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  5. RB: Sportchef Schäfer über die Zukunft von Marco Rose, Xavi und den DFB-Pokal

Sportchef Schäfer im Exklusiv-Interview "Wir wollen keinen Verwaltungsmodus"

RB Leipzigs Sportchef Marcel Schäfer übt sich gerade in dem Spagat zwischen großen, sportlichen Ambitionen und übersteigerter Erwartungshaltung. Der 40-Jährige im ausführlichen Interview vor dem Pokalduell gegen seinen Ex-Klub VfL Wolfsburg.

Von Ullrich Kroemer Aktualisiert: 26.02.2025, 12:01
Blick in die Zukunft: Marcel Schäfer soll RB auf das nächste Level heben.
Blick in die Zukunft: Marcel Schäfer soll RB auf das nächste Level heben. (Foto: imago/motivio)

LeipzigMarcel Schäfer trägt seit vergangenen August als Geschäftsführer Sport die Verantwortung für den sportlichen Bereich bei RB Leipzig. Vor dem Duell im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen den VfL Wolfsburg (20.45 Uhr live in Stream und TV) hat sich RBlive-Reporter Ullrich Kroemer mit dem langjährigen Wolfsburger Spieler und Manager am Cottaweg in der RB-Akademie getroffen. Ein Gespräch über Gipfel-Grenzerfahrungen mit Felix Magath, die schwere Aufgabe, Leipzig noch weiter nach oben zu führen, Trainer Marco Rose, seine Transferstrategie und die Zukunft von Xavi Simons.

Marcel Schäfer, Sie stammen aus Aschaffenburg, sind mit 14 Jahren nach München gegangen – beides hügeliger als die Leipziger Gegend. Wie steht es um Ihre Gipfelerfahrungen?
Marcel Schäfer: Die habe ich vor allem unter Felix Magath in Wolfsburg gesammelt. Bei Trainingslagern in Österreich und der Schweiz hat er uns eigentlich in jeder Vorbereitung die Berge besteigen lassen. Wir sind auch Biathlonstrecken abgelaufen, mussten schießen und Strafrunden drehen.

Das klingt nach mehr als reinen Teambuildingmaßnahmen. (schmunzelt) Felix Magath hat es als Teambuilding dargestellt. Es war aber vor allem eine sehr gute Willensschulung. Es ist kein Geheimnis, dass Teamkollegen von mir zusammengebrochen sind und mit der Bergwacht abgeholt werden mussten. Wir haben damals Dinge gemacht, die heute in einer Saisonvorbereitung oder im Trainingsalltag nicht mehr vorkommen. Aber ich betone immer wieder, wie dankbar ich für diese Zeit bin. Unter Felix Magath hatte ich meine beste Zeit als Spieler, bin Nationalspieler und Deutscher Meister geworden. Und somit hat sich jede Bergtour gelohnt.

Dann sind Sie als Gipfelexperte in Leipzig genau richtig. Julian Nagelsmann hat bereits 2020 in seiner berühmten Gipfelkreuz-Rede die Frage gestellt, wo man hinwolle: zum Gipfelkreuz – also zur Deutschen Meisterschaft – oder nur zum Parkplatz darunter? Wie steht es um Ihre Gipfelkreuz-Ambitionen mit RB?
Ich betone immer wieder, dass wir in allen Situationen und in allen Bereichen das Maximum herausholen wollen. Das liegt in unserer Natur. Die Entwicklung, die RB Leipzig genommen hat, war unfassbar rasant – sie ist hierzulande einzigartig. Dass sich der Klub nicht nur in der Bundesliga, sondern mit frischem, klarem Fußball auf Anhieb in der Spitzengruppe etabliert hat – das gab es so noch nie. Ich glaube nur, dass man auch aufpassen muss.

„Wir dürfen nicht in eine Spirale geraten, dass alles andere als die Deutsche Meisterschaft eine Enttäuschung ist”

Inwiefern?
Trotz der Ambitionen, die wir haben, das Maximum aus jedem einzelnen Spieler, aus der Mannschaft, aus diesem Klub herauszuholen, dürfen wir nicht in eine Spirale geraten, dass alles andere als die Deutsche Meisterschaft eine Enttäuschung ist. Es gibt nach wie vor Klubs, die wirtschaftlich in einer anderen Liga spielen. Das heißt nicht, dass wir nicht alles versuchen wollen, um den Gipfel zu erreichen und das Maximale herauszuholen. Aber was ich nicht mag: dass gewisse Dinge selbstverständlich sind. Siege in der Bundesliga sind nicht selbstverständlich; in der Champions League zu spielen, ist nicht selbstverständlich.

