RB LeipzigRB Leipzigs Kevin Kampl vor dem Bayern-Spiel im Exklusiv-Interview: "Wir haben einen qualitativ brutalen Kader"
Die Bayern gegen RB, das ist mittlerweile ein Klassiker des deutschen Fußballs, seit der Klub aus Leipzig 2016 aufgestiegen ist. Selten zuvor aber erzählt die Partie im Vorfeld so viele große und kleine Geschichten. Angefangen beim schlechten Saisonstart des Vizemeisters aus Sachsen, der Rückkehr von Ex-Trainer Julian Nagelsmann sowie zwei ehemaligen Spielern bis hin zu der Frage, was das mit dem Kader aus der Messestadt macht, wenn zu den zwei Niederlagen in der Liga jetzt noch zwei gegen die Bayern und in der Champions League kommenden Mittwoch in Manchester gegen den englischen Meister City folgen.
RBlive-Reporter Martin Henkel hat darüber mit einem gesprochen, den solche Spiele nicht mehr den Schlaf rauben, und der weiß, was zu tun ist in Situationen wie der gerade: Kevin Kampl, mit 30 Leipzigs ältestem Feldspieler und einer der Führungspersönlichkeiten in der Kabine von RB.
Herr Kampl, nach 160 Partien in der Bundesliga ist die Partie gegen den FC Bayern am Samstag nicht ihr erstes Duell mit dem deutschen Rekordmeister. Spüren Sie vor solchen Spielen überhaupt noch Anspannung?
Anspannung? Nein, die spüre ich kaum noch. Ich bin eher gelassen und cool. Aber natürlich sind das Spiele, die du nicht jeden Tag hast. Partien gegen die Bayern sind immer besonders. Aber ich freue mich mehr, als dass ich irgendwelche anderen Empfindungen habe.
Nicht mal ein bisschen Nostalgie? Mit den Bayern kehren in Julian Nagelsmann ihr Ex-Trainer, seine drei Assistenten und mit Dayot Upamecano und Marcel Sabitzer zwei Ex-Kollegen nach Leipzig zurück.
Natürlich wird das etwas ungewöhnlicher als sonst, wir haben bis vor wenigen Wochen zusammengearbeitet. Speziell ist das bei Sabi (Marcel Sabitzer, d. Red.), er war einer meiner engsten Kumpel in Leipzig. Wir kennen uns seit so vielen Jahren, ja auch schon aus Salzburg. Ihn jetzt in anderen Farben zu sehen, ist erstmal schon seltsam. Aber die Freude überwiegt, wir hatten eine erfolgreiche Zeit zusammen. Falls wir uns auf dem Spielfeld treffen, werden wir uns nichts schenken, aber davor und danach werden wir über die alten Zeiten reden.
Es kommt nicht oft vor, dass Sie auf so viele alte Weggefährten auf einmal treffen.
Stimmt. Allesamt sind sehr gute Spieler und Trainer. Aber so ist das im Profifußball: Wege trennen sich auch wieder. Das ist bei allen Klubs so. Und deshalb werden sich auch die anderen freuen, dass wir uns wiedersehen.
Es könnte laut werden, wenn Sie allzu eng beieinanderstehen?
Wieso sollte es?
Weil das Stadion mit 34.000 Fans so voll sein wird wie seit Ausbruch der Pandemie nicht.
(lacht) Das ist ein Argument. Ich freue mich riesig. Das ist etwas ganz anderes, als die Zeit, in der wir ohne gespielt haben. Das war einfach nicht schön, das muss man einfach mal so sagen.
Laut könnte bedeuten, dass vor allem Julian Nagelsmann jede Menge Pfiffe begleiten werden. Seinen Abgang nach nur zwei Jahren in Leipzig zum großen Rivalen nehmen ihm viele Fans übel. Können Sie das nachvollziehen?
Ich kann die Fans verstehen, wenn sie traurig sind, dass der Trainer nach zwei erfolgreichen Jahren zu den Bayern geht. Aber nochmal, im Fußball ist es oft so, dass sich neue Türen öffnen und Spieler oder Trainer neue Wege gehen. Wenn man weiß, dass es Julians Jugendtraum war, die Bayern zu trainieren, und die Chance jetzt da war, dann kann ich das nachvollziehen. Er hat hier 110 Prozent gegeben, tolles Herzblut reingesteckt und uns enorm weiterentwickelt. Ich wünsche es ihm deshalb nicht, dass er ausgepfiffen werden könnte.
