RB Leipzig"Stammplatz zurückholen und 15 Tore schießen": Yussuf Poulsen will nicht brav sein
Yussuf Poulsen von RB Leipzig hat eine klare Meinung und sieht die Spieler keinesfalls als Marionetten. "Es ist ja nicht so, dass wir wie Kinder in der Klasse sitzen und brav das machen müssen, was der Lehrer sagt. Jeder kann doch frei entscheiden, ob er spielt oder nicht", sagt der dänische Nationalspieler der Deutschen Presse-Agentur in einem Interview.
Wie sieht Ihr Tagesablauf in der Quarantäne aus?
Von acht bis zehn Uhr gibt es Frühstück. Meist ergeben sich zwei Gruppen. Die Familienväter sind schon früh da. Das ist in unserem Körper, auch wenn wir nicht bei der Familie sind. Ich hatte mich sehr auf das Ausschlafen gefreut - und dann war ich kurz vor acht Uhr wach. Die jüngeren Spieler kommen dann meistens später zum Frühstück. Im Anschluss haben wir Videositzungen und nach dem Mittagessen Training. Abendessen ist von 19 bis 20 Uhr, danach gehen wir auf die Zimmer, einige spielen noch etwas zusammen.
Müssen Sie Mundschutz tragen und Abstände einhalten?
Einen Mundschutz tragen wir in der Akademie nicht, aber natürlich sitzen wir mit Abstand am Tisch, haben unsere Einzelzimmer und ziehen uns auch dort um. Die ersten beiden Tage haben wir auf der Terrasse gegrillt, da war das kein Problem. Es wird versucht, dass wir so viel wie möglich draußen essen. Und wenn wir wie am Samstag ins Stadion fahren, halten wir uns natürlich an alle Auflagen, tragen Mundschutz und verbringen möglichst wenig Zeit in der Kabine.
Können Sie sich frei bewegen?
Ja, das können wir. Wir sind ja auch nicht im Gefängnis und haben hier viele Möglichkeiten, draußen wie drinnen. Nur der öffentliche Teil der Akademie ist klar abgetrennt. Es wird auch darauf geachtet, dass wir nie alle in einem Raum sind.
Sie sind der Spielebeauftragte des Teams. Was haben Sie mitgebracht?
Eine ganze Menge. Es war zuerst nicht klar, ob wir 7 oder 14 Tage in Quarantäne gehen. Und ich wollte die Jungs von der Playstation wegkriegen. Deshalb habe ich Wikingerschach, Crocket und Boccia mitgebracht. Und ich habe jede Menge Brettspiele dabei, unter anderem den Fußball-Manager, der offiziell noch gar nicht auf dem Markt ist. Ein Freund von mir ist da in die Entwicklung involviert und hat mich gebeten zu schauen, was gut ist und was man noch verbessern könnte. Einen Teil der Spieler habe ich schon von der Playstation wegbekommen.
Ihr Sohn ist erst wenige Monate alt, der große Teil der Familie lebt in Dänemark. Wie gehen Sie mit der aktuellen Situation um?
Natürlich ist das keine normale Situation. Ich muss sagen, ich habe in den vergangenen Wochen so viel Zeit mit meiner Freundin und meinem Sohn verbracht, wie es normalerweise nicht möglich gewesen wäre. Jetzt kann ich sie ein paar Tage nicht sehen und verpasse etwas. Mein Sohn hat gerade seinen ersten Zahn bekommen. In Dänemark sind die Restriktionen schon ein wenig lockerer. Aber ein Besuch ist natürlich nicht möglich. Dafür haben wir oft Videoschalten mit der ganzen Familie gemacht. Auf diese Idee wären wir früher nie gekommen.
Einige Profis haben bei der Entscheidung über die Fortsetzung der Bundesliga mehr Mitspracherecht gefordert. Wären Sie auch gern gefragt worden?
Es ist ja nicht so, dass wir wie Kinder in der Klasse sitzen und brav das machen müssen, was der Lehrer sagt. Jeder kann doch frei entscheiden, ob er spielt oder nicht. Man muss eben abwägen. Auf der einen Seite sind da womöglich Sorgen, auf der anderen Seite steht man bei seinem Arbeitgeber unter Vertrag.
