Anfeindungen gegen Red-Bull-Klub Erst Markranstädt, jetzt Dessau: RB erlebt bereits den zweiten Rasenanschlag
Die Geschichte von RB Leipzig begann mit einem zerstörtem Rasen. 2009 in Markranstädt, als der neue Klub vorgestellt wurde, hatten RB-Hasser Unkraut-Ex auf dem Geläuf verteilt. Ein kurzer Abriss der Anfeindungen gegen den Red-Bull-Klub.
Dass Rasenballsport Hass hervorrufen würde, war vom ersten Tag an klar. Das erste Training am 2. Juli 2009 der Klubgeschichte direkt nach der Vereinspräsentation hatte auf dem Kunstrasen neben dem Markranstädter Stadion am Bad stattfinden müssen, weil der Rasen - ähnlich wie aktuell in Dessau - schon Tage zuvor von RB-Gegnern mit Unkraut-Ex zerstört worden war.
Tiefe Furchen zogen sich über das Spielfeld. Am Zaun hing ein Banner mit der Aufschrift: „Finger weg von unserem Sport! In Leipzig und an jedem Ort”.
Für viele Akteure kamen die Anfeindungen damals völlig unvorbereitet. „Als ich die ersten Gespräche hatte, hatte ich noch gar keine Vorstellung von den Widerständen, die es geben würde. Das ist mir erst bewusst geworden, als vor dem ersten Trainingstag in Markranstädt der Rasen zerstört wurde”, berichtete Kapitän Ingo Hertzsch.
Ingo Hertzsch: „Gar keine Vorstellungen von den Widerständen”
Bei den Red-Bull-Machern der ersten Stunde war das anders. Die größte Sorge hatten sie wegen der kaum einzuschätzenden Sicherheitslage. Am Tag vor der Präsentation hatte es eine Brandanschlagsdrohung gegeben. Würden die radikalen Gegner nur protestieren oder tatsächlich gewalttätig werden?
Wenn Spieler, Mitarbeiter oder Fans ernsthaft zu Schaden gekommen wären, hätte das von Beginn an einen Schatten auf den neuen Klub gelegt und die gesamte Anfangseuphorie zunichte gemacht. Dass nichts passiert, war für die Funktionäre damals wichtiger als Fanproteste oder Diskussionen in den Medien.
RB Leipzig auswärts beschimpft, bespuckt, beworfen
Wegen des kaputten Geläufs im Stadion am Bad musste RB 2009 anders als geplant auswärts bei Carl Zeiss Jena II starten, damit mehr Zeit bis zum ersten Heimspiel blieb und der Rasen wieder nachwachsen konnte.
Gerade zu Beginn neuer Serien, wenn RB Leipzig wieder einmal aufgestiegen war und auf neue Gegner traf, reagierten deren Fanszenen besonders krass auf den „Eindringling”. So war das gleich beim ersten Ligaspiel in Jena, als die Leipziger auf einem Nebenplatz des Ernst-Abbe-Sportfeldes 90 Minuten lang beschimpft und teils sogar bespuckt, geschubst und mit Bierbechern beworfen wurden.
„Schon, als wir nach Thüringen reingefahren sind, stand an jeder Brücke ein Gruß an uns. Von uns waren drei Fans mit, die wurden in einen Käfig eingezwängt, während sich die Jenaer Ultras ohne Zaun in der Mitte des Platzes zentral postierten”, erinnert sich Spielführer Ingo Hertzsch.
In Halle traf ein Stein den RB-Mannschaftsbus
Nach dem Skandalspiel schickte Sportdirektor Joachim Krug das Team ungeduscht und in Windeseile in den Bus, um die Spieler in der aufgeheizten Atmosphäre vor Attacken zu schützen.
„Ich war noch nie von einem Auswärtsspiel so schnell zu Hause wie damals. Die Polizei hat uns nach Abpfiff zehn Minuten gegeben, inzwischen waren Hundertschaften angerückt”, so Hertzsch. Die Aggressivität bei diesem Spiel habe „alle wachgerüttelt, was die Sicherheit angeht.”