Es ist nicht neu, dass die Bayern sich bei einem Konkurrenten bedienen, um ihn zu schwächen. Überspitzt gefragt: Hat der Primus RB leergekauft?
Nein! Die Bayern wollten unseren Trainer haben. Der nimmt sein Team mit, weil die in den vergangenen Jahren gut zusammengearbeitet haben und ihre Chemie stimmt. Trainerwechsel passieren, das gehört zu diesem Geschäft dazu. Dass noch zwei Spieler ebenfalls gegangen sind, ist auch nachvollziehbar. Ich denke, wenn sie zum Beispiel zu Manchester City gewechselt wären, würden wir über das Thema gar nicht sprechen. Dass uns jemand leerkauft, finde ich Blödsinn. Wir haben wieder viele junge gute Spieler mit großer Leidenschaft für den Fußball, die in den nächsten Jahren ganz groß werden können. Und ich finde, wir haben einen qualitativ brutalen Kader. Wahrscheinlich den besten, seit ich hier bin.
Ist das nicht anstrengend, wenn man jedes Jahr Schlüsselspieler abgibt?
Dass ein, zwei gute Spieler pro Sommer gehen, das ist nix Großes, denke ich. RB bildet junge Spieler auch nachhaltig aus. . Das heißt aber nicht, dass wir in Leipzig keine Titel gewinnen können. Wir können das sehr wohl, aber es wird immer Spieler geben, die RB Leipzig auch verlassen..
Das Spiel hat auch eine sportliche Dimension. Sie sind mit drei Punkten aus drei Spielen gestartet, eine Niederlage und auf die Bayern sind es bereits sieben Punkte Rückstand. Auch wenn es danach noch 30 Spiele sind, aber so einen Rückstand auf den Primus holt kein Team so einfach auf. Wieviel Druck steckt in dem Spiel für das Team?
Bei uns hat sich einiges geändert, das braucht erstmal Zeit und muss sich einspielen. Das ist allen bewusst. Klar sind wir nicht zufrieden, wir haben uns mehr Punkte vorgestellt als drei. Aber das Schlimmste, was wir machen können, ist in Panik zu verfallen nach der Art: Jetzt kommen die Bayern und wir müssen unbedingt gewinnen.
Drei Tage später müssen Sie gegen den englischen Meister Manchester City ran, ein Fehlstart mit vier Pleiten aus fünf Spielen ist nicht unwahrscheinlich. Wie anders als besorgt sollte RB mit dieser möglichen Situation umgehen?
Bislang ist es ja hypothetisch. City und die Bayern gehören zur absoluten europäischen Spitze. Da kann man nicht sagen: Gegen die muss man gewinnen. Sowas geht oft nach hinten los. Gegen München spielen wir zu Hause, wir haben die Fans im Rücken und wenn wir alle zusammen auf dem Platz und auf der Tribüne unsere Topleistung abrufen, dann können wir gewinnen und alles schaffen.
Sie saßen beim jüngsten Spiel gegen Wolfsburg, einem 0:1, 86 Minuten auf der Bank. Sieht man Sie gegen die Bayern überhaupt auf dem Platz?
Das ist natürlich die Entscheidung des Trainers. Ich war zuletzt aber nicht ganz schmerzfrei, hatte Probleme mit dem Sprunggelenk. Es gab deshalb keinen Anlass, mich von Beginn an spielen zu lassen. Doch ich gehe jetzt in mein fünftes RB-Jahr, jeder weiß hier, was ich kann und was man an mir hat. Ich denke, wenn ich gesund und fit bin, bekomme ich meine Minuten.
Lothar Matthäus hat unter der Woche gefordert, dass Routiniers wie Sie oder Emil Forsberg bei RB auf jeden Fall auf den Platz gehören. Sie teilen seine Meinung?
(lacht) Es ehrt mich, wenn einer der Großen des deutschen Fußballs so etwas sagt. Man braucht immer Erfahrung und einen Stamm an Spielern auf dem Platz. Wir haben ein großes Mittelfeld und viele junge Spieler, aber ohne Routine kann die nötige Klarheit und Konstanz fehlen. Ich mache mir um mich keine Gedanken.