Eine Folge der Aufstiegserzählung der vergangenen Jahre, die auch vom Klub forciert wird, immer den nächsten Schritt anzupeilen?
Zu einer Entwicklung gehören auch mal Phasen, in denen es vielleicht mal nicht so gut läuft. Und dass man dann als Klub eine Wagenburgmentalität und große Geschlossenheit zeigt und sich darauf besinnt, was uns stark gemacht hat. Wie können wir sogar gestärkt wieder zurückkehren? Ich werde vor jeder Saison sagen, dass wir in jedem Wettbewerb um Titel mitspielen wollen. Da spricht mein Sportlerherz. Und alles andere würde auch diesem Klub nicht gerecht werden. Wir wollen auch nur Mitstreiter, die so denken. Um es noch deutlicher zu sagen: Wir wollen keinen Verwaltungsmodus! Aber da, wo wir angekommen sind, ist die Luft relativ dünn.

Das heißt, es braucht mehr Realismus bei RB?
Sehen Sie es denn als realistisch an, dass wir schon mit Bayern München auf gleicher Augenhöhe sind? Man muss realistisch sein und sagen: Nein, das sind wir nicht! Jeder Klub hat seinen wirtschaftlichen Rahmen zu berücksichtigen und muss auch ehrlich zu sich selber sein. Heißt das, dass wir nie Deutscher Meister werden? Nein, das heißt es nicht. Natürlich können wir Deutscher Meister werden. Leverkusen und auch andere Klubs wie der Borussia Dortmund, der VfL Wolfsburg oder der VfB Stuttgart haben gezeigt, dass man da sein kann, wenn Bayern schwächelt. Aber unter den aktuellen Voraussetzungen, die sehr gut sind, muss trotzdem alles passen – alles! Es müsste bei unserer Transferphilosophie jeder Transfer sitzen, wir müssten uns in einen absoluten Flow spielen und wir dürften nahezu keine Verletzten haben.

„Sehen den Saisonendspurt als Charakterfrage”

Ist dieser Spagat – zu schätzen, was hier entstanden ist, und gleichzeitig weiter nach oben zu streben – gerade die größte Herausforderung für RB?
Wir sind vor allem mit dem internationalen Abschneiden in dieser Saison nicht zufrieden. Wir sehen den Saisonendspurt auch als Charakterfrage. Ja, die dauerhafte Champions League-Qualifikation ist unser Ziel, aber ist sie deswegen auch selbstverständlich? Nein. Das ist der Fluch der guten Tat der vergangenen Jahre – unsere Aufgabe ist es, eine gute Balance zu finden.

Wie muss ein Klub wie RB geführt werden?
In allen Bereichen ordnen wir alles dem Leistungsprinzip unter. Nicht nur auf dem Platz zählt die Maxime „jung, hungrig, entwicklungsfähig”, sondern auch im gesamten Verein. Es ist egal, ob jemand 18 ist und auf dem Platz steht, oder 40 und auf dem Geschäftsführersessel sitzt: Ich möchte immer ein Lernender bleiben. Wenn man nicht mehr bereit ist, dazuzulernen und zufrieden ist, bedeutet das Stillstand und damit Rückschritt, weil alle anderen mit Vollgas aufs Pedal drücken. Diese Kultur versuchen wir im Management vorzuleben und auf unsere Teams zu übertragen. Wir wollen uns immer gegenseitig fordern, kritisch mit allen Themen umgehen und immer wieder daran erinnern, was unsere Ziele sind und dass es ein Privileg ist, in diesem ambitionierten und hochprofessionellen Umfeld arbeiten dürfen. Das sehe ich als meine Aufgabe an.

