Routinier Kevin Kampl im Pokal-Interview „Uns kann gerade wenig aus den Socken hauen”
Kevin Kampl kommt früh zum Gespräch, vor dem Training noch. Gut gelaunt, bereits in Übungsmontur. Die Meisterschaft ist vorbei, das Minimalziel Champions League ist erreicht, jetzt steht noch ein Spiel an für den 32 Jahre alten Routinier von RB Leipzig. Es ist das Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt, und gleichzeitig sein fünftes Endspiel. Reporter Martin Henkel sprach mit dem Mittelfeldspieler der Sachsen über Red Bull im Pokal, Erinnerungen an eine standesgemäße Siegerfeier und wieso sein Bruder während des Elfmeterschießens vorigen Sommer im Spiel gegen Freiburg auf dem Rasen vor dem Olympiastadion lag.
Herr Kampl, sie haben vier Finals gegen Wolfsburg, die Bayern, Dortmund und Freiburg gespielt. Jetzt treffen Sie mit RB auf die Eintracht. Was halten Sie vom Gegner?
Kevin Kampl: Das wird nicht easy gegen Frankfurt. Das Ist eine Finalmannschaft, die werden Gas geben und dann kommt es auf die Tagesform an.
Die Eintracht-Fans werden mutmaßlich das Olympiastadion kapern. Ein Nachteil?
Nein, das macht nichts mit uns. Als Spieler bist du auf dem Platz so im Tunnel, das kriegst du gar nicht mit. Ich jedenfalls.
Sie erleben ihr fünftes Pokalfinale. Drei hatten sie mit RB, eines mit Borussia Dortmund, drei haben Sie verloren, eines gewonnen. Wie hat Sie das geprägt?
Nach drei verlorenen Endspielen habe ich mir gesagt: Du kannst das nicht schon wieder verlieren! Die innere Anspannung war enorm. Dann kriegen wir das 0:1, dann kommt die Rote Karte für Halste (Marcel Halstenberg, Anm. Red.), und du denkst: Nee, oder?! Schon wieder! Gott sei Dank hat es im Elfmeterschießen doch noch geklappt. In mir fiel eine Riesenlast ab, weil es extrem besonders war. Wir wissen, wie das Gefühl ist, als Verlierer für den Gegner Spalier zu stehen. Das ist jetzt weg, wir gehen viel abgezockter ins Spiel.
Konkret wie?
Na ja, wir wissen, was auf uns zukommt. Wir haben alles schon erlebt, auch dass wir trotz eines Rückstandes wiederkommen können. Wir sind in der Lage, jedes Team zu schlagen.
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Kampl: „Ich wollte niemanden angreifen”
Sie haben zuletzt zwei Rückstände gegen Bremen (1:2) und die Bayern (1:3) gedreht. Wie spielt Ihnen das in die Karten?
Du kriegst ein Gegentor, verfällst aber nicht in Panik, weil du weißt, dass du deine Möglichkeiten bekommst. Uns kann gerade wenig aus den Socken hauen.
Für RB war der Pokalsieg der erste Titel der Vereinsgeschichte. Wie erinnern Sie die Tage danach?
Ja, das war riesig für uns. Das hat man auch gespürt, als ich das Red Bull in den Pokal gegossen habe und danach über 4000 Nachrichten auf Instagram reinkamen.
Zustimmung?
(lacht) Auch, aber nicht nur. Um das festzuhalten: Ich wollte niemanden damit angreifen.
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So wurde es aufgefasst.
Man sieht, was man sehen will. Ich kann nur sagen, dass wir in Leipzig extremen Zuspruch bekommen. Wenn ich allein an meine Straße denke, in der sind alle krasse RB-Fans. Das ist uns wichtig. Was man anderswo denkt …, okay.
Das Foto von Ihnen, auf dem Sie das Sponsor-Getränk in den Pokal schütten, ist mittlerweile ikonographisch. Wie gehen Sie damit um?
Ich stehe dazu. Ich liebe diesen Verein, ich weiß, wie er aufgebaut und welche Arbeit geleistet wurde. Das war die Symbolik dahinter, doch das Thema ist für mich abgehakt.
Kampl über Pokalfeier: „Magisch”
Sie haben nach dem Pokalsieg lange gefeiert, kaum geschlafen. Wie haben Sie das durchgestanden?
