Memmerts Taktik-Kolumne: „RB als Härtetest für das Mindset der Leverkusener”

Prof. Dr. Daniel Memmert ist geschäftsführender Institutsleiter und Professor am Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule Köln. Er besitzt Trainerlizenzen in den Sportarten Fußball, Tennis, Snowboard sowie Ski-Alpin und ist Herausgeber und Autor von Lehrbüchern zum modernen Fußballtraining. Sein Institut kooperiert mit verschiedenen Fußball-Bundesligisten, dem Deutschen Fußball-Bund sowie DAX-Unternehmen.

In der Kolumne Memmerts Taktik-Sprechstunde widmet sich der Experte aktuellen Themen mit Bezug zu RB Leipzig. Im ersten Teil der Reihe analysiert er vor dem Topduell von RB gegen Bayer Leverkusen die Stärke von Leipzigs Rückrunden-Auftaktgegner:

Ich habe Leverkusen in dieser Saison mehrfach beobachtet und war jedes Mal von Victor Boniface beeindruckt. Durch seine Körperlichkeit, Schnelligkeit, Wendigkeit, Spielintelligenz und seinen Abschluss ist er ein unfassbarer Spieler. Er kann Tore aus dem Nichts erzielen. Dass er aktuell fehlt, wiegt unglaublich schwer für Bayer. Das ist ein klarer Vorteil für die Leipziger. Auch Patrick Schick ist zweifellos ein starker Stürmer, aber nach seiner langen Verletzungspause nicht auf dem Leistungsstand wie Boniface in der Hinrunde.

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Darüber hinaus imponiert mir das Bayer-Spiel über die Außenbahnen. Da bringen sie nicht nur extreme Geschwindigkeit mit, sondern auch Spielintelligenz. Die beiden Außenverteidiger Jeremie Frimpong und Alejandro Grimaldo sind vor allem sehr schlaue Spieler in der Entscheidungsfindung und stark im Eins gegen Eins.

Das tut dem Leverkusener Spiel äußerst gut. Auf diesen beiden Positionen sehe ich Leverkusen im Vergleich mit RB Leipzig klar überlegen. Vor allem auf die gefährliche rechte Angriffsseite der Leverkusener muss Leipzig achtgeben, wo einerseits Odilon Kossounou schlaue Laufwege nach vorne macht, andererseits mit Jonas Hofmann ebenfalls ein äußerst spielintelligenter Offensivmann agiert. Gerade auch, weil RB auf der linken Abwehrseite bisweilen anfällig ist. Das hat auch das Hinspiel gezeigt.

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Und mein dritter Punkt ist die Stärke der Innenverteidiger in der Spieleröffnung. Als ich Bayer gegen Frankfurt gesehen habe, hat die Eintracht bis zum Gegentor extrem hohes Pressing gespielt, um Leverkusen früh zu stören und massiv im Spielaufbau unter Druck zu setzen. So wie das phasenweise auch bei RB praktiziert wird. Damit lässt sich natürlich auch Leverkusen in Bedrängnis bringen, obwohl die Innenverteidiger wie Jonathan Tah oder auch Odilon Kossounou extrem viel Ruhe am Ball haben und absolut stressresistent sind.

Dennoch sollte es Leipzigs Waffe sein, hoch und aggressiv zu pressen. Der Matchplan von RB sollte klar die eigenen Stärken ins Zentrum rücken

Über dem Spiel steht für mich die Frage, ob sich Leverkusen den Nimbus der Unbesiegbarkeit bewahrt und auch in Leipzig ungeschlagen bleibt.

Generell denke ich: Dadurch, dass der Eisbrecher Boniface fehlt, wird es Leverkusen in der zweiten Saisonhälfte deutlich schwerer haben. Die Selbstverständlichkeit, die er ausstrahlte, darf Bayer nicht abhandenkommen. Doch das ist nicht leicht. Unterschiedsspieler, wie er einer ist, machen vor allem ihre Mentalität aus. Er verkörpert das Mindset eines Gewinners, das die ganze Leverkusener Mannschaft in sich trägt. Die Aufgabe von Bayer-Trainer Xabi Alonso ist es nun, es hinzubekommen, dass sich der Spitzenreiter diese Siegermentalität bewahrt. Deswegen war der knappe Sieg in Augsburg so wertvoll. Nun kommt mit RB ein Gegner auf gleicher Augenhöhe – ein echter Härtetest für das Mindset der Leverkusener.

Memmert postet auch auf seinem YouTube-Kanal spannende Inhalte zum Thema Spielanalyse. Via LinkedIn können Sie mit ihm in Kontakt treten.