Wie wurde das bei RB Leipzig gehandhabt?
Uns wurde gesagt, dass uns die Entscheidung frei steht. Jeder soll für sich entscheiden, ob er spielen will. Als die Corona-Entwicklung im März noch am Anfang war und wir gegen Freiburg spielen sollten, sind wir von uns aus zur sportlichen Leitung gegangen und haben uns ausgetauscht. Dass man sich da Gedanken macht, ist doch menschlich, und das hat auch jeder verstanden. Letztlich haben dann die Politiker schnell reagiert.
Sie sind ein sehr emotionaler Spieler. Wird Ihnen bei den Geisterspielen etwas fehlen?
Nein. Ich ziehe die Emotionen aus dem Spiel. Natürlich ist es nicht dasselbe wie mit Fans. Es wird ein ganz anderes Spiel. Aber ich werde trotzdem bei 100 Prozent sein.
Haben Sie Erfahrung mit Geisterspielen?
Ja, tatsächlich. Mit Dänemark habe ich 2014 in der EM-Qualifikation in Serbien in einem leeren Stadion gespielt. Serbien war wegen Ausschreitungen bestraft worden. Das war schon ein komisches Erlebnis, aber letztlich war es so, wie es nun auch mit der Bundesliga ist: Man muss es einfach akzeptieren.
In Dänemark gibt es diverse Konzepte für Fans. Der FC Midtjylland will ein Autokino vor dem Stadion aufbauen und die Spiele zeigen, in Aarhus will man große Videowände im Stadion installieren, auf die dann Fans live geschaltet werden sollen. Was denken Sie darüber?
Das mit dem Autokino finde ich eine sehr gute Idee, denn da wird auch der Abstand eingehalten. Das mit den Videowänden hört sich ein wenig verrückt an. Aber letztlich müssen wir sehen, was funktioniert, und vielleicht können wir etwas in Deutschland für die neue Saison übernehmen, sollte da anfangs ohne Zuschauer gespielt werden müssen.
Ihr Trainer Julian Nagelsmann hat gesagt, man solle die letzten neun Ligaspiele als Turnier sehen, wie eine EM. Was halten Sie davon?
Ich brauche das für meine Motivation nicht. Ein Spiel ist ein Spiel, ob Testspiel oder Bundesliga. Aber jeder tickt da anders und das kann für andere Spieler ganz wichtig sein. Wichtig ist, dass man nicht im Spiel das Gefühl bekommt, dass man ein Testspiel bestreitet. Denn ohne die Fans, ohne die Atmosphäre im Stadion besteht vielleicht die Gefahr, dass es sich wie ein Testspiel anfühlt und man unbewusst nur 99 Prozent gibt.
Für Sie läuft es in dieser Saison nicht optimal. Ralf Rangnick hat kürzlich gesagt, bei Ihnen sei es gerade wie im zweiten Jahr unter Ralph Hasenhüttl. Was hat er gemeint?
Da hat Ralf ein bisschen recht. Ich hatte in unserer ersten Bundesliga-Saison ein richtig gutes Jahr. Dann kam mit Jean-Kevin Augustin ein neuer Konkurrent, der mich ein wenig weggedrängelt hat. Ich habe es dann erst in der Rückrunde geschafft, mir meinen Platz zurückzuholen. Von daher hätte ich nichts dagegen, wenn es wieder so läuft: Stammplatz zurückholen und nächstes Jahr 15 Tore schießen.
Yussuf Poulsen (25) ist dänischer Fußball-
Nationalspieler. Seine erste Profistation war bei Lyngby BK, seit 2013 steht der Stürmer bei RB Leipzig unter Vertrag. Poulsen stand in dieser Saison in 17 von 29 Pflichtspielen der Sachsen von Beginn an auf dem Platz. In der Rückrunde gehörte er allerdings nur ein Mal zur Startelf von Trainer Julian Nagelsmann.