Schäfer über Zusammenarbeit mit Rose: „Ehrlicher und kontroverser Austausch”

Wie eng begleiten Sie in dieser aktuell schweren Phase nach Unentschieden wie gegen Heidenheim die sportliche Analyse des Trainerteams um Marco Rose?
Selbstverständlich bin ich täglich im Austausch mit Marco und seinem Trainerteam und kenne seine Gedankengänge, was Spielvorbereitungen und Analysen angeht. Wir diskutieren auch kontrovers, ich versuche, meine Eindrücke mitzugeben. Aber der Trainer ist und bleibt der Entscheider für das, was auf dem Platz passiert - und da habe ich auch vollstes Vertrauen und die Überzeugung.

Lesen Sie hier: So reagiert Trainer Rose auf Trennungsgerüchte

Als wie kritikfähig erleben Sie Marco Rose generell?
Wir sind sehr offen und ehrlich miteinander, aber wir kommen immer wieder auf einen gemeinsamen Nenner. Ich finde, es ist ein ehrlicher und auch kontroverser Austausch. So wie es sich gehört für das Verhältnis zwischen sportlicher Führung und Trainer.

Sie gelten als Manager mit viel Geduld in der Trainerfrage. Gäbe es für Sie einen Punkt, an dem diese Geduld aufgebraucht ist?
Es ist immer wichtig, dass man Ursachenforschung betreibt, warum etwas zustande gekommen ist, dass man in Gesprächen, im Alltag, in der Arbeit mit der Mannschaft die Überzeugung hat, dass wir aus schlechteren Phasen gemeinsam und gestärkt herauskommen.

Wie war das in Wolfsburg? Da haben Sie sehr lange zu Niko Kovac gehalten, dann aber doch die Trennung und die Verpflichtung von Ralph Hasenhüttl entschieden.
Damals hatten wir eine sehr lange Serie ohne Sieg absolviert. Wir haben die Situation analysiert, uns in die Augen geschaut und gesagt, dass es eines neuen Impulses bedarf.

„Müssen weiterhin innovativ sein”

Kommen wir zum Kader: Was ist Ihr Grundgedanke, wie sich der Kader von RB Leipzig in den nächsten ein, zwei Jahren entwickeln soll?
Klar ist, wir wollen weiterhin Spieler verpflichten, die jung, hungrig und entwicklungsfähig sind, sie begleiten und zu Topspielern entwickeln. Das hat diesen Klub stark gemacht. Dazu müssen wir weiterhin innovativ sein, immer darauf achten, dass die Infrastruktur nicht nur gut oder sehr gut, sondern auf Top-Top-Niveau ist, dass wir immer absolute Experten im Staff haben, die die Jungs optimal unterstützen, in ihrer täglichen Arbeit besser zu werden. Das ist nicht nur der Cheftrainer, sondern das sind unglaublich viele Leute im medizinischen, athletischen und mentalen Bereich sowie bei Ernährungsthemen und in der Sportwissenschaft.

Wie denken Sie bezüglich der Zukunft erfahrener Spieler wie Peter Gulacsi und Willi Orban?
Wir werden immer wieder darauf achten müssen, dass wir eine erfahrene Achse im Kader haben, weil es wichtig ist, neben dem Cheftrainer und der sportlichen Führung gestandene Spieler dabei zu haben, die die jungen Spieler auf und außerhalb des Platzes unterstützen: Was es bedeutet, wirklich ein Top-Profi und bei einem Klub wie RB Leipzig zu sein, der auch um Titel mitspielen möchte. Spieler, die selber schon ein bisschen was erlebt haben, sind genauso wichtig wie die Infrastruktur und das Personal drumherum. Wir brauchen immer wieder die Kultur und den Drive, mehr zu wollen und hungrig zu bleiben.

Schäfer über Xavi: „Sind bestrebt, nicht immer nur zu verkaufen”

Wie planen Sie mit Xavi Simons? Sie haben betont, dass es keine Absprache gibt, dass er automatisch gehen kann, sollte RB die Champions League verpassen. Aber unverkäuflich ist er bei einem entsprechenden Angebot nicht?
Eine solche Klausel gibt es nicht. Wir sind ein Klub, der junge Spieler auf dem Weg zu absoluten Topspielern begleitet, und dass auch Xavi einer dieser Spieler sein kann, der irgendwann einmal für sich persönlich einen nächsten Schritt machen möchte, ist doch klar. Wir haben ein großes Invest getätigt, um ihn hierzubehalten, und sind natürlich bestrebt, nicht immer nur zu verkaufen, sondern Spieler über einen längeren Zeitraum hier zu behalten. Aber wir haben auf der anderen Seite auch eine Verpflichtung gegenüber dem Klub, wirtschaftlich zu handeln.

