Xaver Schlager im Exklusiv-interview „Das hat mich im Kopf gezeichnet“
RB-Führungsspieler Xaver Schlager kommt aus einer überlangen Verletzungspause. Vor dem Saisonstart mit dem Pokalspiel in Sandhausen spricht er mit RBlive-Reporter Martin Henkel über seine Reha-Zeit, Zweifel an einem Comeback, über Führungsstärke. Und er verrät sein Lieblingsessen.

Leipzig – Im April 2024 riss Xaver Schlager das Kreuzband. Es folgten weitere Rückschläge, die den Österreicher fast die gesamte vergangene Saison außer Gefecht setzten. Jetzt ist der 26-Jährige im RB-Team zurück – als Leistungsträger und Führungsspieler. Die Erwartungen sind groß, die Vorsicht freilich ist es auch.
Schlager ist vorsichtig
Im Interview vor dem Pokalspiel in Sandhausen morgen (15.30 Uhr/Sky) spricht der Mittelfeldspieler über Führungsstärke und Werte, über Leidenszeiten und Verzicht – und über Rindfleisch mit Flädle.
Herr Schlager, morgen Pokalspiel in Sandhausen: Sie liegen am Vorabend im Bett und denken an den kommenden Sommer. Was wünschen Sie sich?
In erster Linie, dass wir wieder Spaß gehabt haben.
Sie könnten von Platz eins bis vier träumen, von der Rückkehr in die Champions League oder vielleicht dem dritten Pokalsieg.
Ganz ehrlich, die meisten von uns wollen erst einmal, dass unsere Spiele wieder überzeugend sind, dass sich Siege gut anfühlen, dass der Weg stimmt.
Sie kommen aus einem Jahr voller Verletzung. Mit einem Kreuzbandriss, anhängigen Kniebeschwerden, zuletzt einem Nasenbeinbruch. Was wünschen Sie sich für sich selbst?
Dass ich mich nicht verletze.
Im Trainingslager haben Sie gesagt, aktuell ginge es für Sie nur ums Überleben. Wie meinten Sie das?
Mein Körper kämpft darum, dass er die Belastung verkraftet. Ich darf es nicht übertreiben.

Sie haben auch gesagt, sie werden eine ganze Saison brauchen, um ihre 100-Prozent-Version zu erreichen. Das ist ein langer Zeitraum.
Eigentlich nicht. Man darf den Körper nicht nur in Jahreszyklen denken, der entwickelt sich auch in längeren Zeiträumen, wird besser oder verliert Leistung.
„Froh, dass ich überhaupt wieder spielen kann“
Was ist das Schwierigste in so einer Phase?
Bei meinem ersten Kreuzbandriss war ich nach einem halben Jahr wieder da. Das war diesmal anders. Zu verstehen, dass es nicht im Zeitraffer heilt, war für mich eine extreme Herausforderung und hat mich im Kopf gezeichnet.
Wie das?
Wenn die Verletzung nicht heilt oder andere Komplikationen auftreten, kommt automatisch die Frage: Wie lange dauert es noch? War’s das vielleicht sogar mit der Karriere? Ich bin zurzeit einfach nur froh, dass ich überhaupt wieder spielen kann.
Macht die Reha einsam?
Einsam vielleicht nicht, aber man lebt ein komplett anderes Leben als die Teamkollegen. Irgendwann geht man einen eigenen Weg. Aber so eine Reha hat auch ihre guten Seiten.
Welche?
Ich hatte mehr freie Wochenenden als die anderen.
Was haben Sie in dieser Zeit gemacht?
Dinge, die mir Freude bereiten: Lesen, Reisen, Kochen.
Verraten Sie uns Ihr Lieblingsessen.
Frittatensuppe – also Rindfleischbrühe mit Flädle.
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Sie sind bekanntermaßen heimatverbunden. Wieviel österreichisches Essen lässt sich in Leipzig finden?
In der Nähe der Thomaskirche gibt es ein österreichisches Restaurant, die haben sehr gute Wiener Schnitzel.
Kalorien werden nicht gezählt
Wie wichtig ist Ihnen Essen?
Extrem wichtig. Aber ich muss mich zurückhalten: Die österreichische Küche ist sehr deftig.
Zählen Sie Kalorien?
Nein. Ich möchte Essen genießen.
Sie gelten mit Ihrer Art im Team als Führungsspieler. Sehen Sie das auch so?
Schon.
Was macht einen Führungsspieler aus?
Wenn du 0:1 hinten bist, braucht das Team Leader, die die anderen mitreißen. Im Grunde geht es darum, Hoffnung zu geben, wenn die Lage hoffnungslos scheint. Dazu gehört, dass man Werte vertritt, als Fußballer und als Mensch. Ein Führungsspieler lebt diese Werte und lebt sie damit vor.

