Jörg albertz im exklusivinterview "Uli Hoeneß meinte nur: 'Leckt mich am...'
Was macht den Rangers FC aus, der heute gegen RB Leipzig das Finale der Europa League erreichen will? Was das mythische Ibrox-Stadion? Darüber haben wir mit dem ehemaligen deutschen Rangers-Spieler Jörg Albertz gesprochen, besser bekannt in Glasgow als "the hammer".
150 Jahre alt ist der Rangers FC aus Glasgow, Gegner von RB Leipzig heute Abend im Halbfinal-Rückspiel der Europa League (21 Uhr). Zu den Vereinslegenden gehört auch ein Deutscher: Jörg Albertz, ehemaliger Kapitän des Hamburger SV, ein Linksfuss mit dem Schuss von der Wucht eines Kanonenschlags. Fünf Jahre blieb Albertz den Schotten treu.
In denen gewann er an der Seite von früheren Ikonen wie Paul Gascoigne, Brian Laudrup oder dem aktuellen Rangers-Trainer Giovanni van Bronckhorst vor allem die Fans im „Ibrox“ für sich. Und das will was heißen in einem der berühmtesten Stadien des Weltfußballs.
Die Spieler werden unter Strom stehen
MZ-Reporter Martin Henkel unterhielt sich mit dem heute 51-Jährige darüber, was die Spieler von RB im Ibrox erwartet, welches Urteil Uli Hoeneß einst über das Stadion fällte und auf welcher Holztafel sein Name zu finden ist. Aus gegebenem Anlass war aber auch der Tod des Rangers-Zeugwarts Jimmy Bell ein Thema.
Herr Albertz, am Dienstag verstarb unerwartet die Rangers-Legende Jimmy Bell. Er war über 30 Jahre lang Zeugwart des Teams. Sie kannten ihn also auch. Wie haben Sie die Nachricht aufgenommen.
Sein Tod kam völlig unerwartet, es ist eine Tragödie.
Was hat Bell für den Klub bedeutet?
Jimmy war Rangers durch und durch. Das ist, als wenn einer aus der Familie stirbt, und die Rangers sind eine Familie.
Aktuelle Spieler wie Kapitän James Tavernier wirken sehr angefasst. Wie beeinflusst der Tod die Spieler?
Sie werden jetzt alles versuchen, um für Jimmy ins Finale einzuziehen. Zusammen mit der Stimmung im Ibrox kann sich RB Leipzig auf einen Hexenkessel gefasst machen.
Wie muss sich das jemand vorstellen, der noch nie in diesem Stadion gewesen ist?
Das ist wirklich schwer zu beschreiben. Zu Beginn ist es furchtbar laut, das ganze Stadion steht unter Strom, die Spieler auch. Ich kann mich an ein Europapokalspiel gegen die Bayern erinnern. Ich sah Uli Hoeneß auf der Bank sitzen. Er blickte sich um und ich konnte an seinen Lippen ablesen, wie er sagte: ‚Leckt mich am …‘ Sie wissen schon. Allerdings: Der Funke muss überspringen, sonst kann es auch leise sein.
Wie lange haben die Rangers, um ihre Fangemeinde zufriedenzustellen?
So lange sie die realistische Chance haben, ins Finale zu kommen, wird das Stadion laut und wild sein.
Wie war das bei Ihnen, ihr erstes Mal im Ibrox?
Phänomenal. Ich kam Sommer 1996 zu einem Team, das bis auf die Zugpferde Brian Laudrup und Paul Gascoigne weitgehend aus Schotten bestand. Spieler und Fans waren wie eine große Familie. Ich wurde mit offenen Armen empfangen, die Rangers waren gerade obenauf nach acht Meisterschaften in Folge. Es war Liebe auf den ersten Blick – von beiden Seiten. Ich war von Beginn an begeistert.