Lesen Sie hier: Gesicht der Krise – Wieso Xavi Simons trotzdem spielt

Konkret: Ist es notwendig, im Sommer einen aus dem begehrten Trio Sesko, Lukeba und Xavi abzugeben?
Wir sind als Klub in einem ständigen Umbruch. Das ist auch richtig und wichtig. Wie groß der Umbruch im Sommer ausfallen wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab – unter anderem auch davon, welche Spieler uns verlassen. Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet und machen unsere Hausaufgaben. Die Kaderplanung ist ein ständiger Prozess, der über das ganze Jahr hinweg voranschreitet. Aber ich werde ganz sicher nicht in Europa hausieren gehen und unsere Topspieler anbieten.

„Ich wollte nie Trainer werden”

Was hat Sie eigentlich nach Ihrer aktiven Karriere am Managerjob gereizt?
Ich hatte mit 17 Jahren bei 1860 München ein prägendes Ereignis sowie ein bedeutsames Gespräch. Ich hatte einen kompletten Knieschaden und wusste plötzlich, dass ganz schnell alles vorbei sein kann. Da wurde mir sehr ans Herz gelegt, dass ich mich auf die Schule fokussieren soll. Dieses Gespräch und die schwere Verletzung haben etwas mit mir gemacht. Ab diesem Zeitpunkt habe ich mich immer nebenbei fortgebildet: berufsbegleitende Ausbildungen, Fortbildungen, später die DFB-Sportdirektoren-Ausbildung. Ich wollte nie Trainer werden, sondern immer einen Verein mitgestalten und das große Ganze im Blick haben. Schon während meiner Spielerzeit in Wolfsburg habe ich viel Zeit auf der Geschäftsstelle verbracht – einfach, weil es mich interessiert und mir viel Spaß gemacht hat, hinter die Kulissen zu blicken. Der VfL hat mir viel ermöglicht und Türen geöffnet.

Jörg Schmadtke war Ihr Mentor?
Man nimmt von jedem Trainer, Sportdirektor und Geschäftsführer etwas mit. Mit Jörg Schmadtke habe ich sechs Jahre lang sehr intensiv zusammengearbeitet. Wir hatten den Auftrag, signifikant einzusparen und nach zwei Relegationsjahren eine sportliche Stabilität herbeizuführen. Das war eine sehr große Herausforderung, Jörg hat mir sehr viel Verantwortung gegeben und wir haben uns als Team sehr gut ergänzt. In dieser Zeit ist ein großes Vertrauensverhältnis entstanden. Ohne ihn würde ich heute nicht hier sitzen.

Süchtig nach Titelgewinnen: „Diese Gefühlswelten sind unbezahlbar”

Jetzt geht es im DFB-Pokal wie schon so oft gegen den VfL Wolfsburg. Wie viel Bedeutung messen Sie diesem Wettbewerb bei, der die Saison für RB retten könnte?
Das ist ein Do-or-die-Spiel, ein entscheidender Schritt Richtung Titelgewinn. Das ist sehr, sehr wichtig für uns, wir sehen in diesem Wettbewerb ganz klar die Chance, unser Ziel zu erreichen. Das wird eine große Herausforderung, weil sich Wolfsburg gut in die Saison gearbeitet hat. Aber zu Hause wollen wir den vorletzten Schritt nach Berlin machen. Als Spieler habe ich alle nationalen Titel in Deutschland gewonnen. Letztlich ist es das, was mich jeden Tag antreibt, dass man so besessen ist von Fußball und der Liebe zu seinem Job, diese Gefühlsfacetten beim Gewinn eines Titels wie dem DFB-Pokal wieder erleben zu können. Selbst der reichste Mensch der Welt kann sich solche Gefühle nicht kaufen. Diese Gefühlswelten sind unbezahlbar.