„Ein, zwei Jahre ein Tal durchschreiten” Fixkostenfalle: Zu hohe Ausgaben bremsen RB auf dem Transfermarkt
RB Leipzig befindet sich in einer heiklen Phase: Der Klub muss sparen, aber dennoch genug Qualität einkaufen, um in die Champions League zurückzufinden. Bilanzexperte Ludwig Hierl schätzt die Situation anhand der jüngsten Finanzzahlen ein.

Leipzig – Max Finkgräfe heißt der erste Zugang bei RB Leipzig in diesem Transfersommer; der Linksverteidiger von Aufsteiger 1. FC Köln, U20-Nationalspieler, kommt für etwa vier Millionen Euro als Herausforderer von David Raum und unterschreibt bis 2030; der Niederländer Ezechiel Banzuzi war bereits im April verpflichtet worden.
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Max wer?, werden viele RB-Fans fragen. Der gebürtige Mönchengladbacher hat in der vergangenen Saison in der 2. Liga auch wegen zahlreicher Verletzungen nicht gerade die Sterne vom Himmel gespielt. Doch Finkgräfes Verpflichtung ist Ausdruck des neuen Sparkurses bei RB; der spanische U21-Innenverteidiger und Olympiasieger Cristhian Mosquera war mit etwa 20 Millionen Euro zu teuer. RB muss nach der verpassten Qualifikation für die Europapokal-Wettbewerbe kleinere Brötchen backen und fahndet nun nach Spielern vom Format eines Nicolas Kühn von Celtic Glasgow – durchaus ein Kicker mit guten Anlagen und Mentalität, aber kein europaweit gefragtes Toptalent. Hintergrund ist, dass RB schlicht sparen muss, um die fehlenden Einnahmen zu kompensieren – zumindest solange nicht mindestens zwei Topstars verkauft wurden. Investor Red Bull kann wegen des Financial Fairplay nicht unbegrenzt Geld nachschießen. Gleichzeitig hat der Klub aktuell zu hohe Ausgaben.
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„Enorme Verpflichtungen und Belastungen”
Der Fußball-Bilanzexperte Ludwig Hierl, Professor an der DHBW Heilbronn und Buchautor zum Thema, nennt das die „Fixkostenfalle”, in die auch Leipzig getappt ist. „Das ist im Fußball typisch: Kaum habe ich Erfolg, wollen auch die Spieler und Berater einen großen Schluck aus der Pulle. Wenn dann der sportliche Erfolg ausbleibt, gehen die Einnahmen zurück, aber der Personalaufwand bleibt trotzdem hoch.”
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Laut den aktuellen Zahlen der Deutschen Fußball-Liga (DFL) hat RB im Geschäftsjahr 2023/24 mit über 460 Millionen Euro einen neuen Rekordumsatz gemacht und sich als drittstärkste Kraft noch vor dem damaligen Meister Bayer Leverkusen und hinter Dortmund und Bayern etabliert. „Aber der Spielerkader ist eben auch der drittteuerste der Liga”, schätzt Hierl ein. „Und auch sonst hat der Klub enorme Verpflichtungen und Belastungen.” 202 Millionen Euro betrug der Personalaufwand 2023/24. In der Saison darauf dürfte er sogar noch höher gewesen sein. Gleichzeitig hat RB mit Verbindlichkeiten von über 460 Millionen Euro auch einen neuen Rekord-Schuldenstand – vor allem bei Investor Red Bull und durch Verbindlichkeiten aus Transfers.
„Rückstand von RB Leipzig zur Spitze wird temporär wieder größer”
Um aktiv gegenzusteuern, müssen nun Transferausgaben und Gehälter minimiert werden. RB tut das etwa durch eine neue Klausel in den Verträgen, laut der es bei Verpassen der Champions League 30 Prozent weniger Gehalt gibt. „Tendenziell wird der finanzielle ebenso wie der sportliche Rückstand von RB Leipzig zur Spitze temporär wieder größer werden”, analysiert Hierl. „Da muss man vielleicht auch mal ein, zwei Jahre ein kleines Tal durchschreiten, bis man anschließend wieder vollumfänglich angreifen kann – auch aus einem eigenen Wachstum heraus.”
Die aktuelle Situation kann durchaus auch eine Gelegenheit sein, die Spirale von immer weiter steigenden Kosten für Europas Jungstars zu stoppen und zu bodenständigeren Lösungen mit Potenzial zurückzukehren. „Es ist die Frage, ob man in eine sportliche Negativspirale hineinrutscht, wenn man sich gewisse Spieler nicht mehr leisten kann, und der Rückstand sportlich wieder größer wird, oder ob das sogar eine Chance ist, weil RB ist ja auch dadurch bekannt und groß geworden ist, dass man junge, dynamische Spieler entwickelt, die dann als Mannschaft sehr gut interagieren”, sagt Hierl.