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RB LeipzigLeipziger Virologe Liebert: „Auch Fußballer können an Covid-19 schwer erkranken und sterben”

Von Martin Henkel 27.04.2020, 10:08
Wie verletzlich sind junge Menschen?
Wie verletzlich sind junge Menschen? Imago/Christian Schroedter

Während Politik und Gesellschaft Wege aus der Coronakrise und ihren Folgen für das private und öffentliche Leben suchen, arbeitet auch der Profifußball an einem Neustart seiner Meisterschaft. Aber wie? Mit Tests, ist eine Antwort. Eine andere, bei einem Infektionsfall nicht gleich die gesamte Mannschaft in Quarantäne stecken zu müssen. Ist das praktikabel? Was ist mit der persönlichen Gefährdung der Spieler? Und wie steht er da der Fußball inmitten der Gesellschaft, wenn andere Sportarten längst das Ende ihrer Saisons beschlossen haben?

Die Pläne auf Eis legen

Über diese Fragen haben wir mit dem Leiter des Instituts für Virologie der Universität Leipzig, Prof. Dr. med. Uwe G. Liebert, gesprochen.

Herr Professor Liebert, der Profifußball hierzulande hat vergangene Woche ein Konzept vorgelegt, wie er bei einem Re-Start seiner Saison mit Spielen ohne Zuschauer die Unversehrtheit der Spieler und aller Beteiligten sicherstellen will. Was halten Sie von den Plänen?
Prof. Liebert: So leid es mir für den Fußball tut und ich verstehen kann, dass er seine Arbeit wieder aufnehmen will, aber für mich spricht vieles dagegen, dem Fußball die Rückkehr zu seinem Spielbetrieb zu erlauben.

Wieso sollte er nicht dürfen, was andere Branchen der Wirtschaft ebenfalls für sich reklamieren?
Er darf. Die Frage aber ist, wie hoch ist das Infektionsrisiko bei dem, was er vorhat? Der 9. Mai als Stichtag zum Beispiel ist aus meiner Sicht viel zu früh. Wir müssen erst einmal sehen, wie sich die vorsichtigen Lockerungen auf die Infektionszahlen auswirken. Bleiben die Zahlen tatsächlich niedrig oder steigen sie wieder an. Wenn man das sicher bewerten kann, dann kann über das eine oder andere nachdenken. Vorher rate ich dringend davor ab, in irgendeine Offensive zu gehen. Ich halte zudem das Risiko für zu hoch, die Gesundheit der Spieler zu riskieren.

Aus den Reihen des Fußballs heißt es, Profis gehören zu keiner Risikogruppe. Dass eine Erkrankung schwer verläuft, sei also nahezu ausgeschlossen.
Wir wissen noch nichts über die Langzeitfolgen einer Erkrankung mit Covid-19. Und in Leipzig hat es einen Verstorbenen gegeben, der war 31 Jahre alt. Keine Risikogruppe. Keine Vorerkrankungen. Es ist also möglich, auch in jungen Jahren an dem Virus schwer zu erkranken oder zu sterben. Das sollte man nicht runterspielen. Man kann also nicht ausschließen, dass für die Fußballer ein Risiko besteht.

Klubs und Verband wollen durch Tests 24 Stunden vor Anpfiff einer Partie sicherstellen, dass keine Infizierten den Rasen betreten. Reicht das aus?
Aus meiner Sicht nicht, denn der Spieler kann sich zwei Tage vor dem Spiel angesteckt haben. Erst nach 48 Stunden ist das Virus aber nachweisbar und der Infizierte ist ansteckend, er selbst braucht aber keinerlei Symptome haben.

Corona nicht wie im "Dekameron"

Sollte ein Spieler positiv getestet werden, beruft man sich auf die Richtlinien des Robert-Koch-Instituts und hält eine Kollektiv-Quarantäne für nicht zwingend erforderlich. Das Argument: Kontaktpersonen im Fußball gehören nicht in Kategorie eins, sprich u.a. zu Personen mit Gesichtkontakt über länger als 15 Minuten. Wie sehen Sie das?
Aus meiner Sicht sind alle mit einem Fußballer in Kontakt stehenden Menschen Kontakte ersten Grades. Und dann müssten sie alle in Quarantäne. Möglicherweise die gegnerische Mannschaft mit. Das sehe ich wirklich als Problem bei dem Ganzen.

Eine Möglichkeit, Infektionen auszuschließen, wäre eine Isolation aller Beteiligten über die gesamte Dauer der neun verbleibenden Spieltage.
Das ist eine tolle Idee, im Ernst. Aber ich bezweifle, dass sie funktioniert. Auf einem französischen Flugzeugträger haben sich neulich von 2000 Soldaten 1000 infiziert, obwohl sie nicht an Land gewesen waren. Es hat wohl ein einziger infizierter Soldat gereicht. Ich will damit sagen, es mag in Giovanni Boccaccios „Dekameron“ funktioniert haben, sich vor der Pest in Sicherheit zu bringen, aber das war ein Bakterium. Bei einem Virus ist das so gut wie aussichtslos – allemal bei so vielen Menschen.

Falls die Infektionszahlen in drei, vier Wochen ermutigend sind, dann...
... kann man die Lage neu bewerten. Aber was in drei Wochen ist, kann niemand vorhersagen.

Es gibt Stimmen, die sagen, wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben.
Ich denke, es ist vielen Menschen und deren Leben gegenüber unverantwortlich, so zu denken. Das Argument basiert darauf, dass wir irgendwann Herdenimmunität erreichen. Aber wir wissen gar nicht, ob die sich einstellt, wenn wir einmal das Virus hatten. Darüber gibt es aktuell keine validen Untersuchungen.

Was ist die Alternative?
Wir warten alle fieberhaft auf einen Impfstoff. Den werden wir aber bis Ende nächstes Jahr oder noch später nicht zur Verfügung haben. Wir müssen also durch ein Tal der Tränen, in dem wir unser Verhalten der aktuellen Situation anpassen. Das heißt, Abstand halten, Maskenpflicht und gründlich Händewaschen. Das wird auch nicht im Sommer vorbei sein. Ich kann verstehen, dass wir alle unser altes Leben zurückhaben wollen. Aber wir werden es für eine Weile nicht zurückbekommen.

Das Gespräch führte Martin Henkel.