„Habe diese Konstellation noch nie erlebt” Blaswich spricht über Torhüter-Duell mit Gulacsi
„Jaaaaaa!“ Der Schrei von Janis Blaswich war so kraftvoll und druchdringend, dass ein Raunen über die Ränge am Cottaweg ging, als der Torhüter von RB Leipzig im öffentlichen Training einen hohen Ball wegfing. Kein Zweifel: Leipzigs aktuelle Nummer eins ist vor dem Bundesligastart voller Selbstvertrauen und erneut in glänzender Form. Im Gespräch mit MZ-/RBlive-Reporter Ullrich Kroemer spricht er über das Duell mit Routinier Peter Gulacsi, sein spätes Karrierehoch, den Bundesligastart bei Bayer Leverkusen (Sa., 15.30 Uhr) und neue Titelziele.
Janis, Sie gehen erstmals als Nummer eins im Tor von RB Leipzig in die neue Bundesliga-Saison. Wie gehen Sie das an?
Janis Blaswich: Zunächst mal pusht mich persönlich und uns als Mannschaft der Sieg gegen Bayern im Supercup. Es ist ein gutes Gefühl, mit einer guten Leistung und einem Titel in die Saison zu starten. Vielleicht setzt das insgesamt noch einmal ein paar Prozent frei.
„Gesunder Konkurrenzkampf ist auch im Tor wichtig”
Jeder schaut auf das Duell zwischen Ihnen und Peter Gulacsi im Tor. Wie nehmen Sie diesen Zweikampf selbst wahr?
Wir brauchen jeden Einzelnen von uns im Kader und Qualität auf jeder Position. Insofern ist es schön, wenn Pete bald wieder bei 100 Prozent ist, weil auch im Tor ein gesunder Konkurrenzkampf wichtig ist. Ich bin auch persönlich ein Typ, der das lebt, weil man sich so gegenseitig pushen und etwas für sich persönlich herausziehen kann.
Brauchen Sie die öffentliche Bestätigung, weiter die klare Nummer eins zu sein, oder werden die Karten neu gemischt, wenn Pete Gulacsi wieder voll fit ist?
Im Fußball geht es stets um Leistung. Man muss diese Leistung als Profi immer wieder bestätigen und an sein Limit gehen. So macht man dem Trainer Entscheidungen so schwer wie möglich. Dafür arbeite ich in jedem Spiel und in jedem Training.
„Kein Typ für große Sprüche”
Könnte das nicht im Laufe der Saison zu einer schwierigen Konstellation führen, wenn der langjährige Platzhirsch Pete Gulacsi seine Rolle zurückbeansprucht?
Pete wird natürlich alles geben, um nach der langen Verletzung wieder zu spielen. Ich werde mich ebenso empfehlen und alles geben. Aber ich bin kein Typ, der mit großen Sprüchen und Ansagen um die Ecke kommt. Dazu stehe ich, so bleibe ich und werde das auch in der aktuellen Situation nicht verändern. Am Ende entscheidet die eigene Leistung – und der Trainer.
Wie stehen Sie zu einer Arbeitsteilung zwischen Ihnen und Peter Gulacsi in verschiedenen Wettbewerben?
Erlebt habe ich eine solche Konstellation noch nicht. Fakt ist, dass wir als Verein um Titel spielen. Am Ende ist entscheidend, dass wir als Team erfolgreich sind.
Wie erleben Sie Pete Gulacsi im täglichen Training?
Ganz normal, ehrgeizig und fokussiert wie jeder Spieler bei RB Leipzig. Ich nehme es als gesunden Wettbewerb untereinander wahr, unser Verhältnis hat sich nicht verändert. Wir fordern und pushen uns gegenseitig.
Aber Sie unternehmen keine gemeinsamen Familienausflüge?
Nein, das kam bisher noch nicht vor.
Sie kamen 2022 aus den Niederungen der niederländischen Liga nach Leipzig und gehen jetzt als Stammkeeper eines Champions-League-Teams in die Saison. Haben Sie Ihr Torwartspiel bei RB noch einmal veredelt?
Die Frage ist etwas despektierlich gegenüber meinem vorherigen Klub. Was wir dort gemacht haben, war auch nicht blind, da konnte ich mir in den für mich richtigen Schritten das nötige Rüstzeug holen. Aber ich bin bereit und offen Neues zu lernen, kann hier auch mit über 30 Jahren noch viel mitnehmen. Das Torwarttraining bei RB Leipzig ist in Deutschland und international gesehen ganz weit vorn.
Ich habe im Spiel eigentlich nie das Gefühl, dass ich vor eine völlig neue Situation gestellt werde.
Janis Blaswich
Konkret: In welchen Elementen haben Sie auf Topniveau nochmal eine Schippe draufgelegt?
