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Torwarttrainer Gößling im Interview Leipzigs Keeperpuzzle: So läuft das Duell um die Nummer eins im Tor

Von Ullrich Kroemer Aktualisiert: 31.05.2023, 08:21
Hat eine eigene RB-Torwartschule aufgebaut: Frederik Gößling.
Hat eine eigene RB-Torwartschule aufgebaut: Frederik Gößling. (Foto: imago/Picture Point LE)

Konstanz und Klasse: Seit 2015 verantwortet Frederik Gößling das Torwarttraining bei RB Leipzig. Der gebürtige Bielefelder (ein Bundesligaspiel) sorgt mit einer klaren Torhüter-Philosophie und beeindruckender Personalpolitik dafür, dass RB auf dieser Position seit Jahren perfekt aufgestellt ist und auch in Zukunft aufgestellt sein wird. Für MZ/RBlive nahm sich der 45-Jährige Zeit für ein Gespräch über die Klasse von Janis Blaswich, das Comeback von Peter Gulacsi, die Leipziger Torwartschule und das Torhüterpuzzle bei RB.

>>> Weiterlesen: Torwartfrage – Blaswich und Gulacsi im Statistikvergleich

Herr Gößling, Janis Blaswich hat in dieser Saison Peter Gulacsi nicht nur beeindruckend stabil ersetzt, sondern auch eigene Akzente gesetzt. Woran machen Sie seine Extraklasse fest?
Frederik Gößling: Thomas Schlieck (Head of Global Goalkeeping, Anm. d. Red.) und ich kennen Janis schon lange, haben seinen Weg genau verfolgt, auch die vergangenen vier Jahre, bevor er zu RB kam, als er in Holland Kapitän und Leistungsträger war. Das hat ihn enorm gestärkt. Zwar kamen dann die Schritte zum ersten Bundesliga- und Champions-League-Spiel durch Petes schwere Verletzung schneller als vermutet. Aber ich finde auch, dass er das sehr selbstverständlich gelöst hat, wir hatten kaum Reibungsverlust. Janis hat unsere Prinzipien extrem schnell angenommen, ist ein schlauer Kopf. Er ist offen für Input, kam mit dem Willen hierher, sich auch mit 31 noch weiterzuentwickeln. Er hat hier die Chance gesehen, sich fast ausschließlich mit A-Nationalspielern im Training messen zu können und ein besserer Torwart zu werden.

RB-Torwarttrainer Gößling: „Das hat mit Raum und Zeit zu tun”

Welches Element ist Ihnen besonders wichtig?
Für uns ist immer wichtig, dass ein Torwart ein hohes Spielverständnis mitbringt. Das RB-Spielsystem ist anspruchsvoll für einen Torwart: Wir spielen mit einer sehr hohen Abwehrkette, verteidigen viel nach vorn. Es gibt oft viel Raum zwischen dem letzten Abwehrspieler und dem Torhüter. Die Keeper brauchen ebenfalls eine hohe Position und müssen bei Ballverlusten immer bereit sein, Bälle abzulaufen, die hinter die Kette gespielt werden. RB-Keeper gehören europaweit zu den Torhütern, die die meisten Bälle außerhalb der Box klären. Das lernt man nicht von heute auf morgen, das hat viel mit Raum und Zeit, dem richtigen Timing und Erfahrung zu tun. Janis bringt dafür von seiner Persönlichkeit, dass er mutig spielt, sich voll auf unser Spiel einlässt und das Spiel mit beiden Füßen variabel aufbaut, alles mit. Das hat dazu geführt, dass er sich schnell zurechtgefunden hat.

Er stand als über 30-jähriger Torhüter in Almelo nicht unbedingt im Fokus. Wie haben Sie gerade ihn herausgefischt?
Zum einen ging es um die Altersstruktur. Wir hatten in den Jahren zuvor Torhüter, die dem typischen RB-Beuteschema entsprachen: Marius Müller, Yvon Mvogo, Josep Martinez. Alles junge, hochveranlagte Torhüter. Da Pete Gulacsi so stabil gespielt hat, war es spätestens im zweiten oder dritten Jahr höchste Zeit, dass die jungen Herausforderer einen anderen Weg einschlagen und anderswo regelmäßig spielen. Also haben wir dann einen etwas erfahreneren Spieler gesucht, der trotzdem im Fall der Fälle nahtlos unsere Erwartungen umsetzen kann. Dass er etwas aus dem Blickfeld geraten war, hat keine Rolle für uns gespielt. Wir hatten genug Fantasie, dass er sich in diesem Umfeld bei RB noch einmal weiterentwickeln kann.

