1. RB Leipzig News
  2. >
  3. News
  4. >
  5. Champions-League-Debakel für RB: Hausgemachter Knockout

Champions-League-aus für rb Hausgemachter Knockout

Ist der Kader zu klein, falsch zusammengebaut oder sind die Erwartungen zu hoch? Das frühe Aus in der Champions League ist eine Einladung an den Klub, das Team und sich selbst kritisch unter die Lupe zu nehmen. Eine kommentierende Analyse.

Von Martin Henkel Aktualisiert: 12.12.2024, 09:40
RB-Sportchef Marcel Schäfer (l.) und Red-Bull-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff
RB-Sportchef Marcel Schäfer (l.) und Red-Bull-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff Foto: Imago/Motivio

Leipzig – Das 2:3 gegen Aston Villa am Dienstagabend hat für RB Leipzig die Champions-League -Saison vorzeitig beendet. Nach sechs Niederlagen in sechs Partien hat der Red-Bull-Klub keine Chancen mehr auf die Playoffs; es sind nur noch zwei Duelle zu spielen.

Schäfer will Gründe für Verletzungen erforschen

Marcel Schäfer, Sportchef bei RB Leipzig, war entsprechend drauf, als er nach der Partie gefragt wurde, zu welchen Überlegungen der Königsklassen-K.o. den Klub einlade. Der frühere Spieler des VfL Wolfsburg antwortete: „Sollen wir jetzt alles in Brand stecken?!“

Schäfer räumte lediglich ein, dass man sich Gedanken darüber machen müsse, warum der Kader so viele Verletzte auf einmal zu beklagen habe: Acht Spieler sind derzeit nicht einsatzfähig. Dass es weitere Gründe für das unerwartet nüchterne Ausscheiden aus der Champions League geben könnte, wollte Schäfer nicht gelten lassen. Dabei liegen ein paar auf der Hand.

Kadergröße
RB ist mit 22 Spielern in die Saison gestartet. Darunter befinden sich Teenager wie der 18 Jahre junge Assan Ouedraogo, der 17 Jahre junge Viggo Gebel oder die 19 Jahre jungen Arthur Vermeeren, El Chadaille Bitshiabu und Antonio Nusa. Zudem tummeln sich unter den 22 Spielern Verkaufskandidat Andre Silva oder der bis vor zwei Wochen am Kreuzband verletzte Xaver Schlager. Ganz zu schweigen von Eljif Elmas, der in noch keinem Spiel gezeigt hat, wieso RB vor einem Winter 24 Millionen Euro für ihn bezahlt hat. Der Grund für den schmal gehaltene Personal? Viel Spielzeit für alle. Nur mit der Aussicht auf schnelle Entwicklungen konnte RB in der jüngeren Vergangenheit begehrte Talente an den Cottaweg holen. Ein sinnvoller Ansatz also, wenn man sich als Ausbildungsklub versteht.

Abschied ins Lazarett

Riskant aber ist so eine dünn besetzte Kabine, wenn man die intensive Spielweise bedenkt, mit der sich RB identifiziert: proaktiver, laufintensiver und schneller Angriffsfußball. Dass dieser Ansatz gerade wenig variabel ist, hat bei einer Vierfachbelastung mit Spielen in Liga, Pokal, Champions League und mit den Nationalteams aller drei, vier Tage zu den ersten Ausfällen geführt. Die haben ab einer kritischen Anzahl an Verletzten einen Teufelskreislauf in Gang gesetzt. Immer mehr Spieler verabschiedeten sich ins Lazarett, weil sie kaum noch Erholungszeit hatten.