Es geht darum, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das hat viel mit dem Stellungsspiel und dem taktischen Verhalten zu tun, wie man seine Position anpasst und in welchem Tempo man das tut. Ich habe im Spiel eigentlich nie das Gefühl, dass ich vor eine völlig neue Situation gestellt werde. Bei RB Leipzig wird sehr spielnah trainiert, aber auch mit vielen Analysen von Bewegungsabläufen. Das sind Details, die einen großen Effekt haben.
„War mit 18, 19, 20 noch nicht reif für die Bundesliga”
Hatten Sie vor der Anfrage von RB überhaupt noch damit gerechnet, Ihr Können auf diesem Niveau zeigen zu dürfen?
Mit etwas zu rechnen, ist im Fußball schwierig. Aber es war immer mein Traum und mein Ziel, mich in der Bundesliga und auch der Champions League zu beweisen. Ich setze mir persönlich jährlich neue Ziele, die ich Stück für Stück abarbeite. Aber ich kann sagen: Obwohl ich erst mit 31 Jahren mein Bundesliga-Debüt hatte, würde ich alles wieder genauso machen.
Zum Beispiel?
Ich war mit 18, 19, 20 Jahren einfach noch nicht bereit für die Bundesliga. Das muss ich heute so klar sagen. Also bin ich 2015 aus dem Bundesligateam von Borussia Mönchengladbach in die 3. Liga zu Dynamo Dresden gegangen. Das war damals genau der richtige Schritt, um auch vor einem großen, frenetischen Publikum meine Leistung zu zeigen. Ich würde das jungen Spielern genauso empfehlen, wenn man nicht direkt den Durchbruch nach ganz oben schafft. Dieser Weg war auch für meine persönliche Entwicklung sehr wichtig.
War es nicht riskant, sich 2022 für RB Leipzig zu entscheiden? Peter Gulacsi war bis zur vergangenen Saison nie länger verletzt und uneingeschränkte Nummer eins.
Als Nummer zwei wollte ich nur zu einem Topklub in der Bundesliga wechseln. Bei RB Leipzig habe ich die Chance bekommen, Bundesliga zu spielen.
Familienmensch: Blaswich privat
Was verleiht Ihnen diese Ruhe im Tor?
Ich bin zum einen einfach von meiner Persönlichkeit her ein ruhiger und gelassener Typ. Zum anderen erarbeitet man sich im Training mit den Abwehrspielern Lösungen, ruhig und sicher zu bleiben, wenn der gegnerische Stürmer einen mal hoch anläuft und presst.
Was sind Sie privat für ein Typ?
Ich bin ein Familienmensch, versuche viel Zeit mit meiner Frau und meinem Sohn zu verbringen. Natürlich auch mit den Jungs, wenn wir abends beispielsweise zusammen Essen gehen. Meine Freizeit verbringe ich am liebsten draußen im Freien. Ich liebe das Reisen, versuche, viel von der Welt zu sehen. In diesem Sommer waren wir in Griechenland, um die Inseln zu entdecken.
„Kann selbst im Kampf um den Meistertitel interessant werden”
Wie kompliziert wird das erste Bundesligaspiel gegen Bayer Leverkusen?
Mein Gefühl sagt mir: Leverkusen wird oben mitspielen, durch die Namen, die sie geholt und gehalten haben. Mit Bayer ist zu rechnen. Aber wir haben uns auch sehr gut verstärkt, obwohl wir auch Leistungsträger verloren haben. Ich kann schon nach den wenigen gemeinsamen Wochen sagen: Auch die neuen Jungs fühlen sich in unserer Mannschaft zu 100 Prozent wohl. Wir haben einfach gute Charaktere im Team, die es neuen Spielern leicht machen, hier anzukommen. Im Trainingslager haben wir ein paar Abende zusammen verbracht und wollen das hier in Leipzig beibehalten, dass die gesamte Mannschaft was zusammen unternimmt. Die Grundlage ist also gelegt. Wie eingespielt wir tatsächlich schon sind, werden die ersten Spiele zeigen.
Ist das RB-Team trotz der namhaften Abgänge mindestens genauso gut besetzt wie in der Vorsaison?
Das müssen wir zunächst bestätigen. Wir haben wichtige Spieler verloren, aber auch andere Qualität gewonnen. Wir müssen als Team zusammenwachsen. Dann wird man sehen, wie erfolgreich wir sein können. Sicher gibt es dann auch schwierigere Phasen zu meistern.
Ist es innerhalb Ihres Horizonts, trotz des Umbruchs den Meistertitel anzugreifen?
Wir haben Spieler mit hoher Qualität dazugeholt, die es uns ermöglichen, erneut um Titel zu spielen. Wir wissen, dass es aufgrund des Umbruchs eine gewisse Zeit dauern kann. Aber wenn die Integration weiterhin so gut gelingt und wir es schaffen, ohne Schwächephasen durchzukommen, kann es selbst im Kampf um den Meistertitel interessant werden.