Gulacsi „schlau aufbauen und nicht überpacen”

Nun stehen Sie vor der schweren Aufgabe, nach der Rückkehr von Pete Gulacsi mit zwei Nummer-Eins-Torhütern in die neue Saison zu gehen. Wie moderieren Sie dieses Duell?
Ich würde bei Pete zunächst noch in kleinen Schritten denken. Er ist gerade seit ein paar Wochen wieder auf dem Platz. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich ihn wieder in Handschuhen sehe. Mein Ziel in der Arbeit mit ihm ist es zunächst, ihn gesund und stabil unter Vollbelastung auf den Platz zu kriegen und seine torwartspezifischen Abläufe schnell wieder zu festigen. Er hat das sein Leben lang gemacht, er wird sicher kein halbes Jahr brauchen, bis er wieder Gefühl für das Tor und seine Position bekommt. Aber es gilt jetzt erst einmal, ihn Schritt für Schritt schlau aufzubauen und nicht zu überpacen, damit das Knie dauerhaft hält. Alles weitere wird sich ergeben.

Wird er zur Saisonvorbereitung wieder fit genug sein, diesen Konkurrenzkampf mit Janis Blaswich voll aufnehmen zu können oder dauert das noch länger?
Ich glaube, er wird was die Stabilität des Knies angeht, zu Beginn der Vorbereitung im Juli voll belastbar sein. Wie schnell all das andere – Gefühl für Raum und Zeit, Timing, Geschmeidigkeit bei der Landung, die gesamte Komplexität des Torwartspiels – wieder zurückkommt, muss sich zeigen. Das ist kein Fingerschnippen, aber das werden wir wieder freilegen.

Örjan Nyland wird das Team verlassen. Wie wird das Torhüterteam generell aufgestellt sein in der neuen Saison?
Wir planen mit Janis und Pete, Pete und Janis (lacht). Örjan Nyland hat das herausragend gemacht. Wir haben ihn in einer Nacht- und Nebelaktion verpflichtet, am Freitagmittag nach der Verletzung von Pete Gulacsi stand er hier, hatte sein Trainingsshirt an und war bereit. Das Transferfenster war bereits geschlossen. Wir haben die mit Abstand beste Lösung in kürzester Zeit gefunden. Er hatte zwar keinen Verein, aber bereits sechs Länderspiele gemacht, ist ein extrem integrativer Typ, pusht in jedem Training und ist Gold wert für die Torwartgruppe. In den Spielen, die er machen durfte, hat er sich bewährt. Aber er ist ein ambitionierter Spieler, die Situation würde nicht leichter für ihn. Ich verstehe, dass er Optionen hat, bei denen er näher am Stammtorhüter sein wird als bei uns.

Leopold Zingerle aus Paderborn soll kommen?
Das stand so in der Zeitung, und das habe ich auch gelesen. Wir haben da viele gute Möglichkeiten, es gibt für solche Fälle Listen, die vor Transfers immer kleiner werden.

Gößling über Talent Maarten Vandevoordt: „Ihm steht vieles offen”

Der bereits verpflichtete Maarten Vandevoordt wechselt demnach wie ursprünglich geplant erst 2024 nach Leipzig?
Richtig. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, Talente wie ihn schon frühzeitig zu verpflichten, bevor es irgendwann nicht mehr machbar ist, ihn aber in seinem Umfeld zu belassen, damit er sehr sicher viele Spiele kriegt und Erfahrung sammelt. Es gibt die Chance, dass er mit Genk nächste Saison international spielt. Die belgische Liga ist nicht die Bundesliga, aber wir sind der Überzeugung, dass es angesichts der guten Situation in Genk Sinn macht, ihn noch ein Jahr dort spielen zu lassen. Er ist noch so jung, er hat so viel Potenzial im Sinne der Anforderungen, wie wir uns einen Torhüter vorstellen. 2024 wird ein guter Zeitpunkt für den Wechsel sein.

Vandevoordt ist 21. Kann er eines Tages eine Ära bei RB prägen wie Pete Gulacsi in den vergangenen Jahren?
Wir sehen viel in ihm. Ich freue mich jetzt schon darauf, mit ihm zu arbeiten. Aktuell sind wir bereits viel mit ihm und seinem Torwarttrainer im Austausch. Meine Aufgabe ist es zunächst, ihn möglichst schnell an das Niveau hier heranzuführen: an eine neue Liga, neue Sprache, andere Mannschaftstaktik, einen neuen Chefcoach. Wenn er unser Spiel schnell adaptiert, steht ihm vieles offen.

