Kommentar Klopp zu Red Bull: ein Befreiungsakt!
Er habe sich mit dem vermeintlichen Totengräber des deutschen Fußballs eingelassen, wird Jürgen Klopp vielerorts gerade vorgeworfen. Was dabei nicht in den Blick gerät: Die Anstellung bei Red Bull ist für den Charismatiker der Beginn eines neuen Lebens.
Leipzig – Mit der Verpflichtung von Jürgen Klopp als neuem Fußballchef ist Red Bull ein Coup erster Güte gelungen. In Deutschland wird zwar auch der volksnahe Trainer die Vorbehalte gegen den Getränkehersteller nicht beiseiteschaffen können, doch international darf sich der Großsponsor auf eine weitere Marken-Stärkung freuen.
Klopp und Red Bull: Welche Win-Win-Situation?
Nur, was verspricht sich Jürgen Klopp davon? Geld dürfte kaum eine vorgeordnete Rolle spielen, denn spätestens mit dem Gehalt aus den Liverpool-Jahren hat Klopp sicherlich ausgesorgt. Die vielen Werbespots tun ihr Übriges. Was aber dann? Trainer und Managements entwickeln?
Eine Win-Win-Situation ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen, allemal der 57-Jährige fortan Spiele seines früheren Herzensvereins Borussia Dortmund ohne Spott und Verachtung nicht mehr wird besuchen können. Doch genau darin offenbart sich vielleicht der tiefere Grund für die Liaison mit Red Bull: Sie ist ein Befreiungsakt.
Glaubt tatsächlich jemand ernsthaft, dass der smarte Fußballlehrer nicht weiß, worauf er sich einlässt? Oder dass er lediglich noch mehr Geld auf sein prallvolles Konto schaufeln will?
Held oder Betrüger?
Seit seiner Trainerstation in Mainz ist Jürgen Klopp zu einer Art Weißer Ritter geworden der die Ur-Werte des Fußballs gegen den bösen Kommerz verteidigt. An dieser Rolle hat er anfangs mitgestaltet. Spätestens aber seit seiner Zeit als Trainer des Folklorevereins BV Borussia Dortmund hat sie sich verselbständigt. Was klingt wie ein Segen, weil Klopp von Tausenden verehrt wird, ist im Grunde genommen Vereinnahmung – und deshalb eher Fluch. "Man stirbt entweder als Held", hat Klopp einmal über seinen Ruhm gesagt, "oder man wird zum Betrüger."
Wie grotesk der Aufschrei gerade anmutet, wird an der Bigotterie deutlich, mit der vor allem BVB-Fans und herzgebrochene Journalisten wie der Reporter des Redaktionsnetzwerkes Deutschland auf Klopps vermeintlichen Hochverrat reagieren, der dem angeblich Abtrünnigen doch ernsthaft einen Abschiedsbrief geschrieben hat. Der „Wahre-Liebe-Verein“, für den Klopp sieben Jahre tätig war, ist ein börsennotiertes Unternehmen und wird u.a. von einem Rüstungsfunternehmen gesponsert. Gleichzeitig werfen seine Fans Red Bull die Nähe zu volkstümelnden österreichischen Nationalisten vor.
Mehr Unsinn geht kaum. Das eine wie das andere ist Zeugnis einer längst weiterentwickelten Fußballwelt, in der das Vorgestrige von den meisten der 24 Kapitalgesellschaften der Bundesliga als Theaterstück aufgeführt wird, allein um ihren Markenkern zu stärken, meist den von anno dazumal. In diesem Zusammenhang stehen sich Red Bull und der BVB näher, als viele glauben mögen.
Der neue Klopp sagt "Hallo"
Sich aus dieser Vereinnahmung zu lösen und frei zu werden für die nächste Phase in seinem Leben, das dürfte der tiefere Grund für Jürgen Klopps Verlobung mit dem vermeintlich Bösen des deutschen Fußballs sein. Er hat der Vergötterung quasi mit dem größtmöglichen Affront ein Ende bereitet.
Der DDR-Liedermacher Wolf Biermann hat mal gesagt: "Nur wer sich verändert, bleibt sich treu." Der alte Jürgen Klopp mag sich am Mittwoch aus der Fußballwelt verabschiedet haben. Der neue hat gleichzeitig Hallo gesagt.