RB LeipzigPro & Contra zum Wechsel von Timo Werner zum FC Chelsea: „Was will er da?”
Dass Timo Werner RB Leipzig verlässt, kam nicht überraschend. Dass er wohl zum FC Chelsea wechselt, hingegen schon. Hat sich der Toptorjäger verpokert? Ein Pro und Contra:
Pro von Ullrich Kroemer: Mehr als ein guter Kompromiss
Timo Werners Wahl mag auf den ersten Blick überraschen. Doch wer den sensiblen Stürmer über die Jahre in Leipzig genau beobachtet hat, weiß, dass sich der 24-Jährige in der Verfolgerrolle ganz wohl fühlt. Der FC Chelsea, der seine Umstrukturierung auf Werner ausrichten und eine neue Mannschaft auf ihn zuschneiden will, könnte für Werners erste Auslandsstation genau der richtige Klub sein. Hier wird er gesetzt sein und kann von Position drei oder vier in der Premier League aus für Furore sorgen anstatt wie beim FC Liverpool in einem funktionierendem Stürmersystem den Drängler zu geben.
Erfolge im Fußball sind gewissen Zyklen unterworfen. Liverpool und Manchester City werden die Liga nicht ewig dominieren. Wenn Chelsea sich nun mit viel Geld und einem klaren personellen Plan verjüngen will, um wieder zurück an die Spitze zu gelangen, könnte das genau der richtige Zeitpunkt sein, sich den „Blues” anzuschließen. Jürgen Klopp war schließlich auch nicht zum Champion Liverpool gewechselt, sondern zum damaligen Ligasechsten.
Nächster Wechsel mit 26/27 Jahren zu einem Titelaspiranten
Das Entscheidende, das der Stürmertyp Werner bei seinem ersten Auslandsabenteuer braucht, ist Vertrauen. Und das schenkt ihm Chelsea-Legende Frank Lampard offenbar uneingeschränkt. Wenn es der Nationalstürmer schafft, mit Chelsea zu reüssieren, wird er seinen Marktwert noch einmal steigern und könnte dann im besten Stürmeralter von 26/27 Jahren den letzten Schritt zu einem Klub machen, der auch große Titel gewinnen kann.
Ein Wechsel in dieser Größenordnung unterliegt auch immer gewissen Zwängen. Möglicherweise wäre Werner ganz gern noch ein Jahr in Leipzig geblieben, hätte RB dann aber etwa 20 Millionen Euro weniger eingebracht. Wenn Wunschklub Liverpool gerade nicht zahlungskräftig ist, dann ist der Transfer nach London mehr als nur ein guter Kompromiss.
Contra von Martin Henkel: Halbherziger Schritt
Timo Werner wechselt in die Premier League und zieht nicht innerhalb der Liga weiter zum FC Bayern, wie schon so viele deutsche Talente vor ihm. Immerhin, in diesem Punkt folgt der 24-Jährige seinen eigenen Worten, ins Ausland wechseln zu wollen. Aber dass er zum FC Chelsea geht, wirkt trotzdem wie ein halbherziger Schritt. Was will er da?
Die „Blues“ haben ihre beste Zeit hinter sich. Das letzte Mal Meister waren sie vor drei Jahren, danach folgten die Ränge fünf und drei. Vergangene Saison haben sie die Europa League gewonnen. Auch okay. Aber ist es das, worauf Werner in fünf Jahren zurückschauen will, wenn er 29 ist und sein Vertrag ausläuft?
Dass Chelsea sich zu dem Premier-League-Klub zurückentwickelt, der er unter seinem Trainer José Mourinho einmal war, ist lange nicht sicher. Roman Abramowitsch, der aufgrund seiner Kreml-Nähe gerade kein Visa für England bekommt und sich mit seinem israelischen Pass nur sechs Monate pro Jahr visafrei in London aufhalten kann, soll angeblich müde sein, den FC Chelsea finanziell zu unterstützen. Nicht, dass sein auf elf Milliarden Euro geschätztes Vermögen dafür nicht ausreichen würde, aber eigentlich hat der Russe mit seinem Spielzeug gewonnen, was es zu gewinnen gab: Aufmerksamkeit, Glamour, Meisterschaften, Pokale und die Champions League 2012.
Verspielt Timo Werner seine Topkarriere?
Ein zweiter Unsicherheitsfaktor ist Trainer Frank Lampard. 13 Jahre spielte der 41-Jährige für Chelsea. Seit einem Jahr ist er Chefcoach. Seine Bilanz bislang: 42 Partien geführt, die Hälfte davon gewonnen, die andere entweder Remis gespielt (acht Mal) oder verloren. Dass die ehemalige Chesea-Ikone das Trainergeschäft beherrscht, ist keineswegs sicher. Die jüngste Bewährungsprobe vor der Corona-Pause war ein Heimspiel gegen die Bayern im Champions-League-Achtelfinale. Sie ging krachend 0:3 verloren.
Dahin also wechselt der treffsicherste deutsche Stürmer der vergangenen vier Jahre. Es hätte auch der FC Liverpool oder ein anderer Großklub sein können. Vielleicht nicht diesen Sommer, aber bestimmt im nächsten. Und noch ein Jahr in Leipzig zu reifen, wäre vielleicht auch nicht die schlechteste aller Optionen gewesen. Timo Werner hat die Chance gehabt, eine international beachtliche Karriere zu starten. Mit seinem Wechsel nach London hat er sie vielleicht verspielt.
(RBlive/ukr/mhe)