Tedesco wollte 80 Prozent Ballbesitz gegen Union „Nicht der Matchplan war das Problem, sondern dessen Einhaltung”
74 Prozent Ballbesitz hatte RB Leipzig gegen Union Berlin. Doch das war Trainer Domenico Tedesco noch nicht genug. „Wir wollten die Ballbesitzphasen extrem nach oben schrauben, um den Gegner zum Laufen zu bringen. Dann müssen es eben 80 Prozent sein, der Gegner wollte ja nix, hat uns im Mittelfeldpressing erwartet”, erklärte Tedesco nach dem 1:2. Der Gedanke dahinter: „Vielleicht schaffst du es, sie müde zu machen, dass sie ab der 60. Minute gar nicht mehr kontern können und wollen.”
Tedesco Idee war es, gegen Union wie Manchester City aufzutreten und so lange, ballsicher und clever zu verlagern, bis Räume entstehen. „Du muss extrem geduldig sein, drei, vier Mal verlagern, von Links nach Rechts, von Rechts nach Links und dann wieder zurück nach Rechts”, analysierte der Coach. So wie vor Timo Werners Pfostenschuss nach Pass von Benjamin Henrichs. „Da haben wir die Tiefe angespielt, so ist Union verwundbar.”
Tedesco: „Fisch war im ersten Durchgang geputzt”
Doch der Plan ging zu selten auf. Die Leipziger spielten nach gutem Beginn plötzlich ohne ordentliche Vorbereitung in Räume im Zentrum, in denen Union lauerte. So wie Handballer, die zu überhastet ihren besten Shooter anspielen, ohne den Angriff gewitzt und schnell genug eingeleitet zu haben. „Auf einmal kam ein Bruch rein, wir hatten zu viele Kontakte individuell am Ball, haben wenn überhaupt zu langsam verlagert”, monierte Tedesco. „Wenn wir tief spielen, muss davor eine gewisse Dynamik stattfinden. Da musst du geduldig bleiben, auch wenn es langweilig wirkt. So war der Fisch schon im ersten Durchgang geputzt.”
Systemfehler, also Ballverluste in verbotenen Räumen wie bei den Gegentoren, kamen in Tedescos Plan nicht vor. Es sei kein Problem der Restfeldverteidigung gewesen, sondern dass die Bälle überhaupt in diese roten Zonen gespielt wurden, sagte er. Wenn dann doch Fehler passieren, da RB Leipzig nun mal nicht Manchester City ist, sind große Teile der RB-Hälfte entblößt und Gegentore die fast zwangsläufige Folge.
Keinerlei Überraschungen für Union
Dass Unions Kapitän Christopher Trimmel sagte, dass die Unioner RB genau so erwartet hatten, es also keinerlei Überraschungsmoment im Spiel der Leipziger gab, mochte Tedesco nicht als Grund für die Niederlage gelten lassen. „Der Matchplan war bis auf die 20 Minuten klar zu sehen, da braucht es in diesem Spiel keine Flexibilität. Der Matchplan war nicht das Problem, sondern eher dessen Einhaltung in den entscheidenden 20 Minuten”, sagte der 36-Jährige überzeugt. „Das hat leider Gottes für Union gereicht.”
Bleibt die Frage, weshalb Tedesco auswärts so massiv auf Ballbesitz setzt, anstatt wie in der vergangenen Rückrunde die Gegner auch mal tiefer zu empfangen, um dann selbst kontern zu können, anstatt die Unioner dazu einzuladen, ihre größten Stärken zu präsentieren: Bälle abzufangen und präzise und blitzschnell zu kontern. Es machte RBL im Frühjahr aus, sehr flexibel mit Ballbesitz und Pressinglinien zu agieren. Diese Varianz und Cleverness ist aktuell nicht zu sehen.