(lacht) Das war eine Meisterleistung. Ich bin gegen sieben Uhr in der Früh ins Hotel, da war ich aber nicht mal der Letzte. Danach zwei, drei Stunden unruhiger Schlaf, dann sind wir mit dem Bus nach Leipzig, ich hatte sogar noch eine Liveschalte mit dem Doppelpass (Talkrunde, Anm. Red.). Dann Rathaus, Eintrag ins Goldene Buch, danach im offenen Bus zur Festwiese, dort nochmal auf die Bühne.
Sie trugen die ganze Zeit Sonnenbrille und wirkten dezent mitgenommen. Erinnern Sie sich eigentlich noch an alles?
(lacht) Ja, klar. Der ganze Marktplatz war voller Fans, dann die Fahrt Richtung Stadion: Nochmal so viele Menschen, das waren unfassbare Bilder. Sehr magisch. Man hat gesehen, was dieser Pokal uns allen, Spielern, Verein, den Menschen, der Stadt bedeutet.
Sie trugen auf der Bühne zwei riesige Biergläser wie Kinder im Arm, auch dieses Bild ist für die Ewigkeit. Wie kam es dazu?
(lacht) Ich bin ja als Letzter auf die Bühne, die wurden mir in die Hand gedrückt. Eigentlich war es nur eins, da habe ich gemeint, das sei allein zu schwer, das gleichen wir besser aus. So kam das. Das war schon echt cool. Wir sind ja unmittelbar danach nach Ibiza geflogen, dort sind wir erstmal ein bisschen runtergekommen.
Das ist sehr schwer vorstellbar.
Okay, im Flieger. Als wir gelandet sind, waren wir wieder fit. Das war Freude pur, wir lagen uns zwei Tage lang in den Armen.
Wie muss man sich das vorstellen?
Na ja, das gibt es ja nicht so oft, dass man in einer Mannschaft einen so großen Stamm an Spielern hat, die die ganze Entwicklung von der 2. Liga an mitgemacht haben und zusammengeblieben sind. Normalerweise kommen und gehen Spieler im Rhythmus von drei, vier Jahren. Deshalb haben wir uns unter anderem so ausgelassen gefreut.
Kampls Bruder lag beim Elfmeterschießen vor dem Stadion auf der Wiese
Sie persönlich standen schon während des Spiels unter großem Strom. Nach Ihrer Auswechslung waren Sie Gelb-Rot-verwarnt auf die Tribüne geschickt worden. Das hatte Sie aber nicht davon abgehalten, sich wieder an die Bank heranzuschleichen.
Emil (Forsberg, Anm. Red.) und ich haben voll mitgecoacht. Aber das hatte es gebraucht, so vieles lief gegen uns, das Team brauchte den vollen Push von der Bank. Ich hatte mich ein paar Mal zu oft beschwert, also ging’s ab nach oben auf die Tribüne. Aber ja, ich kam zurück.
Was war der Grund?
Das Elfmeterschießen. Ich bin wieder runter zum Team, irgendwann kam der vierte Offizielle, guckte zu mir rüber, und zeigte wieder auf die Tribüne. Das war unfassbar hart da oben, ich konnte bei den Elfmetern gar nicht hinschauen. Alles Wahnsinn, und eigentlich nicht auszuhalten. Mein Bruder musste deswegen aus dem Stadion.
Ein Familienthema?
(lacht) Wer weiß. Er hat sich während des Elfmeterschießens vors Stadion auf die Wiese gelegt. Dann kamen Polizisten und fragten, was er da mache. Er: `Mir geht’s nicht gut, da ist grad Elfmeterschießen, mein Bruder spielt für Leipzig, ich kann mir das nicht anschauen…‘ Auch meine Mama, die war total fertig mit den Nerven.
Fünf Endspiele, in dieser Statistik können Ihnen nur frühere Spieler des FC Bayern das Wasser reichen. Was ist das mit Ihnen und dem Pokal?
Gute Frage. Es ist extrem besonders, und war immer eine Achterbahnfahrt an Gefühlen. Beim ersten mit Dortmund war ich gesperrt, weil ich im Halbfinale gegen die Bayern Gelb-Rot bekommen hatte, zwei Mal Foul an Schweini (Bastian Schweinsteiger, Anm. Red.). Damals konnte ich nicht mithelfen und wir haben gegen Wolfsburg 1:4 richtig eins drüber bekommen. Danach kamen die zwei Niederlagen mit RB gegen die Bayern und Dortmund. Vergangenen Sommer dann endlich, endlich der erste Sieg. Das wollen wir jetzt unbedingt verteidigen. Es wäre das I-Tüpfelchen oben drauf. Letztes Jahr hatte ich schon gedacht, wer weiß, vielleicht ist das mein letztes Mal Berlin. Jetzt bin ich wieder da.