"nicht jeder Vorwurf ist immer berechtigt" Anwalt über verbotene Ticketverkäufe, Abmahnungen gegen RB-Fans und juristische Schlupflöcher
Viagogo, Ebay, Kleinanzeigen: Nach der Corona-Pandemie hat RB Leipzig wieder mit steigenden Schwarzmarktaktivitäten im Internet zu kämpfen. Vor allem bei Highlight-Spielen wie gegen Real Madrid, Schalke 04 oder dem DFB-Pokal Finale steigen die Verstöße. Eine vierstellige Zahl an Fällen gab es allein in der vergangenen Saison.
Mit Unterstützung einer Anwaltskanzlei überwacht der DFB-Pokalsieger den inoffiziellen Ticketzweitmarkt. Die Betroffenen müssen mit Abmahnungen wegen Verstößen gegen die Ticketbedingungen rechnen, hohen Vertragsstrafen und teils sogar dem Entzug von Dauerkarten.
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Auf der anderen Seite juristischer Auseinandersetzungen stehen Männer wie Dirk Dreger (42). Der Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz ist leidenschaftlicher Fan von Fortuna Düsseldorf. Er vertritt regelmäßig Fußballfans gegen Abmahnungen der Bundesliga-Vereine. Im RBlive-Interview sagt er, viele Fans würden die Regelungen beim Weiterverkauf von Tickets überhaupt nicht kennen.
Sie vertreten Fans aus der Bundesliga, darunter auch von RB Leipzig, denen Verstöße gegen die Allgemeinen Ticket Geschäftsbedingungen (ATGB) vorgeworfen werden. Worum geht es da juristisch genau?
Die Grundlage für die Abmahnungen ist das Weiterveräußerungsverbot. Wenn man ein Ticket erwirbt, darf man es nur privat weiterverkaufen, aber man darf es nicht öffentlich auf Online-Börsen wie Viagogo oder Ebay tun. Das ist in den ATGB der Vereine festgelegt. Ausgenommen vom Weiterveräußerungsverbot sind offizielle Ticketbörsen der Klubs.
Meisten Betroffenen sind keine klassischen Schwarzmarkthändler
Warum sind die offiziellen Börsen legal?
Weil diese unter der Kontrolle der Klubs laufen. Fans müssen sich dort registrieren. Der Verein weiß, wer die Karte anbietet und übernimmt. So soll die Sicherheit gewährleistet werden, etwa dass kein Fan mit Stadionverbot eine Karte erwerben kann. Und auch sozialunverträgliche Wucherpreise wie auf dem Schwarzmarkt sollen unterbunden werden. In den Börsen werden die Tickets stets zum Originalpreis veräußert.
Gibt es Schlupflöcher, um sich gegen Abmahnungen erfolgreich zu wehren?
Ja. Wenn ich die Karten nicht vom Verein erworben, sondern selbst vom Zweitmarkt bezogen habe, dann habe ich die ATGB in der Regel nicht akzeptiert. In dieser Konstellation bestehen sehr gute Chancen, die Abmahnung als unberechtigt zurückzuweisen. Allerdings nur dann, wenn sie den Ticketbedingungen auch nicht in der Vergangenheit zugestimmt haben. Sie können nicht für etwas sanktioniert werden, das sie nicht akzeptiert haben.
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Sie bekommen in der Woche zehn bis 15 Anfragen aus der ganzen Bundesliga zu diesem Thema. Was für Fans wenden sich an Sie?
Die allermeisten Betroffenen, die sich an mich wenden, sind keine klassischen Schwarzmarkthändler. Sie haben die Tickets online nicht zu horrenden Preisen verkauft, sondern wollten ihre Karten einfach loswerden, um sie nicht verfallen zu lassen. Da würde ich eher von Fahrlässigkeit sprechen. Oder sie haben die Tickets an Leute weitergegeben, die sie dann auf den Plattformen verkauft haben. Der originäre Ticketerwerber bekommt dann als Vertragspartner des Vereines in der Regel die Abmahnung von den Klubs.
Wie gebe ich mein Ticket denn „richtig“ weiter, ohne juristischen Ärger befürchten zu müssen?
Sie sollten den Übernehmer der Karten zwingend über die ATGB des Vereins aufklären. Dazu sind Sie verpflichtet, dann sind Sie aus der Haftung raus. Aber mal ehrlich: Wer denkt schon daran, auf ATGB hinzuweisen bei einer privaten Weitergabe an den Schwager oder den Neffen?
"Jeder hat das Recht auf eine fachkundige anwaltliche Beratung"
Warum vertreten sie diese Klienten?
Ich bin selbst leidenschaftlicher Fußballfan und regelmäßiger Stadiongänger. Mir geht es darum, dass man die Leute sensibilisiert und aufklärt. Die meisten Fans haben von den Details der ATGB schlichtweg keine Kenntnis. Außerdem hat jeder Betroffene bzw. Abgemahnte das Recht auf eine fachkundige anwaltliche Beratung. Denn nicht jeder Vorwurf ist immer berechtigt.
Wie enden die Abmahnungen in der Regel?
90 Prozent der Menschen, die sich an mich wenden, haben die Ticketbedingungen akzeptiert. Die meisten dieser Fälle enden in einem Vergleich mit dem Verein, das heißt einer Kostenreduzierung. Der pauschale Schadensersatz in Höhe von 300 bis 500 Euro kann in der Regel erfahrungsgemäß um 50 Prozent reduziert werden. Voraussetzung ist jedoch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, welche ich für meine Mandanten anwaltlich modifiziere, damit kein unnötiges Schuldanerkenntnis abgegeben wird. Nach Zahlung des vereinbarten Abgeltungsbetrages ist die Angelegenheit ausgestanden.
Die Schwarzmarkthändler erwarten höhere Strafen?
Ja, da geht es um Wucher und kommerzielle Verkäufe von Privatpersonen. Scheinprivatverkäufer, die tatsächlich im gewerblichen Ausmaß verkaufen, erwarten höhere Strafen bzw. Abmahnkosten. Da bewegen wir uns eher im vierstelligen Bereich.
Ist es eigentlich erlaubt, ein Ticket direkt vorm Spiel am Stadioneingang zu verkaufen?
Auch die Weitergabe einer Eintrittskarte vor dem Stadion stellt einen Fall der zulässigen Weitergabe da. Nach den Ticketbedingungen ist allerdings ein Preisaufschlag von maximal zehn Prozent zum Originalpreis zulässig. Ein höherer Preisaufschlag macht die private Weitergabe laut ATGB dann unzulässig.