissen blicken, hinter denen es offenbar gar nicht so harmonisch zugeht, wie der Klub das nach außen hin gern vermittelt. Auch Spieler wie Laimer oder Sabitzer wiesen mit ihrer Kritik am mangelnden Einsatz mancher Kollegen deutlich daraufhin, dass der Kader von eher unterschiedlichen als gemeinsamen Ambitionen geprägt ist.
Die spannendste Frage läuft allerdings auch nach diesem Spiel wieder Gefahr, von den anderen in den Hintergrund gedrängt zu werden. Denn natürlich kann man der Liga Priorität einräumen, wenn man nur 17 gesunde Spieler zu Verfügung hat. Und natürlich kann man aus der Europa League ausscheiden, das ist anderen Klubs auch schon passiert. Aber wie kann es sein, dass ein Kader, der zur Spitze der Bundesliga gehören will, es nicht schafft, zu Hause den Tabellenletzten einer ohnehin nicht sonderlich hochkarätig besetzten Gruppe, der sich aufgrund des norwegischen Winters bereits im Jahresurlaub befindet und im gesamten Spiel zwei reelle Chancen auf einen Treffer hatte, zu besiegen. Und zwar klar. Und früh. Und notfalls mit der zweiten Garde. Wenn dieses Spiel eines gezeigt hat, dann dass RB Leipzig von einem Topteam genauso weit entfernt ist wie vergangenes Jahr.