„Überzeugung, kein Wunschdenken” Xaver Schlager im Interview über Buddhismus, Backpacker und Bayern
Unter Trainer Marco Rose ist Xaver Schlager richtig wichtig bei RB Leipzig. Der typische Fußball-Profi ist der Österreicher aber nicht, wie im Interview schnell deutlich wird.
Die Brise ist nicht ohne, die Xaver Schlager von seinem Frühstückstisch im Trainingslager-Hotel zum Gespräch mit MZ-Reporter Martin Henkel begleitet. Dabei hat er sein Telefon und einen kleinen Beutel, in dem er ein Buch aufbewahrt zum Schutz vor Unbill und Wetter.
Es ist „Siddartha“ von Hermann Hesse, die Geschichte eines jungen Brahmanen, der nicht durch Lehre, sondern durch Selbsterfahrung zum Buddha wird. Damit lässt sich in ein Gespräch mit dem 25 Jahre alten Österreicher vortrefflich einsteigen.
Siddartha ist eine Annäherung an den Buddhismus. Wie sehr interessiert Sie das?
Xaver Schlager: Der Buddhismus interessiert mich sehr. Und die Erzählung auch, aber es ist mein erstes Buch dazu. Ein Einstieg. Es gefällt mir aber gut.
Sie waren im Dezember zweieinhalb Wochen in Thailand. War erst das Buch bei Ihnen oder Sie auf Reisen?
Auf Reisen.
Backpacker Xaver Schlager
Durchgebucht oder von einem Tag auf den anderen?
(lacht) Ich war mit dem Rucksack unterwegs. Die Vorgabe war, nur zwei Nächte an einem Ort und immer erst am Abend entscheiden, was man am nächsten Tag unternimmt, wohin es geht.
Das ist für Profifußballer eine eher ungewohnte Art zu urlauben.
Ich wollte das schon immer mal machen. Endlich hatte ich die Zeit dafür. Sonst geht das ja nicht. Wir Fußballer sind privilegiert, klar. Was aber die Freizeit- oder Urlaubsplanung anbetrifft, normalerweise eher eingeschränkt. Vor allem im Winter, wenn es fast keine Pause gibt.
>>> Lesen Sie hier: Zehn Erkenntnisse aus dem RB-Trainingslager in Abu Dhabi
Wie muss man sich den Profifußballer Xaver Schlager als Backpacker vorstellen?
So wie jeden anderen, der sowas macht, auch. Ich war auf verschiedenen Inseln und in Bangkok und hab gemacht, was andere in meinem Alter so machen.
Wurden Sie erkannt?
Ja, von drei, vier Deutschen. Die kannten mich aus der Bundesliga.
Was sagt das Backpacken über Sie aus?
Das kann ich nicht sagen. Ich bin so. Ich bin kein Mensch, der im Urlaub ausschließlich rumliegt. Wenn ich nur zehn Tage frei habe, dann kann man das mal machen. Aber jetzt waren es mehrere Wochen, das war die Chance, etwas von der Welt zu sehen.
Sie sind eine eher alpische Natur und mögen es nach eigener Aussage lieber kühl. Wie erging es Ihnen in den Tropen?
Das Wasser war ein bisschen warm. Wir waren in der Regenzeit da und es war draußen gefühlt kälter als im Meer. Aber es ging, ich fand es großartig.
Jetzt sind Sie zurück im milden Leipziger Winter. Glücklich auch nach den vergangenen zehn Tagen im sommerlichen Abu Dhabi?
Ich dachte, es würde heißer sein. Aber das Wetter war sehr angenehm. So hat es gepasst. Das ganze Jahr über wäre das aber nichts für mich. Ich brauche den Wechsel, um die Kälte und die Wärme genießen zu können.
Wie fällt Ihr Fazit des Trainingslagers aus?
Wir haben top trainiert, die Bedingungen waren perfekt. Es kann wieder losgehen.
RB-Reporter Martin Henkel war mit vor Ort: Zehn Erkenntnisse aus dem Trainingslager von RB Leipzig in Abu Dhabi
Bankdrücker unter Tedesco: „Habe viel über mich gelernt”
Sie werden aller Voraussicht nach als Stammspieler in die verbleibende Saison gehen. Unter Marco Roses Vorgänger Domenico Tedesco waren Sie Ersatz. Wieviel fernöstliche Gelassenheit haben Sie zu diesem Zeitpunkt gebraucht?
Eine Menge. Ich habe in dieser Zeit aber viel über mich gelernt.
Was genau?
Manchmal geht es hoch, und es geht auch wieder runter. So ist das im Leben. Ich habe erfahren, was es heißt, machtlos zu sein, weil man nicht alles beeinflussen kann, was gerade passiert. Und ich habe gelernt, geduldig zu sein. Ich denke, das ist für uns Menschen die größte Herausforderung: warten zu können. Das war bei mir auch so. Das muss man trainieren.
