RB Leipzig„Aggressivität, Intensität, Vertikalität”: Marsch will RB Leipzig zurück zum Red-Bull-Fußball führen
Jesse Marsch begann seine erste Pressekonferenz mit einem Gag, als door opener sozusagen. Nach der Einleitung von Geschäftsführer Oliver Mintzlaff mit vielen lobenden Worten über Marschs Entwicklung als Trainer seit dem Start in New York 2015 sagte der neue Chefcoach: „Vielen Dank, ich habe zum ersten Mal so viele Komplimente von Oliver bekommen.” Da war das Eis schon gebrochen.
Jesse Marsch bei RB Leipzig: Angekommen mit Herz und Verstand
Marsch führte glaubhaft, emotional, herzlich und kein Stück abgehoben aus, warum er genau der richtige Mann für den Job ist. „Für mich ist Leipzig die perfekte Wahl. Ich habe das noch nie erzählt, aber seitdem ich in New York die Chance bekam, war mein Traum immer, Trainer bei RB Leipzig zu sein.” Da sprach keiner, der wie sein Vorgänger Julian Nagelsmann nur auf der Durchreise ist, sondern der mit Herz und Verstand da angekommen ist, wo er immer hinwollte.
Dass Marsch ein begnadeter Motivator ist, war schon bei seinen ersten Ausführungen zu spüren. „Ich glaube total an das Potenzial, die Fähigkeit, das Talent und die Mentalität dieser Gruppe”, sagte er. Überhaupt betonte er immer wieder, dass das Team und dessen Zusammenhalt bei ihm über allem stehe. „Ich muss meine ganze Erfahrung nutzen, der Anführer dieser Gruppe zu sein. Mein erstes und letztes Ziel ist es, dass wir eine starke Gruppe sind. Es ist mein Job, mit dieser Mannschaft mehr Entwicklung zu schaffen, und das werden wir gemeinsam machen.” Seine beiden Assistenten Achim Beierlorzer und Marco Kurth bezeichnete er als „Haupttrainer”. Im Mittelpunkt seiner Arbeit gerade mit jungen Spielern stehe Menschlichkeit.
Marsch: „Ich bin ein Fan dieser Mannschaft”
Dass dieser Trainer menschlich herausragend ist, wurde schon beim ersten Mal klar. Die große Frage wird sein, wie dezidiert Marsch das Team taktisch entwickeln kann. Marsch stellte heraus: „Ich bin ein Fan dieser Mannschaft.” Fast alle Spiele habe er gesehen. Nun will er die „besten Dinge der vergangenen zwei Jahre nutzen”, aber das Team zurückführen zu „unserer Philosophie des Fußballs” wie sie in Salzburg und vor drei Jahren in Leipzig praktiziert wurde. Es werde mehr „in Richtung Aggressivität, Intensität, Spiel gegen den Ball und vertikales Spiel” gehen. „Mein Ziel ist immer, das Spiel und den Gegner total zu kontrollieren, in jeder Phase Klarheit zu haben.” Marsch hat ganz offensichtlich die Idee und den Auftrag, die Red-Bull-Spielidee wieder klarer zu betonen und einen Kontrast zum Ballbesitzspiel unter Nagelsmann zu schaffen. Das Pendel wird wieder mehr in Richtung Atlético Madrid ausschlagen als in Richtung Manchester City.
Was die Ziele angeht, blieb Marsch im Vagen. „Es ist wichtig, dass die Mentalität stimmt. Der erste Schritt ist für mich, dass wir eine Mannschaft haben, die füreinander alles gibt, totale Leidenschaft, Kraft, positive Energie”, sagte er. „Wenn wir das schaffen, haben wir eine Chance gegen jeden Gegner.” Auch gegen die großen Rivalen in der Meisterschaft, hieß das wohl. „Gegen Top-top-Teams ist immer die Frage, over the hill zu gehen”, so der US-Amerikaner. Dazu brauche es einen klaren Plan, klare Strategie. „Unser Ziel ist es, gegen Mannschaften wie Dortmund und Bayern unser bestes Spiel zu spielen.”
Ob er dabei bevorzugt im 4-4-2 spielen lasse oder andere Grundordnungen wählen will, ließ Marsch bewusst offen. Er will in Leipzig häufiger variieren als in Salzburg. „Der Vorteil unseres Kaders ist, dass er so breit ist. Wir benutzen die Grundordnung, die wir in der jeweiligen Situation brauchen”, so der Coach. Doch abkippende Sechser, schwimmende Neuner und Hybridspieler Joker auf den Außenpositionen scheinen ohnehin nicht im Zentrum von Marschs Aufmerksamkeit zu stehen.
Wenn er eine gute Mischung aus seinen Vorstellungen und dem Nagelsmann-Fußball findet, von dem Marsch und die Spieler noch profitieren können, und das Team noch enger zusammenschweißt, kann das sehr erfolgreich werden. Dass Marsch gut mit Boss Mintzlaff kann, der ihn schon zum dritten Mal verpflichtete, ist ebenso von Vorteil.
(RBlive/ukr)