Kaderstruktur
Die vielen Jungen im Kader haben kaum oder keinerlei Erfahrung mit Topteams bzw. als Stammspieler oder mit Duellen in der Königsklasse. Bestes Beispiel ist Ouedraogo, der im Sommer vom Zweitliga-Klub Schalke 04 kam. Lediglich bei Nusa spielt das keine Rolle; er ist die Entdeckung bei RB in dieser Hinrunde. Hinzukommen mit Xavi, Benjamin Sesko und Castello Lukeba Spieler, die erst 21 Jahre alt sind. Denen die Bürde aufzuschultern, in den nationalen Wettbewerben konstant über eine Saison hinweg auf Höchstlevel zu performen, und in Gesellschaft von 35 europäischen Topteams das Champions-League-Achtelfinale zu erreichen, ist mindestens gewagt. Wie Rose selbst vor Wochen sagte: „Die sind noch zu jung, um beständig auf hohem Niveau zu spielen, die haben auch ihre Tiefs.“

Keiner rüttelt, schüttel und feiert mal 'ne Grätsche

Zudem halten sich im Kader Spieler auf, die nicht auf Spitzenniveau agieren bzw. nicht das Vermögen dazu haben. Dazu zählen auch Akteure, Nationalspieler, die das Talent dafür hätten, es aber nicht abrufen. Warum nicht, können nur der Trainer und die Kaderplaner beantworten.

Persönlichkeiten
Jeder im Kader lobt die gute Stimmung: Benny Henrichs dreht die JBL-Box auf, die Jungen in der Kabine fühlen sich altersgerecht verstanden, die etwas Älteren lächeln den kleinen Generationsgap weg. Grantig wird in diesem Team niemand, es wird auch niemand laut, und es stellt auch niemand groß Saison-Anforderungen an die Mitspieler. Wenn es läuft, ist das der Gesamtstimmung zuträglich. Läuft es aber nicht, ist niemand da, der rüttelt, mal schüttelt und nicht zulässt, dass man zum Beispiel nicht bei der Sache ist, wenn Spiele wie das gegen Aston Villa beginnen. Nach drei Minuten stand es bereits 0:1.

Mintzlaffs unheilvolles Interview

Christoph Baumgartner sagte später: „Es ist kein Zufall. Es geht darum, dass wir von der ersten Sekunde an bereit sind, und das waren wir nicht.“ Doch auch der Österreicher, der um seine Topform ringt, peitscht keinen Mitspieler voran. Auch nicht Kapitän Willi Orban, auch nicht sein Stellvertreter Peter Gulacsi. Dass man einander mal feiert für gelungene Kriegeraktionen wie Grätschen oder Blocks, sieht man ebenfalls selten bis nie. Und bei denen man das früher gesehen hat, so wie bei Mohamed Simakan, den hat man im Sommer gewinnbringend verkauft.

Erwartungen
Das alles ist kein Drama wert, noch nicht einmal einen zu lauten Aufschrei. RB-Trainer Marco Rose hat ein potentes Team zusammen, das jung ist, tatendurstig, entwicklungsfähig. Aber eben schwankend in seinen Leistungen. In der Liga ist die Mannschaft trotz der vielen Verletzten auf Rang vier gut dabei, der Tabellenstand spiegelt das Vermögen und die aktuelle Situation wider. Im Pokal wiederum ist das Finale möglich. Und trotzdem herrscht rund um das Team eine Niedergeschlagenheit, die entweder aufgesetzt ist, weil man denkt, dass man als vermeintlicher Topklub eben fürchterlich enttäuscht sein muss, wenn man mal eine Champions-League-Saison auf dem Niveau der Young Boys Bern spielt.

Oder aber man denkt (und erwartet) tatsächlich in anderen Sphären. Bestes Beispiel dafür ist Red-Bull-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff, der in einem Interview Trainer und Team vorgeworfen hat, es sei nicht bereit, nach den ganz großen Weihen zu greifen. Wortwörtlich hieß es: „Wir waren noch nie da, wenn die Lücke aufgegangen ist.“ Die Messlatte ist seitdem die Meisterschaft, mindestens der Pokal, und in der Champions League, so der heimliche Klubchef, „wollen wir nicht nur mitspielen.“ Das aktuelle RB-Team kann diese Latte nur reißen. Dafür muss man nicht mal was in Brand stecken.