Sportdirektor Rouven Schröder im Interview „Es um das Zwischenmenschliche, Authentizität und Empathie”
Rouven Schröder ist in der Winterpause der gefragteste Mann bei RB Leipzig: Bei der Umsetzung von Zugängen (Eljif Elmas), Abgängen (Forsberg, Carvalho, Moriba, Werner) und Vertragsverlängerungen (Klostermann) laufen die Fäden bei dem 48-Jährigen zusammen. Für die MZ nahm er sich im Trainingslager in La Manga dennoch ausführlich Zeit und sprach mit Reporter Ullrich Kroemer über die Herausforderungen des Winter-Transfermarktes, seine Handschrift und Stärken bei Transfergesprächen, Identifikation mit dem neuen Klub sowie prägende Typen und „Dönekes” seines Opas.
Herr Schröder, kurz bevor Sie bei RB anfingen, hatten Sie sich beim Padel-Tennis die Achillessehne gerissen. Sind Sie wieder fit?
Rouven Schröder: Ich habe neulich mal wieder gespielt, nur aus dem Stand, um auszuloten, wie die Bewegungen wieder laufen. Soweit ist alles in Ordnung, ich bin natürlich noch vorsichtig. (Die geplante Partie im Trainingslager kam witterungsbedingt nicht zustande, Anm.d.Red.)
Durch die Leihe von Timo Werner kam plötzlich Hektik auf im zuvor so ruhigen La Manga. Was macht das Winter-Transferfenster speziell?
Das Winter-Transferfenster sind komprimierte vier Wochen. Da sind die Gespräche schnell auf dem Höhepunkt, dann wird abgewogen – machen oder nicht machen? – und dann ist das Fenster auch schon fast wieder geschlossen. Im Sommer ist der Prozess eher wellenartig mit vielen Steigungen, aber dann flacht es auch mal wieder ab. Der Winter-Transfermarkt ist kurz und prägnant, aber schwer zu bespielen. Wir tun Dinge nur aus vollster Überzeugung. Die Integrationsphase für Zugänge ist kurz, das muss zu 100 Prozent passen.
In der Vergangenheit hat RB im Winter öfter Vorgriffe für den Sommer zu tätigen. Inwiefern ist das auch Ihre Denke?
Eljif Elmas ist genau so ein Spieler. Ein Transfer wie dieser ist eigentlich im Winter schwer umzusetzen. Dass ein Spieler dieser Qualität seinen Verein im Winter verlässt, ist sehr selten. Es gibt natürlich auch Transfers, die wir im Winter für den nächsten Sommer schon fix, aber noch nicht publik machen.
Red-Bull- und RB-Aufsichtsratschef Oliver Mintzlaff hat für Planungsgespräche drei Stunden im Teamhotel vorbeigeschaut. Hat er Budget für weitere Spieler locker gemacht?
Große Anerkennung, dass er und Mario Gomez in ihrer knapp bemessenen Zeit persönlich vorbeigekommen sind. Wir haben da alle aktuellen Themen der Lizenzmannschaft besprochen. Was das Budget angeht, ist es in einem Fußballklub bestenfalls wie in einem Unternehmen: Es gibt klare Planungen, Abläufe, Bemessungsgrenzen und Budgets. Daran orientieren wir uns: Ist was möglich? Wenn ja, wann? Und wenn nicht, dann eben nicht.
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Rouven Schröder: „RB ist eine absolute Erfolgsgeschichte”
Was macht es anders, Sportdirektor von RB Leipzig zu sein, als etwa auf Schalke?
Die tägliche Arbeit in der Kommunikation mit den Beratern, Verhandlungen, Verträge, Scouting und Abwägungen ändert sich grundsätzlich nicht. Das ist das Tagesgeschäft. Mit RB Leipzig ist man natürlich auf einem anderen Markt unterwegs als bei Schalke, Mainz oder Bremen. Aber jeder hat seine Konkurrenz innerhalb des Marktes, des Budgets und der Gehaltsvorstellungen. Wir besprechen andere Profile, sind natürlich deutlich höher in puncto Budgets und Transfersummen. Die internen Abläufe sind vielleicht auch ein wenig schlanker, das hat sicherlich etwas mit unserer Organisationsstruktur zu tun.
Der Markt gerade für junge Spieler bis 24 Jahre, wie RB sie sucht, ist umkämpft. Was ist Ihr Hauptargument beim Werben um ein Talent?
Das Gesamtpaket. RB ist eine absolute Erfolgsgeschichte. Unsere Aufgabe ist es, ein klares Bild bei den Spielern zu erzeugen. Wir zeigen auf, was in den vergangenen Jahren passiert ist. Da finden sich genügend Beispiele, wie grandios sich junge Spieler hier entwickelt haben.
Wie konkret arbeiten Sie da?
