RB LeipzigRB Leipzig: Markus Krösche spricht über fünf Vertragsverlängerungen
RB Leipzigs Sportdirektor Markus Krösche ist als Nachfolger von Ralf Rangnick in große Fußstapfen getreten. Der 39-Jährige ist in den ersten Monaten nicht dadurch aufgefallen, neue Akzente zu setzen. Stattdessen führt er unprätentiös, loyal und fleißig Rangnicks Arbeit fort. Im Trainingszentrum von RB am Cottaweg nahm sich der langjährige Paderborner Zeit für ein ausführliches Gespräch mit MZ/RBlive-Reporter Ullrich Kroemer: über seinen Führungsstil, das Krisenmanagement während der Schwächephase, Star-Trainer Julian Nagelsmann und drängende Themen wie die Vertragsverlängerung von fünf Stammspielern.
Markus Krösche, bevor Sie im Sommer bei RB Leipzig begannen, waren Sie als Spieler, U23-Trainer und Manager 18 Jahre in Paderborn. Was sagt das über Sie aus?
Markus Krösche: Ich stehe für Kontinuität und brauche diese Stetigkeit auch für meine Arbeit, um mich wohlzufühlen. Und wenn ich mich wohlfühle, bin ich in der Lage, meine maximale Leistung abzurufen.
Sind Sie auch in Leipzig angetreten, um 18 Jahre zu bleiben?
(lacht) Natürlich, das ist mein Ziel, über lange Zeit bei einem Verein zu arbeiten. Ich bin nicht sprunghaft, was meine Persönlichkeit angeht ebenso wenig wie in meinen Entscheidungen. Wenn ich mich für etwas entscheide, dann mit voller Überzeugung. Ich habe drei Lebensmaximen: Spaß, Mut und Überzeugung. Das heißt: Wenn ich mich für einen Klub entscheide, dann möchte ich da so lange wie möglich arbeiten.
Sie sind fünf Monate bei RB, wollen sich ebenso wie alle Spieler und Trainer auch selbst entwickeln. Welche Erkenntnisse haben Sie schon gewonnen, die Sie weitergebracht haben?
Das ist hier ein großer Verein mit deutlich mehr Mitarbeitern als in Paderborn und viel anspruchsvolleren Zielen. Ich habe hier mit vielen guten Leuten zu tun, das hilft bei der täglichen Arbeit. Noch kenne ich nicht alle Mitarbeiter, aber ich versuche, möglichst viele kennenzulernen. Doch auch in diesem größeren Rahmen arbeite ich genauso, wie ich es auch in Paderborn getan habe und versuche dem Verein durch meine Art und Weise zu helfen, die Ziele zu erreichen.
Sind Sie angekommen bei RB?
Ja, definitiv. In Paderborn hatte ich natürlich eine andere Historie, aufgrund der vielen Jahre eine andere emotionale Bindung zum Verein. Aber mir macht es jeden Tag Spaß, hierher zu kommen, weil die Leute eine hohe Qualität haben, aber auch unheimlich nett und hilfsbereit sind. Das ist ein junges Team, mit vielen jungen, guten Mitarbeitern. Ich habe mich hier vom ersten Tag an wohlgefühlt.
Ich kann von Kollegen, die lange in der Branche sind, in meiner Position noch viel lernen.
Markus Krösche
Alle, die Sie kennen, schwärmen von ihrem Netzwerk. Haben Sie das bewusst aufgebaut oder ist das in 20 Jahren Profifußball automatisch entstanden?
Man trifft im Fußball unheimlich viele Leute, und ich unterhalte mich halt gern. So entstand über die zwei Jahrzehnte im Profifußball hinweg ein Netzwerk. Aber ich habe nicht bewusst daran gearbeitet, das hat sich auch über die unterschiedlichen Funktionen, die ich hatte – als Spieler, Trainer, Firmeninhaber, Sportdirektor – ergeben.
Aber Sie forcieren das schon? Ein Netzwerk wächst und pflegt sich ja nicht von allein.
Klar, nehme ich bewusst Kontakte auf. Ich bin ja noch jung in der Managerposition. Da musst du halt aktiv auf Leute zugehen und dich vorstellen, um sich austauschen und voneinander zu profitieren. Ich kann von Kollegen, die lange in der Branche sind, in meiner Position noch viel lernen.
Mit wem zum Beispiel?
Mit vielen. Gelegentlich spreche ich mit Jörg Schmadtke (Geschäftsführer beim VfL Wolfsburg, Anm.d.Red.). Aber es gibt auch andere Ansprechpartner außerhalb des Fußballs. Ich bin da sehr offen.