Jede Generation hat einen anderen Begriff von Führung. Spüren Sie Unterschiede zu Kollegen, die um einiges jünger sind als Sie?
Ja, es ist mittlerweile total verschieden. Der Fußball spiegelt ja die Gegenwart im Großen wider. Es geht darum, sich nicht nur mit eigenen Wünschen und Vorstellungen zu beschäftigen. Wir Menschen – und gerade wir Fußballer – sind immer Teil von etwas, einer Gruppe, einem Team, einer Gemeinschaft. Es ist aber kein Selbstläufer, dass diese Gebilde funktionieren.
Was vermissen Sie?
Ich nehme wahr, dass Verzicht teilweise ein Problem ist. Um anderen zu helfen, muss ich meine Bedürfnisse zurückstellen können. Der Fußball ist sehr sensibel für solche Dinge. Fußball ist ein Mannschaftssport, die Basis ist Gemeinschaft, das Wir anstelle der Ich-AG. Umso schöner, wenn man die Entwicklung von Teams wie Paris Saint-Germain sieht.
Wie das?
PSG war lange Jahre mit Weltstars wie Messi, Neymar, Mbappe gespickt. Jetzt wirkt das Team wie eine Einheit, wo man sich in die Drecksarbeit reinteilt. Und plötzlich klappt es dann eben auch mit dem ersten Champions-League-Sieg. Daran waren sie ja lange gescheitert.
Verschwinden die Teamabende alter Prägung?
Können Sie solche Themen im Team platzieren?
Manchmal schon, aber die Zeiten sind wirklich andere. Früher habe ich zum Beispiel drei Kreuz‘l gemacht, wenn ich zu einem Teamabend mitgehen durfte. Das ist heute nicht mehr bei allen Spielern so.
Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Wir geben allem viel Freiheit. Das hat aber zur Folge, dass bei uns im Fußball die Teamabende, wie wir sie kennen, weniger werden oder verschwinden. Die Frage, die wir dann aber anders beantworten müssen, ist: Wie finden wir als Team so zusammen, dass wir auch wie eines spielen?
Was hilft?
Erfolg natürlich immer. Sonst geht es nur über Zeit. Zeit, dass man zusammenwachsen kann und viel miteinander macht.
Hat ihr aktuelles Team Zeit?
Man kann in die Vergangenheit schauen. Manchester United unter Alex Ferguson mit Beckham, Scholes, Giggs und Keane hatte Erfolg, weil der Kern lange zusammengeblieben ist. Das Barcelona mit Xavi, Iniesta, Puyol auch. Wir bei RB haben diese Geschichte auch geschrieben. Es braucht immer einen Kern, der lange zusammenbleibt, weil er ein Team trägt und über die Jahre zusammenhält.
Vergangene Saison ging mit Platz sieben in der Liga und dem fünftletzten Platz in der Champions-League-Vorrunde als die schlechteste Spielzeit in die RB-Geschichte ein. Was muss sich ändern, dass sich das nicht wiederholt?
Wir müssen lernen, wann wir welche Entscheidungen treffen. Was machen wir bei Ballgewinn? Was bei Ballverlust? Wer läuft wohin? Wer deckt wen? Und es geht viel um Verantwortung. Nämlich zu verstehen, dass alles, was ich tue – und vor allem, was ich nicht tue – Wirkung auf das gesamte Team hat. Basics halt.
Neuer Vertrag? Schlager zögert
Was hat dem Team gefehlt?
Ich will nicht urteilen, ich war nicht auf dem Platz dabei. Aber ich persönlich glaube, dass wir widerstandsfähiger werden müssen, um nicht einzubrechen, wenn es mal nicht nach Schema F läuft. Wir waren letzte Saison europaweit einer der Mannschaft mit den meisten Niederlagen nach Führung. Das zeigt, dass wir Qualität haben, aber die Basics nicht so da waren, wie wir sie brauchen.
Was ist das Schöne an einem letzten Vertragsjahr?
(lacht) Dass man einen hat. Und dass man die Dinge selbst in der Hand hat.
Ist Ihnen das wichtig?
Das ist mir grundsätzlich im Leben wichtig, ja.
Ihrer läuft kommenden Sommer aus. Bleiben Sie?
Wir Fußballer sind zwar öffentliche Figuren, aber für mich sind Zukunftsentscheidungen etwas Privates. Es ist mein Leben, für das ich eine Entscheidung fälle. Und ich kann auch nicht in die Zukunft schauen.