Man kann durch Worte Bilder erzeugen, indem man sprachlich eine Nähe schafft, aber auch visuell. Wir zeigen interessanten Spielern auch den Weg auf, den andere Akteure auf dieser Position bei uns gegangen sind. Dazu kommt der besondere Standort Leipzig, dass wir hier auf höchstem Level jeden Tag Fußball denken, unheimlich gute Mitarbeiter haben, gute Möglichkeiten in der Infrastruktur, in der Kommunikation, dem Stadion, Umfeld und der Stadt. Marco Rose als Trainer ist natürlich ein Faustpfand. Wer Fußballer ist, kann diesen Standort nur lieben, weil du dich perfekt auf die allerhöchste Stufe vorbereiten kannst. Denn trotz Champions League herrscht hier im Umfeld eine gewisse Ruhe.
Wir werden nicht jeden Spieler bekommen, aber wir sind nie chancenlos mit dem, was wir aufzeigen können und wie wir vorgehen.
Rouven Schröder, RB-Sportdirektor
Was macht für Sie die Herausforderung bei Transfergesprächen aus?
Du brauchst Menschenkenntnis, um zu erkennen, was du für einen Typen gegenüber hast. Wie hört er dir zu? Braucht er Emotionalität oder rationale Argumente? Bist du mit dem Spieler im Stadion oder sitzt du im Ausland bei der Familie am Küchentisch? Da gibt es Unterschiede. In der Gesamtheit mit allen Beteiligten sind wir so aufgestellt, dass wir Zugang zu den Spielern finden. Wir werden nicht jeden bekommen, aber wir sind nie chancenlos mit dem, was wir aufzeigen können und wie wir vorgehen.
Wie schnell haben Sie selbst sich mit RB Leipzig identifiziert?
Die Voraussetzungen bei meinem Start im April waren andere: Ich kam als Unterstützer und Sparringspartner für Max Eberl. Trotzdem war das eine bewusste Entscheidung für den Verein, der einen sehr guten Ruf in der Branche hat. Das war genau der Schritt, den ich machen wollte, um die Infrastruktur und die Möglichkeiten aufzusaugen und in diesem hochprofessionellen Umfeld zu arbeiten. Ich versuche, immer offen und klar zu sein, hatte nullkommanull Probleme, mich in den Verein zu integrieren. Es geht auch um das Zwischenmenschliche, Authentizität und Empathie. Man muss dem Verein gegenüber die Sensibilität und den Respekt haben, sich zunächst umzuschauen, wie die Leute ticken. Ich konnte mich hier schnell identifizieren. Ich versuche mein Bestes, um einen guten Job zu machen, die Leute mitzunehmen und zu begeistern.
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Schröder: „Ich kann wirken, arbeiten, Dinge mitentscheiden”
Das klingt nach starkem „Commitment” zum Verein? Das hatte Mintzlaff bei Max Eberl vermisst.
Wir machen jeden Tag einen Job, den du gar nicht machen kannst, wenn du dich nicht wohlfühlst. Da ist so viel Tempo drin, da wird so viel Energie gebraucht. Ich kann wirken, arbeiten und Dinge mitentscheiden.
Sehen Sie sich eher als Dienstleister für Trainer Marco Rose oder als Visionär, wie sich der Kader strategisch entwickelt?
Von beidem etwas. Wir arbeiten hier als Team mit vielen schlauen Köpfen, die sich jeden Tag Gedanken machen, wie wir den Klub noch besser aufstellen und perfektionieren können. Ich bin sehr eng im Austausch mit unseren Geschäftsführern Johann Plenge und Florian Hopp oder auch mit Mario Gomez. Und natürlich spreche ich auch sehr oft mit Marco Rose. Als Sportdirektor und Kaderplaner müssen wir Dinge im Hier und Jetzt beeinflussen und gleichzeitig denkt man bei Transferplanungen und Vertragsgesprächen immer auch strategisch über den Sommer hinaus. Den Verein in fünf Jahren zu beschreiben, ist mittlerweile angesichts der Dynamik des Geschäfts nicht mehr denkbar.
Gibt es eine Rouven-Schröder-Transfer-Handschrift?
Prägnant sind zwei Dinge: In Mainz haben wir mit unserem Team über Jahre einen hohen Marktwertüberschuss erzielt, der dem Verein in Corona-Zeiten sehr gutgetan hat. Darüber hinaus haben wir nicht nur Spieler weitergebracht, sondern auch Infrastruktur entwickelt und uns professioneller aufgestellt. Auf Schalke ging es darum, den Verein nach dem Abstieg zu konsolidieren, damit er überhaupt weiter existiert und zugleich direkt wieder aufzusteigen. Entscheidend ist, dass man eine gewisse Pace hat, den Ehrgeiz im Tagesgeschäft, Dinge konkret umzusetzen, zu handeln und nicht auszusitzen. Der Berg an Arbeit kann noch so groß sein, er wird bearbeitet und erklommen. Da hilft es, im Team Wir-Gefühl und Begeisterung zu erzeugen.
„Brauchen ein stabiles Gerüst an Spielern, die den Verein tragen”
Was ist Ihre Idee, wie sich der Kader von RB mittelfristig entwickeln soll?
