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RB LeipzigMächtiger Schattenmann: Was der Aufstieg des früheren Journalisten Florian Scholz bei RB Leipzig mit Manchester City zu tun hat

Von Ullrich Kroemer 18.11.2021, 10:01

Wenn bei Spielen von RB Leipzig die Kamera auf die Tribüne zu Oliver Mintzlaff schwenkt, sitzt neben dem Klubboss meist Florian Scholz. Der frühere Journalist hat sich seit seinem Einstieg bei RB 2015 vom Mediendirektor und erstem Einflüsterer der Chefs in seiner aktuellen Funktion als Kaufmännischer Leiter Sport selbst zum Mit-Entscheider hochgearbeitet. Da RB Leipzig seit dem Abgang von Markus Krösche aktuell keinen Sportdirektor hat, geriet Scholz ebenso wie der technische Direktor Christopher Vivell, der unter anderem für Scouting und Spielphilosophie zuständig ist, stärker in den Fokus. Aktuell führen beide in der Hierarchie direkt unter Mintzlaff das sportliche Kompetenzteam bei RB an. Auch wenn im Januar oder spätestens im Sommer ein neuer Sportdirektor beginnt, soll der auf Augenhöhe mit Scholz und Vivell agieren.

Nach sieben Jahren, in denen der mächtige Ralf Rangnick als starker Sportdirektor die uneingeschränkte sportliche Expertise verkörperte, entschied RB nach dem Vorbild von Manchester City modernere und transparentere Klubstrukturen einzuziehen. Beim englischen Meister gibt es neben Sportdirektor Txiki Begiristain in Chief Football Operations Officer Omar Berrada einen ähnlichen Posten wie ihn Scholz bei RB innehat. Als Schnittstelle zwischen der 350-köpfigen Geschäftsstelle, dem Nachwuchs und den Profis spielt der 42-Jährige mittlerweile eine entscheidende Rolle als Chefstratege. „Das Geschäft ist extrem schnelllebig, dafür braucht es Nachhaltigkeit und eine moderne Struktur“, sagt Scholz im Gespräch mit MZ/RBlive im Medienraum am Cottaweg.

Scholz: „Richtige Themen setzen, klare Entscheidungen treffen, strategisch denken”

„Im Profisport verliert man sich auch mal in den Emotionen des Alltagsgeschäftes. Da hilft es sicher, die richtigen Themen zu setzen, klare Entscheidungen zu treffen, strategisch zu denken und mit Ruhe zu agieren”, erklärt Scholz seine Funktion. Dazu gehört auch mehr Transparenz als zuvor: Jeder soll wie in einem modernen Wirtschaftsunternehmen wissen, was der andere im Team tue. One-Man-Shows sind nicht mehr zeitgemäß. „Das ist sicher ein Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist und bei dem wir einige Entwicklungsschritte zu gehen hatten”, sagt er.

Doch ist der gelernte Medienmann, der nie selbst ambitioniert Fußball gespielt hat, der Richtige dafür, Rasenballsport mit in die Zukunft zu führen? Gerade weil es in den ersten Monaten unter Jesse Marsch nicht gut lief, werden die Struktur ohne starken Sportchef wie ihn etwa Max Eberl in Mönchengladbach verkörpert ebenso wie die Person Scholz von Beobachtern und Fans kritisch betrachtet. Hat ein Medienprofi genug fußballerisches Know-how einen Spitzenklub zu leiten?

„Warum sollte man sich nicht in eine neue Rolle hineinentwickeln dürfen?”

Scholz kennt die Vorurteile über ihn natürlich. Und sicher sind sie auch ein Grund dafür, dass er, der kaum Interviews gibt und sonst stets im Hintergrund arbeitet, nun öffentlich gegensteuert. „Warum sollte man sich auch nicht in eine solche Position und eine neue Rolle hineinentwickeln dürfen, wenn man das Sport-Verständnis, die nötige Expertise und das Netzwerk mitbringt und den Verein sehr gut kennt?”, fragt er. Schließlich gibt es anders als bei Trainern keine einheitliche Ausbildung für den Job als Manager eines Bundesligisten. Der Mainzer Christian Heidel war einst Autoverkäufer und der kommissarische DFB-Präsident Peter Peters begann als Journalist (wie übrigens auch seine unglücklichen Vorgänger Wolfgang Niersbach und Reinhard Grindel). „Wichtig sind die notwendigen Management-Skills und die Fähigkeit, klare Entscheidungen treffen zu können. Daran wird jeder in unserer Branche öffentlich gemessen, und an den Ergebnissen natürlich“, weiß auch Scholz.

Der gebürtige Hamburger, der auch BWL studierte, betrieb Hockey als Leistungssport, war mit dem Uhlenhorster HC 2002 Deutscher Meister in der Halle, stand 2003 im Champions-League-Finale und absolvierte ein Länderspiel. Nach seinem Wechsel nach Berlin führte er den Berliner HC mit dem Siegtor im entscheidenden Spiel zum Aufstieg in die 1. Liga. In dieser Zeit habe er in einem Mannschaftssport „taktische und technische Anforderungen auf höchstem Niveau” kennengelernt, betont Scholz. Mit 26 Jahren beendete er seine aktive Karriere, um für den Springer-Verlag zunächst über Hansa Rostock und Hertha BSC zu berichten; 2015 wechselte er die Seiten und öffnete die Medien-Auster RB. Einen Unfall-Skandal mit Verlust des Führerscheins ließen ihm Mintzlaff & Co. durchgehen und bremste seine Karriere nicht.

Im Sommer etwa 50 Verträge auf dem Tisch

In der abgelaufenen Transferphase im Sommer nun, die Mintzlaff als das „von den Prozessen und Abläufen her das mit Abstand beste Transferfenster” in der Klubgeschichte bezeichnete, war Scholz so stark eingebunden wie nie zuvor. Vor allem bei den Vertragsverlängerungen von Emil Forsberg, Dominik Szoboszlai, Peter Gulacsi und Amadou Haidara zeichnete er verantwortlich; dazu managte er den Umbruch im Trainerteam mit insgesamt 24 Mitarbeitern. Etwa 50 Verträge – Vertragsverlängerungen, -Auflösungen und Neuverpflichtungen – gingen über die Schreibtische von Scholz und seinem Team. Dazu zählten auch die umstrittenen Abgänge von Julian Nagelsmann und seinem Trainerstab sowie Kapitän Marcel Sabitzer.

„Wir sind am 1. September aufgewacht und waren sehr glücklich, weil wir nicht nur personell, sondern auch prozessual und finanziell die Ziele erreicht haben, die wir uns gesetzt hatten”, betont Scholz. „Wir haben in jeder Ebene im Profibereich hohe Expertise.” Die soll sich nun bis zur Winterpause auch in dauerhaftem Erfolg niederschlagen. „Wir wollen so schnell wie möglich noch mehr Konstanz bei den Abläufen, Spielen und somit auch bei den Ergebnissen erreichen, sodass die Rädchen weiter ineinandergreifen”, sagt Macher Scholz. Mit 30 Punkten auf dem Konto sowie in der Europa League zu überwintern, ist der Plan. Dafür ist ein Zwei-Punkte-Schnitt in den verbleibenden sechs Hinrundenpartien nötig. Ein Auswärtssieg am Samstag in Hoffenheim (15.30 Uhr) wäre dafür eine gute Basis. (RBlive/ukr)