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RB LeipzigEmil Forsberg vor RB Leipzigs Saisonauftakt gegen Mainz 05 im Exklusiv-Interview: "Wenn Emil redet, hören die anderen zu"

Von Martin Henkel 13.08.2021, 08:21
Seit 2015 im Verein: Emil Forsberg
Seit 2015 im Verein: Emil Forsberg imago/motivio

Er ist 29, seit 2015 bei RB Leipzig, und viele Sommer en suite war er Gegenstand von Wechselgerüchten. Die Rede ist von Emil Forsberg, der vor seinem exzellenten Auftritt bei der Europameisterschaft mit Schweden (vier Tore, Viertelfinale) einen neuen Vertrag bis 2025 abgeschlossen hat. Dass er sich beim Interview mit der Mitteldeutschen Zeitung und RBlive an die neue Vertragslaufzeit erst gar nicht erinnern konnte, spricht für die neue Gelassenheit des Spielmachers im Umgang mit seiner Karriere - sowie seinem Leben in der Messestadt und bei RB.

Im Gespräch offenbart der Schwede seine Zuneigung für Klub und Stadt, spricht über seine neue Führungsrolle in der Kabine - und wie nah dran er mal gewesen ist an einem Wechsel zu einem der Topklubs in Europa.

Herr Forsberg, das 4:0 im Pokal gegen Sandhausen vor knapp einer Woche erweckt den Eindruck, als sei die Mannschaft bereits in exzellenter Frühform. Ist das so?
Emil Forsberg: Teils, teils. Wir haben gut gespielt, schon viele Dinge richtig gemacht und die Stimmung im Team ist super, keine Frage. Doch Mainz ist nicht Sandhausen, das muss jedem klar sein. Es gibt noch einiges zu tun.

Wie locker war es unter Nagelsmann und Rangnick?

In den vergangenen Wochen wurde Ihr Trainer Jesse Marsch nicht müde zu betonen, dass es unter ihm eine Art Rückbesinnung auf die alten RB-Tugenden geben wird. Wie macht sich das für Sie bemerkbar?
Es stimmt, wir wollen wieder schneller kontern und mehr Tore schießen. Aber das ist auch etwas, was wir schon gut können. Wichtig aber ist vor der Saison, dass wir als Einheit zusammenwachsen und funktionieren. Da habe ich gerade ein gutes Gefühl. Die Stimmung ist aktuell wirklich sehr gut und locker, alles macht Spaß.

Lockerer als in den Jahren zuvor?
So weit würde ich nicht gehen. Wir hatten auch unter Julian (Nagelsmann, Anm. Red.) und Ralf (Rangnick, Anm. Red.) Lockerheit. Das soll kein Vergleich sein. Aber das Gefühl ist gut, ein bisschen anders eben.

Sie kennen den Mensch Jesse Marsch seit 2018/2019, als er als Assistenzcoach bei RB war. Hat er sich verändert?
Nein, er ist immer noch derselbe. Er schaut viel auf uns Spieler und bemüht sich immer, dass es uns gutgeht. Er nimmt uns als Menschen wahr, möchte, dass wir eine Einheit sind und uns alle wohlfühlen. Für eine junge Mannschaft ist das sehr wichtig. Sie braucht das Vertrauen des Trainers und muss wissen, dass er hinter jedem steht.

So jung ist sie gar nicht mehr, zumindest wenn man auf Spieler wie Sie oder diejenigen schaut, die schon seit dem letzten Zweitligajahr dabei sind. Sieben sind sie noch.
(lacht) Stimmt auch wieder.

Erfahrung und Reife

Wie ist das bei Ihnen, sind Sie ein Kümmerer?
Kann man so sagen. Ich bin ein Leader geworden, und dazu gehört auch, dass man sich verstärkt um seine Mitspieler kümmert.

Jesse Marsch sieht Sie als einen seiner Schlüsselspieler. Passt diese Rolle zu Ihnen?
Mittlerweile ja, ich bin in diese Rolle hineingewachsen. Ich bin jetzt seit sechs Jahren hier. Ich kenne also den Verein, die Stadt und die Fans. Das will ich an die Jungs weitergeben, die alle hohe Ziele haben. Man kann aber nicht nur an sich denken, oder die Tore, die man schießen will. Es geht immer um das große Ganze. Das kann ich vermitteln, diese Erfahrung und Reife habe ich.

