Leipziger Man-City-Legende Uwe Rösler „Backstage bei Oasis”: Die wilden 1990er in Manchester
Der in Leipzig ausgebildete Uwe Rösler, einst Spieler von Lok und Chemie, ist bei Manchester City noch immer ein Held. Er wird von den Fans nach wie vor gefeiert und hat mit den „Citizens” einiges erlebt. Als erster Deutscher bei Man City seit Bert Trautmann hat er Pionierarbeit auf der Insel geleistet. Im Interview mit MZ/RBlive spricht er über das alte Manchester City, Abende mit Oasis, schwarzen Humor, seinen „Freund” Marco Rose und seine Prognose des Rückspiels im Champions-League-Achtelfinale zwischen Man City und RB Leipzig (21 Uhr).
Herr Rösler, Sie kamen im Frühjahr 1994 bei Manchester City an. Was waren Ihre ersten Eindrücke, wie wirkte der Klub damals auf Sie?
Uwe Rösler: Man City war damals ein traditionsreicher, etablierter Arbeiterverein in der Premier League, der allerdings gerade keine gute Phase hatte und gegen den Abstieg kämpfte. Aber die Fans unterstützten uns enorm, auch später in der 2. Liga waren immer 30.000 da, immer volles Haus. Manchester United war mehr der globale Klub, der weltweit ausstrahlte. Man City war der Verein in Manchester. Very british, im Kader waren viele Iren, Schotten und Waliser. Ich war einer von nur fünf Ausländern.
Dass Sie als Deutscher verpflichtet wurden, war zu diesem Zeitpunkt eine absolute Ausnahme in der Premier League.
Ich war der erste Deutsche seit Bert Trautmann in den 1960ern, der in der Premier League wieder Fuß gefasst hat. Erst danach kamen andere wie Steffen Karl und Maurizio Gaudino, Jürgen Klinsmann, Eike Immel, Michael Frontzeck und Kalle Riedle. Da wurden die deutschen Spieler begehrter, auch weil die Premier League sich als erste Liga international vermarktete und viel Geld generierte.
„Es war für uns eine Ehre, für diesen Verein zu spielen”
Wie wurden Sie aufgenommen?
Deutsche Spieler waren bei Manchester City nie ein Feindbild. Da hat Bert Trautmann nach dem Krieg unheimlich viel für unser Land geleistet. Ich wurde freundlich aufgenommen, habe mich vom ersten Tag an wohlgefühlt und habe Englisch-Unterricht bekommen. Ich konnte ja anfangs so gut wie kein Englisch. Das englische Leben liegt mir. Das war meine schönste Zeit als Fußballer, aber auch familiär. Ich habe meine Frau dort kennengelernt, meine Kinder sind in England aufgewachsen und haben dort gespielt. Ich fühle mich mit England und speziell Man City sehr verbunden.
Die Fans haben Ihnen wegen vieler wichtiger Tore einen eigenen Song gewidmet und sie als „Oooo-veyh“ Rösler gefeiert.
Ich kam zusammen mit zwei anderen Spielern. Wir haben uns voll mit dem Verein identifiziert, es war für uns eine Ehre, für diesen Verein zu spielen. Paul Walsh war mein Sturmpartner, wir haben beide zweistellig in unserer ersten vollen Saison getroffen. Das war der Fußball, den die Fans sehen wollten.
„Uwes grandpa bombed Old Trafford”
Wie kam es eigentlich zu dem berühmten Shirt mit der Aufschrift: „Uwes grandpa bombed Old Trafford”?
Eines Tag kam jemand vom Verein auf mich zu, ob ich einverstanden sei, dass sie dieses Trikot im Fanshop verkaufen. Ich habe nicht groß darüber nachgedacht und zugestimmt. Das Shirt war ein Topseller, die 5000 Stück wurden alle verkauft. Ich habe sogar noch eins im Schrank. Das ist typisch schwarzer, britischer Humor. Ich habe in England gelernt, auch über mich selbst zu lachen.
ManCity war früher an der Maine Road zu Hause. Was strahlten die Arena und das Viertel aus?
Das Viertel war nicht gerade das Aushängeschild von Manchester. Das Stadion habe ich geliebt. Die Atmosphäre war unvergleichlich – Gänsehaut! Für die Entwicklung des Vereins war es absolut notwendig, in das neue Stadion zu ziehen und eine neue Infrastruktur zu entwickeln. Das war ja für die Commonwealth-Games gebaut worden und City hat das übernommen. Aber rein emotional erlebt man eine solche Stimmung, wie sie damals an der Maine Road herrschte, heute im Etihad Stadium nicht mehr. Das lässt sich emotional nicht vergleichen.
„Abends vor dem Spiel drei, vier Bier getrunken”
Vor dem Spiel sind Ihre älteren Teamkollegen in die Sauna gegangen, um sich zu erwärmen, haben Sie mal erzählt. Nach den Spielen saßen Sie in der Vereinskneipe mit den Gegnern beisammen. Wie war das Leben damals als Profi in England?
Ja gut, in Deutschland sind wir nach dem Spiel auch in die Disko gegangen. Das war generell im Fußball eine ganz andere Generation. Bei Dynamo Dresden oder dem 1. FC Nürnberg saßen wir abends vor dem Spiel zusammen, haben Ran bei Sat.1 geguckt und auch drei, vier Bier getrunken.
