Max Eberl im Interview „Es wird der Tag kommen, an dem die Bayern den Thron räumen müssen”
Max Eberl nimmt in einer Seitenhalle des prunkvollen Ritz-Carlton-Hotels in Abu Dhabi Platz, wo RB Leipzig sein Trainingslager verbrachte. Der neue Sportchef trägt Trainingsklamotten und trinkt einen Tee mit Honig. Mit MZ-Reporter Martin Henkel spricht er über seine „situative Depression” vor einem Jahr, seine Entscheidung für RB und das Duell gegen den FC Bayern (Fr., 20.30 Uhr).
Dies ist der erste Teil des Gesprächs. Den zweiten lesen Sie am Donnerstag hier bei RBlive.de
Herr Eberl, das Spiel gegen die Bayern ist Ihr erster Auftritt in der Bundesliga als neuer Sportchef von RB Leipzig. Wo werden Sie sitzen, auf der Bank wie in Gladbach?
Nein, nicht mehr auf der Bank. Ich werde auf der Tribüne sitzen.
Die Schiedsrichtergilde wird sich freuen.
(lacht) Mal sehen, ob das den Menschen da oben um mich herum auch so geht. Dass mich Spiele emotional herausfordern, wird bleiben.
„Nochmal größere Chancen, die Bayern zu schlagen”
Sie sind gebürtiger Bogener, die Stadt liegt nördlich von München. Und sie wurden als Fußballer groß beim FC Bayern. Wie herausfordernd wird das Duell für Sie?
Spiele gegen die Bayern werden immer etwas Besonderes für mich sein. Aber mit RB ist das aufregend. Ich darf für einen Klub arbeiten, der nochmal größere Chancen hat, die Bayern zu schlagen, als Mönchengladbach.
Bei einer Niederlage ihres Klubs würde der Abstand auf neun Punkten wachsen. Damit wäre die Meisterschaftsfrage vermutlich in dieser Saison entschieden. So wie die zehn Jahre davor auch. Wären die Bayern in einer Super League nicht besser aufgehoben?
Das ist absolut keine Lösung, und wie ich die Bayern bei dem Thema verstanden habe, ist die Bundesliga ihre Heimat und ihr Butterbrot-Wettbewerb. Das wollen sie sich nicht nehmen lassen. Es wird der Tag kommen, an dem die Bayern den Thron mal räumen müssen, dann werden wir uns alle freuen. Ich als Vertreter von RB Leipzig natürlich vor allem, sollten wir der Nachfolger sein.
Wenn der Erbe Ihr alter Verein Borussia Mönchengladbach wäre, dann nicht?
Dann würde ich gratulieren, wie sich das gehört. In erster Linie aber würde ich mich fragen, warum wir in Leipzig es in der Saison nicht geschafft haben.
Keine Zeit des Innehaltens
Das klingt sehr nüchtern nach 23 Jahren Gladbach.
Ich habe das Kapitel abgeschlossen.
Es ist fast auf den Tag genau ein Jahr her, dass Sie als Gladbacher Sportdirektor unter Tränen verkündeten, dass die Person Max Eberl am Ende sei. Hätten Sie gedacht, so schnell wieder zurück zu sein?
Ich dachte damals an gar nichts. Nur, dass ich aus der Fußball- Mühle rauswollte. Ich habe 1980 bei den Bayern angefangen und danach nie etwas anderes gemacht. Der Tag, an dem ich zum letzten Mal als Spieler mit Gladbachs Profiteam trainiert hatte, war ein Freitag. Am Montag darauf war ich Jugendkoordinator. Ich habe mein letztes U-19-Spiel an einem Sonntag gesehen und war am nächsten Tag Sportchef. Ich hatte nie eine Zeit des Innehaltens, der Reflexion. Fragen, ob ich ganz aufhöre, weitermache, wie lange ich eine Pause brauche, die haben sich zu diesem Zeitpunkt gar nicht gestellt.
Sie haben sich schon damals auf der PK dem Verdacht gestellt, dass ihre Auszeit eine Finte sei, um anderswo unterzukommen. Nach Ihrer Entscheidung, für RB zu arbeiten, kam er wieder auf. Wie gehen Sie damit um?
Gar nicht. Ich kann auf nichts eingehen, was so weit weg ist von dem, was ich damals empfunden habe. Ich brauchte unbedingt Zeit für mich, und zwar nicht morgen oder übermorgen, sondern sofort. Wann jemand sich wieder bereit für etwas Neues fühlt, sollte man in so einer Situation dann schon demjenigen selbst überlassen. Bei mir waren es zehn Monate.
„Als Mensch war ich fix und fertig mit der Welt”
Selbst aus Ihrem alten Arbeitsumfeld gab es Getuschel, als Sie sich mit dem Job in Leipzig zurückgemeldet haben. Wie ist das, wenn man sich plötzlich unverstanden fühlt?
Mein Abgang damals war nicht einfach. Für den Verein, für die Fans, die Spieler, für mich aber auch. Ich habe einen dicken Haken dran gemacht, bin im Reinen mit mir. Jetzt habe ich Lust, etwas Neues zu beginnen und freue mich auf das was vor uns liegt.
Sie haben nie das Wort Burnout verwendet. Hat das einen Grund?
Nein. Ich kann Burnout sagen, situative Depression, Erschöpfungszustand. Mit all diesen Begriffen wurde ich konfrontiert. Offiziell lautete die Diagnose: situative Depression. Was es auch immer gewesen ist, als Mensch war ich fix und fertig mit der Welt.
„Niemals mit halber Kraft, sondern immer 100 Prozent”
Bei Krisen, wie Sie sie erlebt haben, sind die äußeren Umstände nur die Kulisse für innere Dramen. Wie war das bei Ihnen?
Ich konnte nicht Nein sagen und hatte immer ein schlechtes Gewissen, weil ich ja dieses und jenes auch noch hätte machen müssen. Es war eine wichtige Erkenntnis, dass die Welt nicht untergeht, wenn ich mal zwei Tage nicht da bin. Auf der anderen Seite ist das mein Wesen: niemals mit halber Kraft, sondern immer 100 Prozent. Diese 100 Prozent muss ich aber beschützen.
Der Fußball, dem Sie den Rücken gekehrt haben, hat sich nicht verändert. Wieso sind Sie genau dahin wieder zurückgekehrt?
Ich habe während meiner Auszeit in der Schweiz unterklassigen Fußball gesehen. So richtig mit Bratwurst und Bier, als Fan, als Betrachter. Da habe ich gemerkt, wie sehr ich diesen Sport liebe. Ich bin zurück, nicht, weil ich nichts anderes kann, sondern weil ich nichts anderes will.
Sie waren lange verheiratet, 2019 trennten Sie sich, hatten danach eine Beziehung mit einer Mitarbeiterin aus dem Verein und sind nun allein. Wie lebt es sich mit 49 als Single?
Ich bin kein Single. Es gibt wieder eine Frau in meinem Leben.
Teil 2 des Gesprächs lesen Sie am Donnerstag bei RBlive.de