Trainerlegende Stepanovic im Interview „Marco Rose muss sich in Belgrad warm anziehen“
Man kennt Dragoslav „Stepi” Stepanovic als Trainerlegende von Eintracht Frankfurt. Doch der gebürtige Serbe hat auch eine lange Geschichte mit Roter Stern Belgrad. Vor dem Rückspiel in der Champions League zwischen Roter Stern und RB Leipzig (Di., 21 Uhr) hat der 75-Jährige mit RBlive-Reporter Ullrich Kroemer über die Atmosphäre im Marakana gesprochen, die „prekäre” Situation beim Belgrader Haupstadtklub und seine Zeit als Trainer von Marco Rose beim VfB Leipzig.
Stepi, Sie haben von 1973 bis 1976 bei Roter Stern Belgrad gespielt. Wie groß ist Ihre Verbundenheit zum Klub noch?
Dragoslav Stepanovic: Noch immer gut. Ich kenne den Manager von Roter Stern gut, habe dort noch einige Freunde aus der alten Zeit. Immer, wenn ich Roter Stern gucken kann, schalte ich ein.
Wie schätzen Sie die Lage im Klub gerade ein?
Sie sind sechs Mal hintereinander Meister geworden und haben sich mehr als sonst verstärkt. Das ist die teuerste Mannschaft in der Geschichte von Roter Stern. Aber derzeit sieht es schlecht aus. In der Vorbereitung konnte ich es kaum erwarten, bis ich das nächste Spiel schauen kann. Sie haben die Fiorentina mit 5:0 geschlagen. So ein Spiel habe ich von Roter Stern noch nie gesehen. Aber nach den ersten Spielen in der Liga sind sie in ein Loch gefallen. Es dauert sehr, sehr lang, bis sie wieder daraus hervorkommen. Die Situation ist sehr prekär.
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„Fünf Stunden in der Kabine gesessen”: Faneinfluss bei Roter Stern
Inwiefern?
Dass Partizan vor Roter Stern steht, ist für das Image eine Katastrophe. Mir macht Sorge, dass der Trainer noch keine Mannschaft gefunden hat. Vergangene Woche Mittwoch haben die Fans sehr intensiv mit der Mannschaft und dem Trainer gesprochen. Sie haben sehr deutlich gesagt: ,Wer Roter Stern trainiert, darf nicht Zweiter, sondern muss Meister werden. Wir wollen, dass ihr von der ersten bis zur letzten Minute alles gebt!’ Sie waren sehr lange in der Kabine. Das ist nicht gerade angenehm.
Sie sprechen aus Erfahrung?
Als wir ein Europapokal-Heimspiel verloren hatten, haben wir fünf Stunden da unten in der Kabine gesessen, weil sie oben auf uns gewartet haben. Das ist nicht leicht.
Das war bereits in den 1970er Jahren so?
Ja, ja. Die Fans standen und stehen hundertprozentig hinter dem Verein und unterstützen von der ersten bis letzten Minute. Diese Fans, die mit 50.000 bis 60.000 im Stadion sind, gibt es nicht oft in Europa. Sie beeinflussen den Gegner und helfen der eigenen Mannschaft. Ich verspreche Ihnen: Diese Fans singen 90 Minuten. Egal, ob Leipzig oder Roter Stern führt. Sie unterstützen den eigenen Verein, bis es nimmer geht. Das ist schön, wenn man weiß, dass sie hinter dir stehen, auch wenn du keine Kraft mehr hast. Sie sind stark und zeigen dir das – das hilft enorm.
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Mit Pelé kam der Stadion-Beiname Marakana nach Belgrad
Noch einmal ein Blick zurück: Sie waren einst bei Roter Stern einer der besten Außenverteidiger der Welt.
Ich war Fußballer des Jahres, zu dem mich die Kapitäne aller Mannschaften gewählt haben, hatte eine Einladung für die Weltauswahl. Vor etwa zehn Jahren habe ich einen Zeitungsausschnitt gefunden, in dem Sepp Herberger mit den Worten zitiert wurde: ,Dieser blonde Junge könnte hundertprozentig bei uns spielen.’ Leider habe ich davon zu spät gehört.
