Eberl im Interview, Teil 2 „Routiniers sollen und müssen uns erhalten bleiben"
Im zweiten Teil des großen Interviews, das RBlive-Reporter Martin Henkel mit RB Leipzigs Sportchef Max Eberl geführt hat, geht es um Widersprüche, strategische Personal-Entscheidungen und die Förderung des Nachwuchses bei RBL. Interessant: Nachdem der 49-Jährige im Kicker angedeutet hat, dass auch gestandene Spieler den Klub in den nächsten zwölf bis 18 Monaten werden verlassen müssen, rudert er im Gespräch mit RBlive zurück.
Teil 1 des Interviews mit Max Eberl lesen Sie hier
Herr Eberl, was reizt Sie an Ihrem neuen Job bei RB Leipzig?
Formbarkeit und die Lust, etwas Neues in meinem Leben zu machen. RB ist für mich ein sehr spannender Verein. Er ist modern, er ist kraftvoll, sehr ambitioniert, ist extrem gut aufgestellt und ich habe die Chance, auch größere Erfolge in den Fokus nehmen zu können.
Traditionalisten unter den deutschen Fußballfans werfen ihnen vor, die Seiten gewechselt zu haben. Sie standen für Fußballromantik und altvordere Werte. Hat man sich in Ihnen getäuscht?
Abseits vom Inhalt des Vorwurfs bin ich weit davon entfernt, mich für Entscheidungen zu rechtfertigen, die mein Leben betreffen. Ich allein muss in den Spiegel schauen können und mich irgendwann vielleicht dem Herrgott erklären.
„Andere Vereine hatten 40, 50 Jahre Vorsprung, sich in Position zu bringen”
RB Leipzig wird für das Unterlaufen des Vereinsgedankens im Fußball und die angeblichen Motive seiner Gründung kritisiert und angefeindet. Auch sie haben dagegen polemisiert. Was hat sich geändert?
Ich habe bei aller Polemik gegenüber einem Konkurrenten auch früher schon anerkennend darüber gesprochen, dass bei RB aus der Anschubfinanzierung, die es ohne Frage gab, etwas geschaffen wurde. Mittlerweile hat sich der Klub seine eigenen finanziellen Möglichkeiten erarbeitet. Ohne andere Vereine kritisieren zu wollen, muss der Gedanke erlaubt sein, dass einige von denen an sehr potenten Standorten 40, 50 Jahre Vorsprung hatten, sich in eine Position zu bringen, die RB mittlerweile innehat. Jetzt bin ich hier und sehe mit eigenen Augen, wie gut hier gearbeitet wird. Und was mir am meisten gefällt, ist, dass der Sport im Alltag absolut im Vordergrund steht. Für jemand, der im Fußball arbeitet, ist das ein Segen. Fans dürfen das gern anders sehen.
Christopher Vivell, Leipzigs Kaderplaner, ist zum FC Chelsea gewechselt. Sie sind praktisch in der sportlichen Verantwortung allein. Brauchen Sie Unterstützung?
Ich bin bei einem Verein, der in den letzten Jahren eine herausragende Arbeit gemacht hat. Viele Menschen, die dazu beigetragen haben, sind noch da. Es kann aber sein, dass wir noch eine Person dazu holen.
In diesem Zusammenhang taucht oft der Name Rouven Schröder, der gerade beim FC Schalke seinen Posten quittiert hat. Es heißt, Sie seien befreundet.
Ich kenne Rouven gut, das stimmt. Ich bin aber auch mit anderen Kollegen aus unserer Branche befreundet, Jörg Schmadtke aus Wolfsburg zum Beispiel, Alexander Rosen aus Hoffenheim. Ich habe auch ein top Verhältnis zu Hasan Salihamidzic von den Bayern. Das muss also nichts heißen.
„Identität wahren”: Eberl macht sich für Routiniers im Kader stark
Hatten Sie mal Kontakt zu Ralf Rangnick?
Ja, hatten wir kurz. Früher habe ich ihn auch mal persönlich getroffen. Ich bewundere, was er in Leipzig und Hoffenheim auf die Beine gestellt hat. Eine Persönlichkeit wie keine zweite, ich halte ihn für einen prägenden Kopf des deutschen Fußballs.
Ralf Rangnick hat den Aufstiegskader gebaut. Sie stehen jetzt vor einer ähnlichen Aufgabe, langjährige RB-Spieler wie Peter Gulacsi, Emil Forsberg oder Yussuf Poulsen kommen in die Jahre. Wie wollen Sie damit umgehen?
Unser Kader braucht eine gute Balance zwischen jung und alt. Es gibt mittlerweile Spieler bei uns, die kennen nichts anderes als Champions League und Erfolg. Denen müssen die Routiniers, die RB aus der 2. Liga oder wie Poulsen aus der 3. Liga kennen, sagen: Hey, der Weg dahin war verdammt steinig. Solche Spieler sollen und müssen uns erhalten bleiben.
Das Ende der Generation Aufbau ist dennoch absehbar. Braucht RB ein neues Kadermodell?
Leipzig ist wie Dortmund oder Leverkusen nicht das Ende der Nahrungskette. Da drüber gibt’s die Bayern, die beiden Manchesters, Chelsea, Liverpool, Real Madrid, Barcelona. Das ist die Realität. Trotzdem ist RB immer wieder in der Lage, Spieler länger zu halten. Die Klubs, die für Spieler attraktiver sind als wir, werden weniger. Wenn dann doch mal ein Spieler woanders hin möchte, dann ist das der Lauf der Dinge. Und die, die lange bei uns bleiben, werden dem Klub die Identität wahren.
„In einer durchgehenden Ausbildungskette ist eine zweite Mannschaft sinnvoll”
Eine Quelle, die Sie leichter Hand anzapfen könnten, wäre das Nachwuchsleistungszentrum. Bei RB aber hat sich noch kein Youngster als Stammspieler durchsetzen können. Wieso nicht?
So schnell, wie der Klub gewachsen ist, so schnell kann ein NLZ nicht mitwachsen. Und ich glaube, in den letzten anderthalb Jahren war es für das NLZ schwierig. Das meine ich ohne Vorwurf. Ich komme aus dem Nachwuchs, deshalb ist das für mich ein Steckenpferd und ich werde mich da reinarbeiten. Aber das ist ein längerer Prozess.
RB hatte früher mal eine U-23, die hat Ralf Rangnick abgeschafft. Ein Thema für Sie?
Ja, ist es. Ich denke, in einer durchgehenden Ausbildungskette ist eine zweite Mannschaft sinnvoll. Manche Spieler brauchen einfach länger, um sich zum Profi zu entwickeln. Die können das besser in einer zweiten Mannschaft, als wenn Sie von vornherein wissen: Okay, ab der U-19 ist Schluss. Wenn diese zweite Mannschaft auch noch gut ist, dann hat das außerdem Nutzen für die Spieler aus der ersten Mannschaft, die mal Spielpraxis brauchen.