Wir versuchen ganz einfach, die Erfolgsstory der vergangenen Jahre weiterzuschreiben. Das heißt einerseits, immer wieder frische Talente zum Verein zu holen, die wissen, was es bedeutet, für RB Leipzig zu spielen. Und andererseits die Spieler vor Ort wertzuschätzen. Wir brauchen ein stabiles Gerüst an Spielern, die den Verein tragen – auch nach außen.
Bleibt es demnach auch Ziel, Spieler aufzubauen, die nicht nach zwei Jahren zum nächsten Klub gehen, sondern wie Forsberg & Co. eine Ära prägen können?
Nicht umsonst haben wir mit Willi Orban, Yussuf Poulsen, Kevin Kampl und Lukas Klostermann mit vier Konstanten dieses Klubs verlängert. Wir wissen aber auch, dass wir neue Korsettstangen benötigen. Aber die bilden sich in einer Gruppe heraus.
Als Max Eberl begann, hat er offensiv die Vision kundgetan, den FC Bayern eines Tages vom Thron stoßen zu wollen. Wie offensiv ticken Sie diesbezüglich?
Wir sind maximal ambitioniert, wirklich jedes Spiel gewinnen zu wollen und den bestmöglichen Job zu machen. Ich plädiere dafür, das realistisch einzuschätzen. Wir können uns ja auch nicht wie im Warenhaus an Spielern bedienen, haben etwa Transfererlöse zu erzielen, um auch wieder zu investieren. Das ist eine Frage des Budgets – das muss man alles mit bedenken.
Der Standort müsste erst mal gefunden werden, an dem ich mich nicht wohlfühle.
RB-Sportdirektor Rouven Schröder
Was ist – realistisch eingeschätzt – in der Rückrunde dieses Umbruchjahres noch drin?
Wir wären ja blöd, den Deckel draufzumachen und die Ziele nach oben zu begrenzen. Die schnellstmögliche Qualifikation für die Champions League ist unser primäres Ziel. Dann sehen wir weiter. Zunächst einmal möchten wir heute gegen Eintracht Frankfurt zu Hause ungeschlagen bleiben und drei Punkte holen. Die drei Gegner im Januar haben es gleich richtig in sich.
Wie passen Sie als Sauerländer nach Leipzig?
Ich habe mich in Franken wohlgefühlt, ebenso wie im Norden und im Ruhrgebiet. Der Standort müsste erst mal gefunden werden, an dem ich mich nicht wohlfühle. Ich gehe auf die Menschen zu, versuche offen, gesellig und unvoreingenommen zu sein. Das habe ich von meinem Opa.
Mit Schirm, Charme und Melone: Schröders Opa und seine „Dönekes” waren prägend
Was zeichnete Ihren Großvater aus?
Das war ein Typ mit Schirm, Charme und Melone. Er konnte Gruppen unterhalten, hat sich sehr gern mit Leuten umgeben. Wenn er erstmal ein, zwei „Dönekes“ (Anekdote aus dem Alltag, Anm.d.Red.) erzählt hat, ging es immer weiter. Das habe ich als kleiner Junge mitbekommen. Mein Vater hat viel gearbeitet, in den Ferien war ich oftmals bei meinen Großeltern und habe viel Zeit mit meinem Opa verbracht.
Sie haben als Abwehrspieler in Bochum, Duisburg und Lübeck gespielt. Welche Typen haben Sie als Fußballer geprägt?
Ich hatte prägende Trainer, die alle als Spieler etwas erreicht hatten. Mein erster Seniorentrainer war Wolfgang Paul, Kapitän der 1966er-Europapokal-Sieger von Borussia Dortmund. „Enatz“ Dietz war Kapitän der Europameister von 1980, Pierre Littbarski Weltmeister von 1990. Dazu kamen in Peter Neururer und Stefan Böger Typen, die nicht nur als Trainer ihre Berechtigung, sondern auch etwas zu erzählen und Charakter haben.
Was haben Sie mitgenommen?
Die Devise im Zwischenmenschlichen war immer: klare Kante, offenes Visier, ordentliches Verhältnis untereinander. Das hat mich geprägt. Ich war nicht das Top-top-Talent, musste mir alles hart erarbeiten und habe auch angeschoben, wenn ich auf der Bank saß. Ich habe ja lange meine Tennis-Ausbildung verfolgt und bin erst mit 23 Jahren sehr spät auf dem zweiten Bildungsweg Fußballprofi geworden. Davor habe ich viel den normalen Arbeitsalltag kennengelernt, habe Abitur und eine Ausbildung gemacht.
Gutes Rüstzeug für Ihren Job heute.
Man lernt durchs Leben. Das nutzt auch bei Verhandlungen. Wie gehst du in ein Gespräch rein? Wie tickt dein Gesprächspartner? Wie beschnuppert man sich? Wie ist die erste Zahl zu verstehen? Braucht einer einen zweiten und dritten Termin oder können wir uns direkt beim ersten verständigen und Klartext reden? Das kann man alles mit einbringen.