Bis in welche Ebenen reicht Ihr Netzwerk? Können Sie Jürgen Klopp nachts anrufen?
Nein, Jürgen Klopp rufe ich nicht an. Ich wüsste aktuell auch nicht warum. Aber seien Sie unbesorgt: Mein Netzwerk ist ausreichend.
Wie haben Sie das Krisenmanagement bei RB während der Schwächephase im Oktober empfunden?
Das war ja keine Krise. Klar, haben Julian Nagelsmann und ich hohe Ansprüche, ebenso wie die Spieler und der Verein insgesamt. Dann haben wir nach dem Freiburg-Spiel ein paar grundlegende Dinge angesprochen, die nötig sind, damit wir alle im Verein an unsere Grenzen gehen. Das brauchen wir, um erfolgreich zu sein.
Markus Krösche: „Ich spreche ganz, ganz selten zur Mannschaft. Aber ...”
Wann war für Sie der Punkt erreicht, an dem Sie entschieden haben, der Mannschaft ins Gewissen zu reden?
Ich spreche ganz, ganz selten zur Mannschaft. Aber wenn ich gewisse Dinge wahrnehme, die besprochen werden müssen, dann spreche ich das offen und ehrlich an. Das mache ich mit jedem meiner Mitarbeiter so. Also habe ich meine Sicht dargestellt und welche Erwartungen ich habe. Das gehört dazu, wenn man mit aller Macht erfolgreich sein will. Aber alles geschieht in Absprache mit Julian. Er wusste genau, was ich ansprechen will.
Worum ging es Ihnen speziell?
Das hatte für mich nichts mit Mentalität oder Einstellung zu tun, sondern mit Fokussierung und Überzeugung. Unsere Jungs wollen alle erfolgreich sein. Es war wichtig, ihnen bewusst zu machen, dass jeder einzelne im Verein – die Spieler genau wie der Trainer und ich – immer an seine Grenzen gehen muss, damit wir unsere anspruchsvollen Ziele erreichen. Das war meine Intention. Das ist übrigens auch die ganz klare Trennung: Ich werde mit den Spielern nicht über fußballerische Inhalte sprechen, das macht Julian perfekt, sondern über Grundsätzliches.
Wie haben Sie die Situation im Verein wahrgenommen? Oliver Mintzlaff übte nach dem 1:1 gegen Wolfsburg deutliche öffentliche Kritik an Auftreten und Ergebnissen.
Oliver hat das Recht, das zu sagen. Das war seine Sichtweise, sein Gefühl in dem Moment. Seine Aussagen haben sensibilisiert und letztendlich auch etwas bewirkt.
Wie ist die Zusammenarbeit mit Oliver Mintzlaff? Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Handlungsspielraum, Ihrer Machtfülle im Klub?
Wir haben die gleichen Ziele, das ist das Entscheidende. Aber wir verstehen uns auch sehr gut und haben einen engen Austausch. Um erfolgreich zu sein, müssen alle in einem Klub an einem Strang ziehen. Das heißt nicht, dass man auch mal unterschiedlicher Meinung sein kann.
Das wird bis ganz zum Schluss eine enge Saison bleiben.
Markus Krösche
Was waren die entscheidenden Impulse, die Julian Nagelsmann der Mannschaft geben konnte, um den Spieß wieder herumzudrehen?
Julian schafft es sehr gut, Inhalte herüberzubringen, dabei gleichzeitig kritisch zu sein, aber den Jungs auch Hilfestellungen und Lösungen an die Hand zu geben. Und er hat der Mannschaft klar aufgezeigt, wo sie Nachholbedarf hat.
Was macht Nagelsmann zu einem der besten von Zehntausenden Trainern?
Er hat eine hohe Authentizität und soziale Kompetenz, einen guten Draht zu den Spielern. Und er ist inhaltlich und didaktisch hervorragend. Er kann Spieler besser machen, weil er ihnen erklärt, warum er gewisse Dinge von ihnen fordert und kann das sehr, sehr gut vermitteln. Das ist ganz entscheidend: Die Spieler müssen verstehen, warum sie etwas umsetzen sollen. Und er hat die Gabe, während eines Spiels mehr wahrzunehmen als andere und einzugreifen. Das macht ihn zu einem guten Trainer.
Ein Drittel der Saison ist gespielt. Wo steht die Mannschaft?
