Mit de bruyne an der seitenlinie Plötzlich Kontrahenten: Ex-RB-Coach Tedesco trifft auf Leipziger Weggefährten
Neun Monate lang war Belgiens neuer Nationaltrainer Übungsleiter bei den Roten Bullen. Am heutigen Dienstag trifft er Timo Werner und David Raum wieder. An beiden entzündete sich auch ein Zerwürfnis.
An diesen Anblick muss man sich erst gewöhnen. Domenico Tedesco Arm in Arm mit Inter Mailands Sturmtank Romelu Lukaku, der dem früheren Trainer von RB Leipzig am vergangenen Samstag mit drei Toren im EM-Qualifikationsspiel gegen Schweden zu einem Hollywood-Einstand als Trainer der belgischen Nationalmannschaft verholfen hat. Oder an der Seitenlinie mit Kevin de Bruyne, dem vielleicht versierteste Spielmacher des Weltfußballs. Profi von Manchester City, man erinnert sich in Leipzig mit Grausen.
RB und Tedesco: plötzlich Kontrahenten
Der Belgier hatte im Rückspiel des Champions-League-Achtelfinales vor knapp zwei Wochen das 0:7 orchestriert. Jetzt macht der 31-Jährige gemeinsame Sachen mit dem Ex der Sachsen, die unter Tedesco nicht die schlechteste Zeit ihrer Vereinsgeschichte hatten. Sie erreichten das Halbfinale in der Europa League, wurden Vierter in der Liga – und gewannen den DFB-Pokal.
So schnell kann das gehen. Gestern noch ein Team, das feiernd durch Leipzig zog, und plötzlich Kontrahenten. Das war für Emil Forsberg mit Schweden der Fall, und das wird so sein, wenn Belgien und die deutsche Nationalmannschaft heute in Köln ihre Form testen (20.45 Uhr/RTL). Dann gibt es ein Wiedersehen zwischen Tedesco sowie den RB-Spielern Timo Werner und David Raum.
Ob es herzlich ausfallen wird? Vermutlich. Dennoch spielten beide Profis keine unwesentliche Rolle bei dem Zerwürfnis zwischen Tedesco und RB, das sich aus den Verpflichtungen von Werner, Raum oder Xaver Schlager entwickelte, weil der Club gegen den Willen des Trainers auf die Zukäufe bestand, während dieser eigentlich vorgehabt hatte, mit dem Kader aus der Vorsaison weiterzuarbeiten.
Tedesco und Belgiens "Goldene Generation"
Nach zwei fulminanten Pleiten gegen Frankfurt in der Liga (0:4) und Donezk in der Königsklasse (1:4) übernahm im Oktober dieser Saison Marco Rose Tedescos Job, nur neun Monate, nachdem der den glücklosen Jesse Marsch ersetzt hatte. Aber Schwamm drüber. „Es war eine tolle Zeit und in der Summe auch sehr erfolgreich“, sagte der 37-Jährige am vorigen Wochende. „Deshalb blicke ich sehr positiv zurück und fiebere auch noch etwas mit."
Trainer sind Wanderarbeiter im Fußball. Tedesco zog nach seiner Entlassung zurück nach Stuttgart, erfuhr beim Zahnarzt vom vakanten Job bei Belgiens Nationalmannschaft. Er bewarb sich, schaffte es auf die Shortlist des Verbandes und bestach mit einem zweistündigen Vortrag. Im Februar wurde er ins Amt bestellt.
Belgiens Nationalteam ist eine Herausforderung. Eine Mischung aus „Goldener Generation“ um Spieler wie Keeper Thibault Cortois (Real Madrid, fällt gegen die DFB-Elf verletzungsbedingt aus), Lukaku oder Kapitän de Bruyne, dazu Toptalente wie Amadou Onana (Everton) und Charles De Ketelaere (AC Mailand) sowie Spieler aus der zweiten Reihe, darunter vier Bundesliga-Legionäre. Tedesco soll daraus einen Titelträger formen, der endlich dem einsamen Olympiasieg von 1920 einen zweiten Erfolg an die Seite stellt.
Pokalsieg mit RB: „weltbekannte Wettbewerbe"
Die Partie gegen die Deutschen ist dafür ein erster Lackmustest, wie das aussehen kann, das ganze belgische Fußballtalent in eine Form zu gießen, um endlich zu erfüllen, was man sich von der De-Bruyne-Generation erhofft hatte – nämlich mehr als Platz drei bei der WM 2018 in Russland oder das Vorrundenaus beim WM-Turnier in Katar vergangenen Herbst.
Tedesco geht mit gemischten Gefühlen in sein zweites Länderspiel. „Aus gewissen Gründen hätte ich darauf verzichten können”, sagte am Tag vor dem Spiel. „Wenn ich die Wahl gehabt hätte, hätte ich das Spiel zumindest nicht so schnell gewählt. Auf der anderen Seite ist es eine richtig gute Geschichte. Ich bin Deutscher, ich bin im Alter von zwei Jahren hergekommen. Und es ist ein richtig guter Test.”
Sein Vertrag läuft bis nach der EM 2024 in Deutschland, doch das Arbeitspapier ist eher ein Auftrag. Auch der ehemalige RB-Trainer muss sich deshalb noch daran gewöhnen, dass er nicht Aue, Schalke 04, Spartak Moskau oder Leipzig trainiert, sondern den aktuell Vierten der Fifa-Weltrangliste. Der belgische Verband hatte die Nationaltrainerstelle übrigens per öffentlichem Verfahren ausgeschrieben. Drin stand unter Anforderungen: Erfahrung beim Sammeln von „Trophäen in weltbekannten Wettbewerben" und im Umgang mit den „besten Spielern der Welt.“