RB LeipzigDarth Vader im Corona-Modus: Inside-Report vom ersten Geisterspiel in der Geschichte von RB Leipzig
Julian Nagelsmann sieht aus wie ein Ninja-Turtle, als er mit einem schwarzen Mundschutz auf dem Pressepodest Platz nimmt, gut eine Stunde nach Abpfiff des 1:1 (0:1) gegen den SC Freiburg zum Auftakt der ersten von neun Geisterrunden im deutschen Fußball. Neben ihm: Christian Streich, der Trainer des SC Freiburg. Mit Abstand natürlich. Und vor den beiden: ein Mitarbeiter der Pressestelle von RB Leipzig. Er liest ihnen Fragen vor.
0,3 Grad unter der Grenze
Willkommen in der deutschen Corona-Liga! Die Fragen stammen von zehn zugelassenen Reportern, die während der PK auf der Pressetribüne die Antworten der zwei Fußball-Trainer in einem Livestream verfolgten. Sie hatten sie vorab via Whatsapp übermitteln müssen.
Abstand ist weiterhin oberste Pflicht. Vor allem von Außenstehenden zum Inner Circle dieser seltsamen Veranstaltung names Bundesligaspieltag, der den Auftakt zu weiteren acht Partie-Runden bildete, um die durch die Virus-Pandemie unterbrochene Meisterschaft zu Ende zu bringen. "Komisch", sagte Streich", sei das Spiel selbst nicht gewesen. "Aber das Drumherum.
Das Drumherum war ein leeres Stadion, das durch die Blautöne seiner Sitzschalen an diesem historischen 16. Mai 2020 wie ein überdimensioniertes Schwimmbad wirkte. Leer natürlich. Ganze 239 Personen sind zu dem RB-Spiel gegen den Sportclub zugelassen. Fußballer, Trainer, Betreuer, Ordner, ein paar Balljungen, TV-Leute, Pressemenschen, Vereinsobere und medizinisches Personal. Immer im Kopf die Hygiene-Regeln der Deutschen Fußballliga, die bereits beim Einlass ins Stadion Stellung bezogen haben: Fiebermessen.
Das Ergebnis der Temperaturanalyse im Ohr ergibt 36,7 Grad. Kein Grund für Stirnrunzeln, aber ganz knapp an der 37iger-Marke vorbei. 0,3 Grad drüber und der Weg hätte sofort wieder nach draußen geführt.
Stimme wie Darth Vader
So aber: über den roten Teppich zum Aufzug. Ein Mitarbeiter öffnet den Lift, weist auf ein aufgeklebtes gelbschwarzes Kreuz im Kabinen-Eck hin und wünschte "Gute Fahrt!", ehe die Tür sich vor ihm schließt. Oben angekommen geht es durch die verwaiste Cateringzone ins Stadion-Innere, wo eine Ruhe herrscht wie im Park. Tauben gurren unterm Tribünendach, Krähen ziehen ihre Kreise und wirbeln Wortfetzen auf, die sich von den Fußballern auf dem Rasen in der Arena verbreiten wie das Ave Maria in einer Kathedrale.
Im Abstand von zwei Tischen sitzen die Journalisten neben den Video-Assistenten von RB-Coach Julian Nagelsmann. Alle mit einem Mund-Nasenschutz versehen. Wer ihn lockert, aktiviert den strafenden Blick eines Ordners. Nicht jede Maßnahme ergibt Sinn in diesen Tagen, aber die Symbolik ist wichtig.
Das gilt auch für die Wechselspieler. Sie sitzen neben ihrem eigentlichen Unterstand in einer Art Ersatzprofigehege auf Stühlen mit mindestens zwei Metern Abstand. Alle tragen Maske, obwohl sie vergangene Woche zwei Mal negativ getestet wurden und eine Woche in Isolation am Cottaweg in der Akademie lebten.
Aber das sind auch Nachrichten an die Menschen, die normalerweise im Stadion sitzen oder stehen und es mit RB halten, dem Sportclub oder einem der anderen 36 DFL-Klubs der 1. und 2. Liga. Maske auf, Abstand halten, Hände waschen! Steht auch auf einer Papptafel im Spielertunnel, an dem die verschwitzten Profis zur Halbzeit in die Kabine laufen - ungewaschen, ohne Maske und aufgereiht wie auf einer Perlenkette. Manches geht eben nicht. Beim besten Willen nicht.
Deshalb tragen Streich und Nagelsmann ihre Mundschütze, als sie nach dem Remis die Geisterpartie kommentieren sollen. Erst auf drei voneinander weit entfernten TV-Gesprächsinseln im Innenraum des Stadions, später im Presseraum der Arena. Der Stoff von Streichs roter Maske ist dabei offenbar weniger eng verwebt als der schwarze seines Nachbarn Nagelsmann, der hinter seinem Ninja-Mundschutz klingt wie Darth Vader in "Krieg der Sterne".
Zweigeteilte Wirklichkeit
Der Leipziger Coach bezeichnet sein Corona-Accessoire trotzdem als "atmungsaktiv" und erklärt, zufrieden zu sein mit der Maske, dem Spiel seiner Mannschaft - exklusiv der elf verpassten Torchancen - und der merkwürdigen Stimmung im Stadion. Sei eben gewöhnungsbedürftig, vor allem, weil man sein eigenes Wort plötzlich versteht - und das aller anderen Teilnehmer an der Partie ebenfalls. Aber das habe ja auch seine guten Seiten.
Dabei schaut er zu Streich herüber. Der nickt anerkennend mit dem Kopf, unterscheidet aber nicht nur die Partie in zwei Hälften - eine "sehr gute" und eine, die "weniger gut" gewesen sei, da habe sein Team "Angscht gehabt" -, sondern auch die neue Wirklichkeit mit Spielen in leeren Stadien. Auf der einen Seite: "Die Partie hatte Qualität, die hat nicht gelitten." Aber eben das ganze Drumherum. Macht so keinen Spaß. Deshalb freue er sich "jetzt schon wahnsinnig, wenn die Menschen wieder kommen. Wir sind alle fußballverrückt, deshalb ist es schade, wenn niemand kommen und zusehen kann." (RBlive/mhe)