Zunächst mal gefällt mir die Art und Weise, wie sie in den letzten vier Spielen aufgetreten ist. Das ist die Basis und der Maßstab, woran wir die Mannschaft messen. Dennoch glaube ich, dass wir drei, vier Punkte zu wenig haben. In Leverkusen, gegen Wolfsburg und Freiburg haben wir Zähler liegenlassen. Aber insgesamt sind wir in allen drei Wettbewerben sehr gut unterwegs. Doch wir wissen auch, dass längst nicht alles perfekt läuft.
Von der Meisterschaft bis Platz sieben ist alles möglich, Markus Krösche?
Was zum Beispiel?
Nach der Führung in Berlin etwa können wir gewisse Situationen überlegener ausspielen.
Diese Saison ist tabellarisch eine außergewöhnliche. Von der Meisterschaft bis Platz sieben ist alles möglich. Sehen Sie das auch so?
Ja, total. Wir brauchen jede Woche das Maximum, weil die Konstellation in dieser Saison so außergewöhnlich eng an der Spitze ist; mit Mannschaften, die konstant auf hohem Niveau punkten und spielen. Das wird bis ganz zum Schluss eine enge Saison bleiben.
Unter normalen Umständen ist die Meisterschaft bei RB noch kein Thema. Aber muss man diese Saison nicht speziell denken, um eine unverhoffte Chance beim Schopfe zu packen?
Die Spielzeit ist sehr ausgeglichen, es gibt eine breitere Gruppe, die sehr eng beisammen ist. Aber das verändert für uns nichts. Wir wollen eh jedes Spiel gewinnen. Das schaffen wir nicht immer, aber wir können die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass wir eine sehr hohe Anzahl an Spielen gewinnen.
Oliver Mintzlaff sagte bereits, dass in der Winterpause kein Budget zur Verfügung steht, um einzukaufen. Besteht aus Ihrer Sicht Bedarf?
Es ist zumindest aktuell nichts geplant. Für mich geht es mehr darum, die nächste Saison vorzubereiten.
Worauf liegt Ihr Hauptaugenmerk?
Ich bewerte unseren aktuellen Kader, wie er sich entwickelt, und filtere heraus, wo wir uns weiterentwickeln müssen. Da spielt auch mit rein, wie die Gegner auf uns reagieren und wie sich die Art und Weise verändern muss, wie wir Fußballspielen. Kaderplanung ist höchst komplex. Wir sondieren den Markt intensiv. Meine Hauptaufgabe ist, mich mit der Mannschaft zu beschäftigen und zu entscheiden, wie sie mittel- bis langfristig aufgestellt ist. Im Frühjahr wird das Bild klarer und mögliches Interesse an Verstärkungen konkreter.
„Ilse” hatte uns schon im Sommer mitgeteilt, dass er sich verändern möchte.
Markus Krösche
Sind Spieler bei Ihnen gewesen, die den Wunsch nach einer Leihe geäußert haben?
Klar, sind die Spieler, die wenig spielen, nicht immer zufrieden. Aber gerade in den letzten beiden Wochen sind Akteure in die Bresche gesprungen, die zuvor wenig Einsätze hatten. Der Erfolg einer Mannschaft hängt immer auch ganz stark von den Spielern ab, die wenig zum Einsatz kommen. Wenn also jemand wegen einer Leihe auf uns zukommt, überlegen wir, ob das Sinn macht. Aber noch war keiner da.
Routinier Stefan Ilsanker hat jüngst seine ersten beiden Saisonspiele bestritten, sein Vertrag läuft 2020 aus. Wie planen Sie mit ihm?
„Ilse” hatte uns schon im Sommer mitgeteilt, dass er sich verändern möchte. Aber da hatte sich nichts ergeben. Wenn er im Winter auf uns zukommt, werden wir dem nicht im Wege stehen und offen sein. Er ist ein verdienter Spieler, hat eine sehr gute Mentalität und hat sich im Training nie hängen lassen.
2021 laufen die Verträge von fünf Stammspielern aus. Ein Schwerpunkt für Sie?
Wir sind gerade mit Lukas Kostermann dabei, über eine Vertragsverlängerung zu sprechen. Wir haben ihm mitgeteilt, dass wir unseren Weg gern weiter mit ihm bestreiten wollen. Wir sind auf einem guten Weg, sind aber entspannt, wir haben Zeit.
Was ist mit Dayot Upamecano und Konrad Laimer? Bei Kevin Kampl und Diego Demme müssen Sie abwägen, ob beide trotz ihres Alters das Team auch über 2021 hinaus weiterbringen.
Alles andere wird in den kommenden Wochen und Monaten Thema werden. Oder auch nicht. Wir schauen uns in aller Ruhe alles ganz genau an. (RBLive)