Kommentar zum Pokalsieg Der erste Titel hebt RB auf eine neue Stufe
Genau 13 Jahre hat es gedauert, bis RB Leipzig den ersten großen Titel feiern kann. Nach dem Vereinsgeburtstag am Donnerstag reckten die Leipziger Samstagnacht den golden glänzenden DFB-Pokal in den Berliner Nachthimmel. Für die, die wie die knapp 30.000 RB-Anhänger im Berliner Rund zu RB halten, ist es der vorläufige Höhepunkt eines nie dagewesenen Erfolgs in Rekordzeit. Trainer Domenico Tedesco vollendete mit seiner Mannschaft, was seine Vorgänger wie Ralf Rangnick, Ralph Hasenhüttl, Julian Nagelsmann – und auch Jesse Marsch – begonnen haben.
Wie die Mannschaft nach Rückstand und Roter Karte zu zehnt zurückkam und im Elfmeterschießen die Nerven behielt, hatte Titelreife und -klasse. Eine solche Mentalität entsteht nur durch große Niederlagen, die die Mannschaft auch schon durchlitten hat. Es war auch die Dramaturgie dieses Achterbahn-Spiels, in dem sich die ganze Saison widerspiegelte, die RB Leipzigs Spieler zu Helden werden ließ. Feierbiest Kevin Kampl umriss den historischen Stellenwert, den dieser Titel für RB hat, treffend: „Den ersten Titel für diesen Verein zu holen, werden wir niemals vergessen – das wird in 100 Jahren noch stehen.”
Titel verstärkt die Ablehnung von RB Leipzig – das ist aber gar nicht schlimm
Der Premieren-Triumph läutet nun die nächste Phase der Klubentwicklung ein – in der Selbst- und Außenwahrnehmung. RB ist nun nicht mehr „nur” der ambitionierte Verfolger, der in den ganz großen Spielen zuverlässig unterlag, sondern wird als Titelträger wahr- und ernst genommen. Frisch in den Pokal eingraviert, gehört RB unwiderruflich dazu zum deutschen Fußball-Establishment. Der Pokal in der bislang noch leeren Vitrine ist auch Argument in Transfergesprächen und bei Vertragsverlängerungen. Spieler wie die Stars Christopher Nkunku und Dani Olmo wissen nun, dass RB mehr ist als nur das Sprungbrett zu den ganz, großen internationalen Topklubs. Und wenn RB wie angedacht im Winter auf große internationale Werbetour zum Beispiel in die USA geht, macht sich das mit einem Pokal im Gepäck besser.
Bei denjenigen jedoch, die es ablehnen, wie sich Rasenballsport ungeachtet der 50+1-Regel in den deutschen Fußball gemogelt hat, sorgt der Titel eher für noch mehr Ablehnung. RB polarisiert, das wird sich in den kommenden Jahren eher noch mehr verstärken, umso erfolgreicher der Klub ist. Das ist auch gar nicht schlimm, solange die Kritik im Rahmen bleibt. Fußball ist groß genug für ganz unterschiedliche Lesarten und Identitäten. So lange sich nicht zehn Klubs nach Red-Bull-Vorbild in die Bundesliga drängen und das Modell kopieren, belebt der Widerstreit zwischen den Traditionsklubs und den Leipzigern eher das Geschäft. RB hat nun gezeigt, dass es keine 100 Jahre Vereinshistorie braucht, um genug Wucht zu entfalten, einen Titel zu gewinnen.
Pokal-Titel kann neue Kräfte bei RB Leipzig freisetzen
Das hilft auch dabei, mehr Menschen in der Region für die Leipziger zu begeistern. Nach der Pandemie war der Eindruck entstanden, dass der Klub vom Cottaweg trotz der erfolgreichsten Saison nicht mehr richtig emotionalisiert. Da kommt die Euphorie nun gerade recht, um die Menschen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen – gerade junge Fans – wieder stärker für den Klub zu begeistern.
Der Erfolg, im dritten Pokalfinale endlich die nervenzehrende Titel-Bringschuld erfüllt zu haben, kann nun neue Kräfte freisetzen. Auch im durch Serienmeister Bayern München langweilig gewordenen Meisterschaftskampf können sich Verhältnisse verschieben. Der erste Titel hebt RB Leipzig auf eine neue Stufe.