Sie sind seit 2015 im Verein. Zahlt sich das in der Kabine aus?
Wenn Emil redet, hören die anderen zu. Das ist einfach so. (lacht) Ernsthaft: Wir haben viele gute Spieler hier, und es gibt darunter solche, die schon lange hier sind und für den Verein viel geleistet haben. Wir haben zusammen so einiges erlebt: Aufstieg, Champions League, zwei Pokalfinals, zwei Vizemeisterschaften. Wenn einer von uns Erfahreneren etwas sagt, dann zählt das.

Welchen Eindruck haben Sie von den Neuen, vor allem in der Abwehr, wo RB mit Ibrahima Konaté und Dayot Upamecano zwei Topspieler verloren hat?
Ich denke, früher war die Eingewöhnung bei uns vielleicht ein bisschen einfacher, weil wir nicht so im Fokus standen. Heute gehören wir zur Ligaspitze, da musst du schnell deine Leistung bringen. Aber Mo (Simakan, Anm. Red.) hat es im Pokal richtig gut gemacht, Josko ist auch sehr stark. Zudem haben wir einen großen Trainer- und Betreuerstab , der den Neuen hilft, so schnell wie möglich unseren Stil zu lernen. Und man sollte unsere Topverteidiger nicht vergessen, die wir bereits vor der Transferperiode im Team hatten.

Apropos Stil, Ihr Ex-Trainer hatte den alten RB-Fußball mit Elementen des Ballbesitzfußballs vermischt und zuletzt stark akzentuiert. Was nehmen Sie persönlich mit aus den zwei Jahren unter Julian Nagelsmann?
Ich finde, ich bin ohne und mit dem Ball besser geworden. Das kann ich gut mit dem kombinieren, was Jesse sehen möchte, denn damit kenne ich mich tatsächlich bestens aus.

Wo gehört Forsberg hin?

Marsch-Fußball und Rangnick-Style – ist das vergleichbar?
In den Grundzügen ja. Jesse geht aber einen Schritt weiter und will uns im Spiel mehr Freiheiten geben, mit der wir in manchen Situationen selbst entscheiden, wie wir uns verhalten wollen.

Nicht jeder Profi kann mit solchen Freiheiten viel anfangen, gerade sogenannte Akademie-Spieler schätzen genaue Anweisungen. Wie ist das bei Ihnen?
Man hat bei der Europameisterschaft gesehen, zu was ich fähig sein kann, wenn ich ein bisschen mehr Freiheiten auf dem Platz bekomme.

Sie haben für Schweden vier Tore geschossen.
Genau. Wie man sieht, passt diese Freiheit also ganz gut zu mir (lacht).

Julian Nagelsmann hat Sie oft in der Sturmspitze als falsche Neun aufgestellt, zuvor waren Sie eher hinter der Spitze auf der zentralen oder äußeren Spielmacherpositionen zu Hause. Wo gehören Sie hin?
Ob im Zentrum oder auf den Flügeln – ich kann beides spielen. Ich habe durch Julian tatsächlich viel Neues gelernt und bin mittlerweile ziemlich flexibel. Aber auf der Zehn zentral oder halblinks kann ich am meisten von dem herausholen, was in mir steckt.

Sie waren eine Weile lang sehr verletzungsanfällig. Wie geht es den Adduktoren?
Prima! Ich bin seit zwei Jahren verletzungsfrei und fühle mich topfit.

Der beste Emil Forsberg seiner Karriere?
Das kann sein. Ich komme jetzt in meine besten Jahre. Ich habe viel gelernt, habe Erfahrung und fühle mich sehr wohl in Leipzig.

Welchen Anteil an diesem Wohlbefinden hatte der neue Vertrag, den Sie gegen Ende der letzten Saison unterzeichnet haben?
Der neue Vertrag hat mir viel Ruhe gegeben. Ich weiß jetzt, dass ich noch eine Weile hier bin. Das war mir wichtig, denn im Grunde genommen möchte ich eigentlich nur Lockerheit haben und auf dem Platz zocken dürfen.

Neuer Vierjahresplan

Welche Rolle sehen Sie für sich mit 29?
Ich komme in meine besten Jahre und ich kann der Mannschaft auf dem Platz und außerhalb helfen. Wir haben eine richtig gute Mannschaft mit sehr viel Potenzial und einen hervorragenden Mix aus erfahrenen und jungen Spielern. Wenn wir bis zum Ende der Spielzeit alle dasselbe Ziel verfolgen und dafür alles investieren, können wir diese Saison viel erreichen.

