RB-Capo Sebastian über sein Comeback „Wenn alle mitspringen, ist das ein berauschendes Gefühl”
Seit dem Comeback von RB Leipzigs Ur-Capo Sebastian ist die Stimmung im Stadion wieder deutlich lautstärker, atmosphärischer und stimmgewaltiger. Mit RBlive-Reporter Ulli Kroemer spricht der 41-Jährige über seine Beweggründe für die Rückkehr nach drei Jahren Pause, Höhe- und Tiefpunkte der Hinrunde, den neuen Fanhit „Leipzig on fire” und die Entwicklung in der Fanszene.
Sebastian, welche Beweggründe hattest Du, nach drei Jahren Pause wieder als Capo in die Kurve zurückzukehren?
Sebastian (41): Beim DFB-Pokalfinale in Berlin hatte es mich wieder gepackt, als ich im Olympiastadion spontan auf die Mauer geklettert bin und die Leute animiert habe, mitzusingen. Danach habe ich mich mit dem Capoteam unterhalten und habe gespürt, dass es wieder in mir brennt. Das innere Feuer in mir, das für eine gewisse Zeit nur glühte, war wieder voll entfacht. Schon als ich noch Fanbetreuer war, habe ich ab und an wieder Lieder mitgesungen. Ich habe es einfach wieder gefühlt. Die anderen fünf Capos waren auch direkt Feuer und Flamme.
Die Atmosphäre war in dieser Saison vom ersten Spiel an wieder viel gewaltiger und runder. Wie hast du das Comeback selbst wahrgenommen?
Mein Wiedereinstieg war das Spiel gegen die Bayern im Supercup. Auch wenn wir da verloren haben war die Stimmung geil. Wir hatten es im Vorfeld mit Absicht nicht kommuniziert, dass ich wieder zurück bin. Ich wollte das nicht überhöhen. Ich will, dass wir als Capoteam wahrgenommen werden. Als ich dann auf dem Podest stand und in die Massen geschaut habe, war das ein megageiles Gefühl. Nach dem Umbau ist ja der Block viel größer, vor über 10.000 Fans zu stehen, ist etwas ganz anderes als vor 5500. Wenn alle mitmachen und mitspringen, ist das ein berauschendes Bild und Gefühl. Da kriege ich sogar beim Erzählen Gänsehaut.
Vom 12-Jährigen bis zum Rentner können sich die meisten RB-Fans mit dir arrangieren. Woher kommt das und welche Rückmeldungen hast du bekommen?
Positive. Viele haben sich gefreut, dass ich das wieder mache. Die Leute können immer mit mir reden, ich versuche, mir für alle Zeit zu nehmen. Vielleicht ist das ein Punkt, dass ich einfach ein nahbarer, offener Typ bin.
RB-Capo Sebastian: „Einfach ein Gefühl für den Block”
Hängt dein Status auch mit deiner Lebens- und Kurvenerfahrung zusammen?
Durchaus möglich, ich mache das ja mit der Unterbrechung seit 2010 bei RB. Da hat man einfach ein Gefühl für den Block. Wir sind ja zusammen gewachsen und entstanden. Ich begleite das hier eben schon die ganze Zeit über.
Was war bei deinem Comeback ungewohnt?
Ich musste meine Stimme erstmal wieder dran gewöhnen. Gerade die letzte Phase mit Spielen aller drei, vier Tage war belastend für die Stimme. In Bremen war bei mir finito.
Was waren stimmungstechnisch Euer Höhe- und Tiefpunkt in der Hinrunde?
Die liegen ganz nah beieinander. Der Höhepunkt war ganz klar das Debüt von Marco Rose als Trainer gegen Dortmund. Das war für mich das emotionalste Spiel. Auch Real Madrid war großartig. Am schlechtesten war die Stimmung beim letzten Spiel von Domenico Tedesco gegen Schachtjor Donezk. Da hatten die Fans die Schnauze voll, im Block machte sich für RB-Verhältnisse ein neuer Unmut breit.
Wendepunkt Donezk: Mit dem Rücken zur Mannschaft gestellt
Inwiefern neu?
Da haben wir uns zum ersten Mal mit dem Rücken zur Mannschaft gestellt. Das war aber nur auf den ersten Blick ein Tiefpunkt, auf den zweiten Blick eher eine Transmission, ein neuer Übergang für den Fanblock. Rückblickend betrachtet, hat uns das geholfen, wieder neuen Zugang zum Team zu finden, dass wir uns als Capos mit dem Mannschaftsrat besser austauschen.
War die Kommunikation mit den Profis eingeschlafen?
Dieses Spiel war ein Auslöser, dass wir wieder mehr kommunizieren. Man hat gemerkt, dass auch der Verein sehr daran interessiert ist, dass Fans und Mannschaft eine gute und starke Bindung haben. Das war der erste Schritt in die richtige Richtung. Wir treffen uns regelmäßig, sind im guten Austausch.
„Leipzig on fire“ ist der neue Hit der Fanszene, den auch die Mannschaft aufgenommen hat. Wie wurde der Song zum neuen Gassenhauer bei RB?
Die Spieler haben „Freed from desire“ zum ersten Mal in der Pokalnacht gesungen. Auf Wunsch des Teams wurde das Lied beim Supercup zum ersten Mal gespielt. Das haben wir zum Anlass genommen, das aufzunehmen und den Refrain umgetextet. Das Lied zieht die Leute einfach mit.
„Gemessen an der vorherigen Lethargie haben wir in kurzer Zeit viel erreicht”
Generell wirkt die Fanszene nach der schwierigen Corona-Zeit wieder geschlossener. Wie ist dein Gesamteindruck der Entwicklung in der Kurve in diesem Jahr.
Im ersten halben Jahr lief es schwierig an. In der Corona-Zeit hatten sich die Prioritäten verschoben. Nach der Sommerpause kam das dann zurück, dass die Leute wieder mehr Bock hatten, sich mit der Fußballfamilie zu treffen. Die Choreos, die wir als aktive Szene auf die Beine gestellt haben, waren überragend. Respekt an die einzelnen Fangruppen, die das umgesetzt haben. Das kostet immens viel Zeit und Kohle. Wichtig ist uns, dass wir Materialien zukünftig nachhaltig verwenden und Dinge wiederverwenden können. Inhaltlich war die Choreo zum Gedenken an Werner Seelenbinder sicher der Höhepunkt. Gemessen an der Lethargie, die sich vorher eingestellt hatte, haben wir jetzt in kurzer Zeit viel erreicht. Da spielen Choreos, Stimmung und der sportliche Erfolg der Mannschaft mit rein. Die Kurve ist wieder auf einem guten Weg.
Was wünscht ihr Euch?
Für die kommenden Spiele würde ich mir noch wünsche dass die Zahl der Auswärtsfahrer wieder steigt. Wenn ich da an die spektakuläre Fahrt nach Bremen denke, bin ich allerdings optimistisch, dass diese Zahl auch wieder steigen wird.
Gibt es Pläne für die Rückrunde?
Wir haben schon ein paar Ideen, lasst Euch überraschen.