Seit diesem Tag habe bei Heimspielen an jedem Parkplatz von Leipzig Richtung Markranstädt die Polizei mit Wasserwerfer und Reiterstaffel gestanden. Extremsituationen wie in Jena habe es nicht mehr gegeben, doch der Spießrutenlauf zog sich durch die Saison. „Wir sind gehasst worden. Das war ich von keiner meiner bisherigen Stationen so gewohnt”, sagte der spätere HSV-Torhüter Sven Neuhaus in dem Buch „RB Leipzig – Aufstieg ohne Grenzen”.
So auch zum Start in die Saison 2010/11, als RB-Feinde beim Auswärtsspiel bei Braunschweig II einen Reifen zerstachen und den Bus mit gelber Farbe besprüht hatten. Beim ersten Drittligaspiel der RB-Geschichte gegen den Halleschen FC schlug die Ablehnung in pure Gewalt um.
Bereits vor der Partie (1:0 für RB) wurden die Leipziger in der nur 50 Kilometer entfernten Nachbarstadt in Sachsen-Anhalt mit einer so vielköpfigen Polizeieskorte empfangen, als käme der US-Präsident an die Saale. Das Aufgebot war nötig, weil radikale HFC-Fans Wurfgeschosse in den Büschen versteckt hatten. Bei der Abreise schlug dann auch tatsächlich ein Stein direkt neben Abwehrspieler Tim Sebastian ein, zersplitterte die Scheibe, drang nur wegen des Sicherheitsglases nicht ins Innere des Busses.
Dennoch ein Schock für Sebastian & Co. „Derby oder Rivalität hin oder her, da wurde eine Grenze überschritten. Kritik ist in Ordnung, aber es darf nicht in Gewalt und Verunglimpfungen ausarten”, sagt Ex-Spielführer Dominik Kaiser. In der 2. Liga war die Stimmung in vielen Fanszenen – nun auch überregional – zwar aufgeheizt gegen RB, doch die Proteste blieben mit Boykotten und Protestmärschen weitgehend gewaltfrei.
Bis zum März 2015, als Anhänger des Karlsruher SC den Leipzigern erst einen nächtlichen „Besuch” im Hotel abstatteten und bei der Abfahrt am Auto von Ralf Rangnick und Klubboss Oliver Mintzlaff rüttelten. Auch die Fans mussten leiden, als die Gästeblöcke bei Union Berlin mit Buttersäurekapseln ausgestattet und bei Greuther Fürth mit Öl verunreinigt wurden.
Anfeindungen gegen RB Leipzig: Rinderkopf in Dresden, Farbbeutel in Leverkusen
Zu Beginn der Saison 2015/16 hatte ein Erstrundenspiel im DFB-Pokal beim VfL Osnabrück durch die aufgeheizte Atmosphäre an der Bremer Brücke in Osnabrück abgebrochen werden müssen, weil diverse Feuerzeuge und andere Gegenstände auf den Rasen flogen, von denen eines den Schiedsrichter am Kopf traf.
Beim Pokalspiel zu Beginn der ersten Leipziger Erstligasaison bei Dynamo Dresden spießten die Dynamo-Ultras einen etwa 15 Kilogramm schweren Rinderkopf im Block auf, der dann im Innenraum lag. Zuvor hatte RB aus Angst vor Anschlägen mit veränderter Busroute anreisen und in einem geheimen Hotel übernachten müssen. Beim 1. FC Köln blockierten Ultras die Einfahrt des Mannschaftsbusses; in Hamburg flogen faule Eier in die Menge anreisender RB-Fans; in Leverkusen landeten bei der Anfahrt zum Stadion Farbbeutel auf der Windschutzscheibe des Leipziger Mannschaftsbusses.
Eine Zäsur bildete der Angriff von gewalttätigen Dortmunder Anhängern, die Flaschen, Steine, Mülleimer und Pyrotechnik auf die anreisenden 8500 RB-Fans warfen, darunter viele Familien, die euphorisch dem ersten Auswärtsspiel beim großen BVB entgegenfieberten. Ein Tabubruch, der von Verein und DFB hart bestraft wurde.
Dieser Text stammt in Auszügen aus dem Buch „RB Leipzig – Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten” Autor ist RBLive-/MZ-Reporter Ullrich Kroemer. In dem Band werden etwa 60 Geschichten und Anekdoten aus zwölf Jahren RB Leipzig erzählt.