Ihr Debüt vor ihrem neuen Publikum war gegen die Raith Rovers. Nicht der nervenaufreibendste Gegner, oder?
Die wirklich erste richtige Begegnung mit den Fans war mein erstes Old Firm gegen Celtic. Die Stimmung war überragend, das geht einem durch Mark und Bein. Man läuft mehr und länger, man kämpft mehr und härter und man gibt sich einfach nicht auf. Nicht in solchen Spielen.
Wie läuft man aufs Feld ein?
Die Kabinen sind getrennt wie überall. Man trifft sich im Tunnel, der bis aufs Spielfeld führt. Schon da drinnen hämmert und wummert es. Das Ganze explodiert dann, wenn man aus dem Tunnel herauskommt. Ich kann nur leider nicht sagen, ob sich das für alle Spieler gut anfühlt. Ich war ja immer nur Teil der Heimmannschaft (lacht).
Ist das ein Vorteil für die Rangers? Der Erwartungsdruck kann auch belasten.
Ich denke, die Rangers wollten es genau so: das Rückspiel im Ibrox. Die sind das gewohnt. Ich habe es geliebt, aber ganz ehrlich, auswärts mochte ich es noch mehr. Wenn ich bei Celtic ins Parkhead eingelaufen bin, war ich on fire.
Wie war das für Sie in einer Stadt, in der nicht unwesentlich viele Fans des Rivalen Celtic wohnen?
(lacht) Ich konnte mich frei bewegen. Die Leute hatten Respekt vor mir. Auch die Celtic-Fans grüßten mich und riefen mir zu: ‚Guter Mann, nur beim falschen Verein!‘
Kaum zu glauben, sie haben gegen Celtic mal doppelt getroffen
Stimmt.
Ihr Markenzeichen war ihr linker Fuss, mit dem sie aus allen Lagen schießen konnten. Erinnern Sie sich noch, woher Sie den Beinamen „the hammer“ bekamen?
Ich meine, das war in Hamburg gewesen, wo eine Zeitung mich den ‚Hammer‘ nannte. Ich bin schon als Hammer-Ali da rüber gegangen.
Auf welches Talent deutet ‚Ali‘ hin?
(lacht). Ich hab‘ keine Ahnung, ob das mit Muhamed Ali (größter Boxer aller Zeiten, Anm. Red.) oder mit meinem Nachnamen zu tun hatte. Die Schotten haben aber nur „the hammer“ übernommen. Ali hat mich dort keiner genannt.
Wie dann?
George. Jörg bekamen sie nicht ausgesprochen.
Sie haben mit einer Legende des Fußballs in den Neunzigern, Paul Gascoigne, zusammengespielt. Wie war das?
Jeder kennt seine Eskapaden, die gehörten nun mal zu ihm. Auf dem Platz und beim Training war er super. Ich konnte viel von ihm lernen. Er war extrem nett. Ich kann mich erinnern, beim ersten Gespräch mit mir sagte er: ‚Pass auf, du wohnst da und da, dort liegt mein Boot. Hier hat du einen Schlüssel. Benutze es, wann immer du willst.‘“
Sie waren fünf Jahre bei den Rangers. Was macht den Klub so besonders?
Wenn man von Traditionsvereinen spricht, müssen die Rangers, die sind ja schon 150 Jahre alt, ganz oben stehen. Diese Geschichte spürt man gleich, wenn man in die Empfangshalle im Stadion kommt. Dort ist alles ist holzvertäfelt. Die Stufen nach oben sind aus Marmor, und dann kommt die Holztafel mit den Namen der berühmtesten Spieler der Vereinsgeschichte. Das Ibrox ist gelebte Fußballhistorie. Wo findet man das noch, dass man zum Beispiel auf der Tribüne so eng nebeneinandersitzt, dass kein Blatt Papier zwischen sich und den Nachbarn passt.
Steht ihr Name auf der Tafel?
Ja, tut er. Darauf bin ich sehr, sehr stolz.