Das Belgrader Stadion wird nach südamerikanischem Vorbild Marakana genannt. Was ist das besondere an diesem Stadion?
Zunächst die Größe: Zu meiner Zeit waren 100.000 Menschen in dem Stadion. Als Pelé 1969 mit dem FC Santos zu einem Freundschaftsspiel nach Belgrad kam, bekam das Stadion den Beinamen Marakana.
Woher kommt diese immense Fußballbegeisterung in Belgrad?
Es gab in Ex-Jugoslawien vier große Mannschaften: Roter Stern und Partizan, Hajduk Split und Dinamo Zagreb. Einer von denen wurde immer Meister, aber die meisten Meisterschaften und Pokalsiege hatte Roter Stern. Das Zentrum des ex-jugoslawischen Fußballs war in Belgrad.
Stepi trainierte Rose
Sind Sie ab und zu noch selbst in Belgrad?
Manchester City spielt zum Abschluss der Gruppe in Belgrad. Weil ich bei beiden Klubs gespielt habe, bei Manchester City war ich sogar Kapitän, will ich mir dieses Spiel im Stadion anschauen.
Sie waren als Trainer auch beim VfB Leipzig aktiv und haben damals auch Marco Rose trainiert. Wie war er als Spieler?
Er war als linker Verteidiger nicht der Schnellste, aber er war gut im Zweikampf und hatte nach vorn immer wieder ein sehr gutes Auge. Ein äußerst angenehmer Typ und angesehener Spieler bei Lok. Bei Mainz hat er dann gezeigt, was er Wert ist. Und als Trainer muss ich nichts zu ihm sagen. Schöne Grüße, er muss sich in Belgrad warm anziehen.
Welche Erinnerungen haben Sie an das Intermezzo beim VfB?
Ich bekam von Lok damals den Auftrag, in sieben Spielen den Aufstieg in die 2. Liga zu schaffen. Die Deutsche Post stand schon als Werbepartner bereit. Aber Chemnitz hatte ein Spiel mehr und schaffte den Aufstieg. Ich bin nicht lange geblieben, weil ich verarscht wurde, als es um Neuzugänge ging. Da habe ich meine Sachen genommen und bin schnell weg.
Stepanovic: „Glaube, dass RB eine große Zukunft hat”
Was halten Sie von RB Leipzig?
Ich sag mal so: Wenn man in gut sieben Jahren Bundesliga das schafft, was RB Leipzig geschafft hat, dann wussten alle Beteiligten genau, was sie taten. Ich glaube, dass RB eine große Zukunft hat. In Leipzig wurde der ja DFB gegründet und war ein Zentrum des Fußballs. Wenn es so weitergeht, könnte die Stadt mit RB Leipzig wieder zu einem solchen Zentrum werden.
Wie bewerten Sie die Leipziger Mannschaft?
Ich hätte sie nicht so stark erwartet, aber der Eberl und der Schröder haben Granaten geholt, vor allem diesen Holländer und diesen Belgier. Sie brauchen nur ein paar Monate, bis sie sich gefunden haben. Aber die Spieler sind jung. Dazu gibt es einen passenden Spruch: Wer mit Kindern spielt, ist immer nass ...
Treffender Spruch, genau wie Ihr Dauerbrenner „Lebbe geht weider”.
Darauf werde ich ständig angesprochen. Ich könnte meinen Nachnamen Stepanovic ablegen und mich in Lebbegehtweider umbenennen.
Was erwarten Sie von dem Duell zwischen Roten Bullen und Rotem Stern ?
RB ist gut gestartet, war aber zuletzt nicht so stark. Und Roter Stern trägt es in seinem Charakter, dass sie gegen die besten Mannschaften auch die besten Spiele abliefern. Ich erwarte zumindest ein Unentschieden. Wer Liverpool schlägt, so wie 2018, kann auch RB Leipzig schlagen. RB ist Favorit, aber Favoriten gewinnen nicht immer. Roter Stern hat nichts mehr zu verlieren. Sie wollen und müssen ihre letzte Chance nutzen.