Kommentar zur Talentepolitik bei RB Identifikationsfiguren verscherbelt – Absage an neue lokale Helden
Tom Krauß ist gebürtiger Leipziger, hat von klein auf alle Nachwuchsmannschaften bei RB Leipzig durchlaufen und entstammt einer Dynastie erfolgreicher Leipziger Fußballer, die nun in vierter Generation aufrecht erhalten wird und deren Wurzeln bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Der 20-Jährige führt diese Tradition erfolgreich weiter, gehört in der U21-Nationalelf zu den besten Spielern auf seiner Position, hat sich im Männerfußball in der 2. Liga beim 1. FC Nürnberg durchgesetzt und geht nun in der Bundesliga beim FC Schalke seinen Weg.
Bei der Vertragsunterschrift bei den „Königsblauen” postete Krauß, er sei nun bei seinem „Herzensverein” angekommen. Ein Seitenhieb auf Leipzig. Denn eigentlich ist der Klub, den er im Herzen trägt, sein Ausbildungsverein RB Leipzig. Krauß wäre der erste Spieler gewesen, den die Leipziger komplett selbst ausgebildet haben und der nun den Sprung in die erste Mannschaft hätte schaffen können.
Tafelsilber aus dem Nachwuchs verramscht
Doch stattdessen haben sie dem Sechser/Achter Krauß den Laufpass gegeben. 500.000 Euro Leihgebühr und danach eine Kaufpflicht bei Klassenverbleib, von dem auszugehen ist, für weitere drei Millionen Euro. Das sind für RBL Peanuts, eine vergleichsweise geringe Ablöse, auf die der Klub nicht angewiesen ist. Es wirkt, als werde das Tafelsilber aus dem Nachwuchs verramscht. Das trifft nicht nur auf Krauß zu, sondern ist etwa bei Frederik Jäkel, ebenfalls einem Jungen aus der Region, ähnlich.
Es war erklärte Strategie des sogenannten Career Centers, diese Spieler in die 2. Liga oder in kleinere europäische erste Ligen zu verleihen, damit sie dort Spielpraxis sammeln. Doch welchen Sinn macht das für den Klub, wenn Toptalente wie Krauß und Jäkel dann nicht einmal die Chance bekommen, sich bei Rasenballsport durchzusetzen? Was hatte RB denn erwartet? Mehr als Stammspieler in ihren Leihklubs zu werden und zu U21-Nationalspielern zu avancieren, hätten sie nicht tun können.
Chance verspielt, lokale Helden aufzubauen
So wird auch die Chance verspielt, erstmals lokale Helden aufzubauen, mit denen sich die Fans hätten identifizieren können. Die Anhänger sind auf der Suche nach lokaler Identität bei Rasenballsport.
Der Klub muss sich nun generell überlegen, wie er künftig mit seinen besten Talenten verfahren will, um Spieler aus der eigenen Kaderschmiede ins Profiteam zu integrieren – falls das überhaupt gewünscht und das Nachwuchsleistungszentrum nicht nur Staffage ist. Es muss eine Aufgabe für den neuen Sportchef/Sportdirektor sein, endlich Stringenz in die Talentepolitik zu bringen.
Die Leipziger Fußballerdynastie Krauß wird nun einstweilen in Gelsenkirchen weitergepflegt.