Und bei City?
Als ich zu City kam, stand der Teamgedanke im Vordergrund. Die Mannschaft hat unheimlich viel zusammen unternommen: Golf gespielt, mal einen zusammen getrunken, Fasching gefeiert. Wenn du dich angepasst und mit dem Leben identifiziert hast, wurdest du mit offenen Armen empfangen. Die Jungs haben mich von Anfang an immer mitgenommen, das war ein wenig wie früher bei Chemie Leipzig. Ich habe mich unheimlich wohl und akzeptiert gefühlt.
Wie war das Leben in Manchester damals?
Manchester hat sich damals in den 1990er Jahren mit Oasis, den Stone Roses und dem Club Hacienda als Musikstadt entwickelt, zum Powerhouse des Nordens. Das war auch vom Leben her eine wunderschöne Zeit.
Die Gallaghers sind große ManCity-Fans. Hatten Sie damals Kontakt?
Natürlich kannten wir die. Sie waren nach unseren Spielen mit in der Players Lounge, zu der sonst nur die Spieler und die Familien Zutritt hatten. Und wir waren backstage bei ihren Konzerten. Oasis sind brutale City-Supporter, wir haben ein ähnliches Alter und damals immer mal was zusammen unternommen.
Wie viel City von dem, wie Sie es kannten, ist heute noch vorhanden?
Der Verein hat sich unheimlich entwickelt. Ich bin sehr froh, dass die neuen Besitzer investiert haben, weil sie alles gehalten haben, was sie versprochen hatten. Sie haben nicht nur den Klub vorangebracht, sondern auch die Stadt. Was viele nicht wissen oder vergessen: Scheich Mansour hat auch East Manchester entwickelt, das war von der Industrie verseuchtes Brachland, das hat er entsorgt, neutralisiert und eine Stadt in der Stadt entwickelt, Arbeitsplätze geschaffen.
United vs. City: „Das Blatt in Manchester hat sich gewendet”
Wie stehen die Fans zum neuen glitzernden Antlitz des ehemaligen Arbeiterklubs?
Die Fans von Manchester City mussten Ende der 1990er, Anfang der 2000er Jahre vieles mitmachen. Jetzt ist die Zeit da, in der auch regelmäßig Titel gefeiert werden. Jeder Fan ist den neuen Besitzern sehr dankbar. Das Blatt in Manchester hat sich gewendet.
Sie haben in Leipzig Ihre Karriere begonnen. Wie beurteilen Sie Situation bei RB aktuell?
Ich freue mich für meinen Freund Marco Rose. Endlich hat mal ein Leipziger RB übernommen! Das haben viele Leute unterschätzt, dass die Fans mal einen Trainer aus der Region auf dieser Position sehen wollten. Leipzig kann keinen besseren Trainer bekommen als Marco. Er hat vollstes Vertrauen, der Fußball ist gut, die Ergebnisse sind gut.
„Endlich hat mal ein Leipziger RB übernommen!”
Welche Chancen darf sich RB in Manchester ausrechnen?
Fußball läuft nicht immer normal, aber wenn alles normal läuft, dann wird City weiterkommen. Das lassen sie sich im eigenen Stadion nicht nehmen, dafür sind sie einfach zu stark. Aber Leipzig wird eine Herausforderung werden. Da muss City auf der Hut sein. Sie werden relativ viel den Ball haben, RB braucht ein erstklassiges und effizientes Umschaltspiel. Aber Leipzig wird seine zwei, drei Chancen bekommen. Die müssten sie nutzen.
Schlagen bei diesem Spiel zwei Herzen in Ihrer Brust?
Ich bin zwar gebürtiger Altenburger, aber bin an der Sportschule in Leipzig aufgewachsen, hatte bei Lok meine Ausbildung und eine schöne Zeit bei Chemie. Ich fühle mich als Leipziger, auch wenn ich seit vielen Jahren nicht mehr in der Stadt lebe. Aber was den Verein angeht, ist City mein Verein.
Erling Haaland hat viele Stärken. Welche beeindruckt sie am meisten?
Dass er sich an jedes Level anpasst, auf das er sich begibt. Er adaptiert in kürzester Zeit das nächst höhere Niveau und meistert das. Er hat kaum Rückschläge. Wie er mental den Erwartungsdruck meistert, sich immer weiter verbessert im Kombinationsspiel, im Kopfballspiel, bei der Boxbesetzung, im Abschluss, immer im richtigen Moment an der richtigen Stelle steht und bei seinen tiefen Läufen kaum ins Abseits läuft, ist phänomenal.
Sie trainieren GF Aarhus in der dänischen Liga. Was haben Sie sich mit dem Klub vorgenommen?
Aarhus wäre in der vergangenen Saison fast abgestiegen, hat sich gerade mit einem Punkt gerettet. Jetzt sind wir Vierter und stehen vor der Qualifikation für die Top-6-Playoffs. Wenn wir das schaffen, wäre das eine große Leistung der Mannschaft. Wir haben uns in allen Dingen verbessert, haben mit dem Abstieg nichts zu tun. Der Anspruch des Vereins ist, oben mitzuspielen. Ich baue dieses Haus vom Fundament her auf. Das macht Spaß in dieser umkämpften Liga mit vielen unterschiedlichen Spielweisen.