Domenico Tedesco meinte einmal im Zusammenhang mit Ihnen, Sie seien nicht sein, sondern der Transfer des Klubs gewesen. Hat Sie das getroffen?
Nicht wirklich. Wir haben uns einmal über meine Rolle unterhalten, ich konnte ihn verstehen. Wenn man neu ist, muss man sich beweisen und die Spieler, die schon da sind, haben ein höheres Standing. Man darf ja nicht vergessen, das Team war gerade Pokalsieger geworden. Wieso soll man dann etwas ändern? Dass man im Misserfolg nicht gleich alles umwirft, ist ja auch klar.
Wie ist das Verhältnis zu Marco Rose?
Wir kennen uns schon sehr lange. Wir haben in Salzburg im Nachwuchs zusammengearbeitet und auch im Profibereich. Wir haben eine ähnliche Spielidee, deshalb passt es so gut.
Bier und Witze mit Marco Rose
Was schätzen Sie an ihm?
Er hat einen sehr guten Mix aus Ernsthaftigkeit und Lockerheit. Er versteht uns Spieler. Er weiß, in gewissen Momenten muss man da sein, da gibt es kein Verhandeln. Und dann wieder kann man Spaß haben, sitzt zusammen, trinkt mal ein Bier, macht ein paar Witze.
RB ist nach Salzburg und Wolfsburg ihr dritter Klub. Wo fühlt er sich im Vergleich für Sie an?
RB ist der Klub mit dem bislang höchsten Niveau für mich. In Salzburg zum Beispiel waren wir alle noch sehr jung und wir hatten viele schnelle Abgänge von Spielern.
Sie kennen bis auf die Bayern und Schalke das Niveau eines jeden Liga-Konkurrenten in dieser Saison. Was spüren Sie, geht für RB in der Meisterschaft?
Wir können gegen jede Mannschaft gewinnen. Das denkt man als Fußballer zwar vor jeder Saison, aber oft begrenzt man sich dann doch selber und sagt: Gegen die gewinnen wir nicht, die sind zu gut. Das ist jetzt anders. Wir wissen durch die letzten Spiele, was wir können, zu was wir imstande sind. Das ist Überzeugung, kein Wunschdenken.
Sich nicht zu begrenzen, heißt dann aber auch, die Meisterschaft anzupeilen?
Wir sind noch nicht mal bei der Hälfte der Spiele. 19 haben wir noch, das ist ewig viel. Wir hatten auch eine sehr lange Pause, das ist jetzt wie ein Neustart. Am letzten Spieltag wird gerechnet. Was dann dabei herauskommt, wer weiß. Aber dass wir selbstbewusst sind, das ist so.
In den Spielen vor der WM-Pause sah es von außen so aus, als würde das Team von einer Welle getragen. Wie haben Sie das wahrgenommen?
Anders. Es war eher so, dass wir uns das alles erarbeitet haben. Wir mussten in vielen Spielen Widerstände brechen. Aber es gab im Team die Überzeugung: Nein, wir fallen nicht um. So wie im Spiel gegen Augsburg…
Sie lagen zur Pause 0:3 zurück …
… genau. Da war nix auf der Welle. Das war Drama.
Schön anzusehen.
Aber nicht für uns Spieler. Doch die Partie war wichtig für einen Push bei uns. Zu wissen, es ist in dieser Verfassung sehr viel möglich. Noch 3:3 gespielt zu haben, war wie: Wir können immer noch was reißen, egal wie es steht.
Sie sind gut befreundet mit Konrad Laimer. Der wird vielleicht zu den Bayern wechseln, und dann kommen die auch noch zum ersten Pflichtspiel des Jahres nach Leipzig. Haben Sie Einfluss auf seine Entscheidung?
Er allein muss entscheiden, was er tun will. Es ist ja seine Karriere und nicht die anderer. Wenn er sich entschieden hat, dann wird er es verkünden. Mit mir hat das nichts zu tun.
Oldtimer statt Ferrari
Der schönste Satz der Hinrunde stammt von Ihnen. Nach dem 1:4 in der Champions League sagten sie, das sei so, als würde man einen neugekauften Ferrari gegen die Wand fahren würde. Schon mal ausprobiert?
(lacht) Ich würde mir keinen Ferrari kaufen, zumindest keinen hochmodernen.
Was wäre ein Auto, das zu Ihnen passt?
Ich denke, ein Oldtimer. Früher habe ich von einem Mustang, einem 68iger, geträumt. Aber ich habe mir sagen lassen, der kann nur gut geradeausfahren, in den Kurven taugt der wenig. Deswegen würde ich mir keinen kaufen, in den Alpen wäre das nicht von Vorteil. Ein alter Porsche wäre interessant, an dem man auch rumschrauben kann. Oder vielleicht ein umgebauter Bulli, mit dem ich einfach mal ein Wochenende irgendwo hinfahre und drin schlafen kann. Ich glaube, sowas würde gut zu mir passen.