Wenn Ihr neuer Vertrag ausläuft, sind Sie 33. War es das mit Emil Forsberg bei einem anderen großen Verein?
Warten wir mal ab, was nach meiner guten EM bis Ende August noch so passiert. (schmunzelt) Nein, Spaß beiseite: Ich habe unterschrieben, weil der Verein und ich uns einig waren, dass wir das fortsetzen wollen.

Sie hätten mit der Unterschrift bis nach dem Turnier warten können.
Es gab tatsächlich viele, die mir dazu geraten hatten. Ich wäre nach dieser EM bestimmt in einer anderen Position gewesen. Aber das war mir total egal. Ich denke, dass die Verlängerung entscheidenden Einfluss auf meine Leistungen hatte - ohne sie hätte ich nicht so gut gespielt. Zu wissen, wo meine Zukunft liegt, hat mir die nötige Lockerheit gegeben.  Meine Familie und ich, wir lieben Leipzig, das ist unser zweites Zuhause. Das war auch einer der Hauptgründe für meine Verlängerung.

Welche Ziele beinhaltet dieser neue Vierjahresplan?
Ich will der Mannschaft und dem Verein helfen. Wir wollen irgendwann einen Titel gewinnen. Das sind hohe Ziele, ich weiß, aber so ist es.

Mailand oder nix?

Jeder Fußballer malt sich am Anfang einer Karriere aus, wie sie im besten Falle verlaufen soll. Wie schauen Sie momentan auf Ihre?
Als ich jung war, hatte ich riesige Träume. 2016/2017 habe ich dann eine überragende Saison gespielt, 22 Vorlagen sind immer noch Rekord in der Bundesliga. Damals kam einer der größten Vereine der Welt auf mich zu und fragte: „Willst du zu uns kommen?“ Das wollte ich probieren.

Wieso haben Sie nicht?
Es ging damals nicht. So ist das nun mal.

Welcher Verein ist es gewesen?
Das werden Sie nicht aus mir herausbekommen! (lacht)

Es hieß mal, der AC Mailand sei interessiert gewesen.
Gerüchte gibt es immer.

Trauern Sie der Gelegenheit nach?
Nein. Was war, das war. Man lebt nur einmal - warum sollte ich mich also mit dem beschäftigen, was so weit in der Vergangenheit liegt? Nochmal, und das ist kein Lippenbekenntnis: Ich fühle mich in Leipzig und bei RB pudelwohl. Wenn man jung ist, denkt man oft, da geht vielleicht noch ein bisschen mehr. Aber man wird älter, erlebt vieles, bekommt eine Familie, die Prioritäten verschieben sich. Man kann auch nicht sagen, dass wir mit RB wenig erreicht hätten – wir haben viel mehr geschafft, als wir alle vor fünf Jahren gedacht hätten! Ich bin bis hierhin sehr, sehr zufrieden mit meiner Karriere – und es ist ja noch lange nicht Schluss. Das geht noch tatsächlich noch mehr!

Wie wichtig wäre Ihnen ein Titel, um sagen zu können: Meine Karriere war vollkommen?
Darüber entscheidet kein Titel allein. Wir waren oft nah dran, haben den Bayern in der Meisterschaft zugesetzt, standen zwei Mal im Pokalfinale, waren im Halbfinale der Champions-League. Das ist nicht wenig.

Diese Finals haben Sie jeweils verloren?
Ja, aber so ist das nun mal. Man darf nicht vergessen, wir sind erst seit fünf Jahren in der Bundesliga, die Bayern und Dortmund sind schon ewig dabei. Das sind Topteams mit viel Erfahrung im Verein. Die schlägt man nicht einfach mal so im Vorbeigehen, da braucht es immer etwas Besonderes. Wir können nur auf uns selber schauen, diese Teams immer wieder nerven und unser Bestes geben.

Wie realistisch ist die Chance, diese Saison dieses Besondere leisten zu können?
Die Chance, und das ist ja das Gute bei uns, ist immer da. Wir sind dazu absolut fähig. Mit einem gemeinsamen Geist, mit einer Idee, hinter der alle stehen, kann man über sich hinauswachsen.

Das Gespräch führte Martin Henkel (RBlive/hen)