Ist es eine Option, dass Tim Schreiber aus Kiel zurückkehrt?
Mit Tim ist es so besprochen, dass eine Rückkehr nur Sinn machen würde, wenn er hier die Nummer eins attackieren könnte. Ihn als gute und verlässliche Nummer drei zu verpflichten, dazu steckt zu viel in ihm drin. Er ist U20/U21-Nationaltorwart und hat schon Zweitliga-Erfahrung. Ich wünsche ihm, dass er sich zunächst Mal in Kiel durchsetzt. Er hat immerhin schon Spiele gemacht und war dann leider verletzt. Aber eine Torhüterkarriere verläuft nicht immer geradlinig. Nur ein Beispiel …

Bitte!
Bei Greuther Fürth habe ich Mark Flekken trainiert, als er 18, 19 Jahre alt war.  Er hat U 23 in der Regionalliga, später in Duisburg 3. Liga gespielt und seine Zeit gebraucht, bis er mit 28 in Freiburg die Nummer eins geworden ist. Auf einmal sah man, was in ihm steckt, dass da ein Top-Bundesligatorwart gereift ist. Aber das geht nicht immer mit 20 Jahren. Manchmal braucht es diese ganzen Erfahrungen mit Rückschlägen, lernen, damit umzugehen und daraus gestärkt hervorzugehen. Es gibt nur ganz wenige, die wie Manuel Neuer einfach durchstarten.

Das RB-Torhüter-Puzzle:

  • Peter Gulacsi, 33, Vertrag bis 2025, Nummer 1/2
  • Janis Blaswich, 32, Vertrag bis 2025,Nummer 1/2
  • Maarten Vandevoordt, 21, Vertrag ab 2024 bis 2029
  • Örjan Nyland, 32, Vertrag läuft aus, will RB verlassen
  • Leopold Zingerle, 29, noch SC Paderborn, Nummer 3
  • Timo Schlieck, 17, Vertrag bis 2025, Nummer 4/ Nummer 1 U19-Bundesliga
  • Fernando Dickes, 15, Vertrag bis 2024, Perspektivspieler/U17-Bundesliga
  • Jonas Nickisch, 19, Vertrag läuft aus, Perspektive noch unklar
  • Tim Schreiber, 21, Vertrag bis 2024 bei RB/Leihe bis 2024 zu Holstein Kiel
  • Josep Martínez, 25, Leihe zu Genua endet, soll fest an Genua abgegeben werden
  • Oskar Preil, 19, Vertrag läuft aus, soll RB verlassen/Kandidat beim HFC

Viele Entscheidungsfindungen: Training ist nie eindimensional, immer komplex

Sie arbeiten seit 2015 als Torwarttrainer bei RB Leipzig und werden hier hoch geschätzt. Wofür steht die RB-Torwartschule?
Wir versuchen, das, wofür unser Spiel und Torwartspiel steht, jeden Tag ins Training zu übertragen. Unser Training ist nie eindimensional, wir versuchen es immer, komplex zu machen. Das zieht sich von den 10- und Zwölfjährigen bis zu den Profis. Natürlich mit Abstufungen, aber die Grundidee ist dieselbe: Wir trainieren sehr spielnah, mit vielen Entscheidungsfindungen in jeder Situation. Gehe ich raus oder bleibe ich drin? Wo stehe ich auf dem Feld? Gehe ich den Block? Wie attackiere ich die Flanke? Damit konfrontieren wir die Torhüter sehr früh tagtäglich. Es kommt nicht von ungefähr, dass wir mit Jonas Nickisch einen U19- und mit Timo Schlieck den U17-Nationaltorwart bei uns haben, das ist Ergebnis guter und übereinstimmender Arbeit von Akademie und Profibereich.

Ihr Einfluss in Torwartfragen gilt unter Cheftrainer Marco Rose als groß.
Ich sehe mich als Teil des Trainerteams. Es macht mir extrem Spaß, mit Marco Rose und dem ganzen Staff zu arbeiten. Wir gleichen uns regelmäßig ab, was Kaderplanung, Trainingsaufbau, Spielphilosophie angeht und analysieren gemeinsam Szenen. Das Torwartspiel muss immer Anbindung an die gesamte Mannschaft haben. Dafür gibt es zu viele Schnittmengen im Spielaufbau und dem Verbund zwischen Abwehr und Torhütern.

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